6 Dinge, gelernt am 23. Spieltag Guardiola pfeift Neuer an, der BVB wütet
02.03.2015, 14:04 Uhr
Text-Bild-Schere? Einerseits ja. Andererseits war es so, dass sich Josep Guardiola und Manuel Neuer nach dem Sieg wieder lieb hatten. Das wollen wir Ihnen nicht vorenthalten.
(Foto: dpa)
In München gesteht Trainer Pep Guardiola, permanent sauer zu sein, die Dortmunder haben wieder Zeit für infantile Maskenspiele. Und die Wolfsburger sind die größte Attraktion der Fußball-Bundesliga.
1. FC Bayern auch dank Neuer zu heimstark für Köln
Wer in den vergangenen Jahren in einem der beliebten Bundesliga-Managerspiele auf Manuel Neuer als Torwart gesetzt hat, der musste immer wieder feststellen: Deutschlands Nummer eins bringt ihm virtuell kaum Punkte. Zu selten darf sich Neuer auszeichnen, angesichts der Stärke und der Taktik der Bayern, die den Ball fast nie dem Gegner überlassen, geschweige denn diesem Torschüsse erlauben. Beim 4:1-Sieg gegen den 1. FC Köln an diesem 23. Spieltag der Fußball-Bundesliga durfte Neuer endlich mal wieder etwas zum Erfolg beisteuern. Und das sogar maßgeblich.
Als das Spiel beim Stand von 2:1 auf der Kippe stand, rettete er zweimal großartig. Wobei seine Paraden gegen Anthony Ujah und Marcel Risse zum Neuer-Basisprogramm gehören. Die absolute Bestnote verdiente er sich zudem nicht, weil er Jérôme Boatengs Rückpass mit der Hand aufnahm. Kann man ja mal versuchen, als Weltmeister, mag er gedacht haben. Der Schiedsrichter sah es anders und pfiff Freistoß für Köln. Und Trainer Josep Guardiola zeigte Neuer den Vogel. War er sauer? "Ich bin immer sauer, immer sauer." Beim Gegentor durch Ujah war der beste Torwart der Welt aber chancenlos.
Und da Arjen Robben, Franck Ribery und Robert Lewandowski in der Offensive wieder einmal ihre ganze Klasse zeigten, hieß es am Ende 4:1. Die Bayern sind eben auch fürs (nach ihnen) zweitbeste Auswärts-Team der Liga im eigenen Stadion einfach zu stark. Am Mittwoch dürfen sie dies auch im DFB-Pokal wieder beweisen. Zweitligist Eintracht Braunschweig kommt (ab 20.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) zum ungleichen Achtelfinalduell nach München. Da sind Probleme allenfalls bei der Motivation zu erwarten. Das Rezept für solche Fälle ist meist, hungrige Edelreservisten zu bringen. Und von denen hat Guardiola ja genügend. Am Freitag saßen Dante, Xabi Alonso und Juan Bernat auf der Bank. Auch Mitchell Weiser, Sebastian Rode und Claudio Pizarro dürfen mit Einsatzzeit rechnen. Der 1. FC Köln dagegen kann sich für seinen couragierten Auftritt in München nichts kaufen. Mit der Niederlage ist die Mannschaft von Trainer Peter Stöger endgültig im Überlebenskampf der Liga angekommen. Und am Mittwoch geht es für den Effzeh in Freiburg ums Überleben im Pokal. Dort können sie dann ja mal wieder ihre Auswärtsstärke demonstrieren - wenn nicht irgendein ominöses Gesetz dazwischenkommt, das es nur im Pokal gibt.
2. Der BVB zeigt: Fußball ist vor allem Kopfball
Erstaunlich, was der Kopf im Fußball alles ausrichten kann. Vor drei Wochen mussten die Fans des BVB über das Spiel ihrer Mannschaft noch lesen: "Angst essen Klopp-Fußball auf". Borussia Dortmund war Tabellenletzter und nichts gelang. Gar nichts. Vier Spiele und vier Siege später ist der BVB nicht nur stolzer Derbysieger, sondern wieder im Mittelfeld der Tabelle angekommen. Obwohl der Abstand zu den Europapokalrängen größer ist als der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz, können BVB-Fans jetzt allenthalben lesen: Borussia Dortmund - alles richtig gemacht. "The Trend is your friend", dürfte Freigänger Uli Hoeneß gemurmelt haben, selbst für infantile Maskenspiele haben die Dortmunder jetzt wieder Zeit.
Die Derby-Demontage der Schalker erinnerte an den spielwütigen BVB der Meisterjahre. 31 Dortmunder Torschüsse vermerkten die Statistiker, so viele wie in keinem anderen Ligaspiel der Dortmunder seit der Datenerfassung 1992. Sogar Henrikh Mkhitaryan, die personifizierte BVB-Krise traf, sein 45. Torschuss der Saison war dann doch mal drin. "Es war ein perfekter Nachmittag. Ein tolles Spiel der Mannschaft von der ersten bis zur letzten Minute", lobte Klopp sein Team: "In dieser Art und Weise muss es weitergehen." Der ein oder andere Fan dürfte widersprechen. Gegen Schalke brauchte der 28 Schüsse, um das erste Tor zu schießen. Das waren gefühlt mehr, als Schalke in der gesamten Rückrunde abgeben hat. Dort soll das "kollektive Versagen" (S04-Sportvorstand Horst Heldt) schonungslos aufgearbeitet und das System infrage gestellt werden. Der BVB hat die Schalker schließlich auch gelehrt: Es ist erstaunlich, was der Kopf im Fußball alles vernichten kann.
3. Wolfsburg ist Meister im Konjunktiv
Wenn, ja wenn es nicht acht Punkte wären. Und der VfL Wolfsburg noch einmal gegen den FC Bayern spielen würde. Und der VfL in der Europa League bereits ausgeschieden und Fußball ganz generell ein Sport im Konjunktiv wäre. Ja, dann könnte der VfL Wolfsburg in dieser Saison noch zur Meisterschaft stürmen. Stand jetzt reicht es nur zum Titel "Größte Attraktion" der Liga. Viele Tore und Punkte sammelt der FC Bayern zwar auch. Aber die Prise Drama, die aus torreichen Partien wie in Bremen ein Spektakel macht, bieten im Moment nur Wolfsburg und mit Abstrichen Leverkusen, wobei die andere Werkself primär den Gegner spektakulär gut aussehen lässt. Der VfL Wolfsburg produziert keine fremden Helden, er hat eigene. Sie heißen Bas Dost, der jede Woche mit dem Ende seiner Torserie rechnet und dann doch wieder erklären muss, warum er einfach weiter trifft. Sie heißen Kevin de Bruyne, der unverdrossen weiter Tore vorbereitet (drei gegen Bremen) und die Fachwelt am Fachverstand von Jose Mourinho zweifeln lässt. Der exzentrische Portugiese hatte den außergewöhnlich begabten Belgier bei Chelsea aussortiert.
Und dann ist da noch Wolfsburgs Ober-Held, Trainer Dieter Hecking. Der wilde Sieg in Bremen war ein Sieg des Trainers, lobte Fußball-Philosoph Wolfram Eilenberger im Bezahlfernsehen, weil Wolfsburg mit seinem Acht-Minuten-Rausch nach der Pause gezielt die Schwächen auf der linken Bremer Abwehrseite genutzt habe. Wichtiger noch ist aber der Mannschaftsgeist, den Hecking seiner Millionentruppe eingeimpft hat und die Art und Weise, wie Wolfsburg den tragischen Tod von Junior Malanda verarbeitet hat. Noch stapelt Manager Klaus Allofs, der aus viel Geld viel gemacht hat, tief und sagt: "Wir reden nicht von Titeln, aber wir haben die Qualität, auf jede Spielsituation zu reagieren." Das mit dem Titel könnte sich in der nächsten Saison ändern, falls Kevin de Bruyne dann nicht schon in München spielt. Wenn, ja wenn.
4. Herthas Trainer Dardai zeigt taktisches Geschick
In Berlin gibt es so manchen, der an der Bundesliga-Tauglichkeit nicht nur der Hertha, sondern auch ihres neuen Trainers zweifelt. Beim 1:0-Sieg gegen Augsburg hat Pal Dardai nun einige Argumente gegen diese Zweifler gesammelt. Der Grund: Er machte so ziemlich alles richtig. In dem Wissen, dass Augsburg das Spiel machen wird, ließ er sein Team in einem 4-3-3-System mit sieben Defensiv-Spezialisten auflaufen. Hertha stand tief, verzichtete sogar aufs Pressing, bekämpfte Augsburg erfolgreich und war bei den wenigen Kontern gefährlicher als der FCA. Alle elf Spieler brachten sich ein, keiner stand tatenlos herum, und das tat auch Dardai nicht. Er wechselte Marcel Ndjeng und Jens Hegeler ein - und eben diese beiden waren die Wegbereiter zum Siegtreffer von Salomon Kalou. Selbst das auch an dieser Stelle kritisierte Fitnesstraining, das Dardai kurz nach seiner Amtsübernahme anordnete und der Mannschaft vor dem vor dem Spiel kürzlich gegen Freiburg die nötigen Kräfte raubte, scheint sich nun auszuzahlen. Hertha war bis zur letzten Sekunde physisch präsent und fährt nun gestärkt durch das Erfolgserlebnis zum Abstiegs-Spitzenspiel am Freitag nach Stuttgart.
5. Dem VfB Stuttgart fehlt der Durchblick
Während die Berliner also erkennbare Fortschritte machen, muss sich der geneigte Beobachter ernsthafte Sorgen um den VfB Stuttgart machen. Die Mannschaft von Huub Stevens bleibt nach dem 1:1 in Hannover Tabellenletzter. Müssen wir uns auch Sorgen um den Trainer machen? Wird er auch gegen die Hertha auf der Bank sitzen? Sportdirektor Robin Dutt sagt dazu: "Spekulationen sind in der aktuellen Situation normal. Aber von mir gibt es grundsätzlich keine Aussage dazu. Huub Stevens und ich haben ein enges, vertrauensvolles Verhältnis. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Sie spekulieren, und ich mache meinen Job. Warten Sie es ab, dann werden Sie es sehen." Aha. Dutt, das ist übrigens der Mann, den der SV Werder Bremen Ende Oktober nach dem neunten Spieltag als Trainer feuerte, weil er bis dahin kein einziges Spiel mit seiner Mannschaft gewonnen hatte. Viktor Skripnik übernahm, nun stehen die Bremer mit 30 Punkten auf Platz neun. Und der VfB steuert mit Dutt geradewegs auf die Zweite Liga zu, fünf Punkte sind es mittlerweile bis zum rettenden Platz 15 in der Tabelle.
Das scheint seltsame Kräfte freizusetzen, Stevens jedenfalls versuchte sich nach dem Remis in Hannover an einer Trainer-Comedy. Er scherzte, lachte und amüsierte das Publikum und sich selbst mit teils grotesken Sprüchen. "Es gab komische Fragen von Journalisten, da musste ich lachen und komische Antworten geben." Fragwürdige Krönung seines Auftritts war, als sich Stevens von einem Journalisten eine Brille geben ließ, um die Tabelle zu analysieren. Nur über sich selbst wollte er nicht reden. "Welche Diskussion? Diese Diskussion ist aus den Medien gekommen. Das ist bei euch, nicht bei uns. Ich kenne das Geschäft, das ist nicht mein erster Tag in der Bundesliga", sagte Stevens. "Ich weiß doch, wie da spekuliert und auch fantasiert wird." Er habe aber vom Verein "noch kein Zeichen bekommen". Und er habe "noch immer Kraft" und "einen Vertrag bis zum Saisonende". Grinsend schob Stevens hinterher: "Die vier Monate schaffe ich auch noch." Das mag so sein. Dennoch kommen wir nicht um das Fazit herum: Dem VfB Stuttgart fehlt der Durchblick.
6. Gladbach und Leverkusen lassen Schalke stehen
Von den rheinischen Mannschaften aus Mönchengladbach und Leverkusen lässt sich das nicht behaupten. Beide Teams steuern quasi im Gleichschritt in Richtung Champions League. Während die ersten beiden Plätze in der Tabelle fest an den FC Bayern und den VfL Wolfsburg vergeben sind, belegen Gladbach und Leverkusen die Ränge drei und vier - und profitierten beide davon, dass sich die Schalker bei der klaren Niederlage in Dortmund hartnäckig weigerten, auch nur irgendwie Fußball zu spielen. Die Borussia vom Niederrhein ließ sich nicht davon irritieren, dass nach der Niederlage gegen Sevilla Schluss ist mit Europaliga und schlugen konzentriert den SC Paderborn mit 2:0. Hinterher war zwar nicht völlig zu Unrecht von einem schmucklosen Pflichtsieg die Rede, aber Trainer Lucien Favre war dennoch zufrieden - und verhalten optimistisch: "Wir probieren alles, um da zu bleiben. Aber die Tabelle ist eng, es liegt an Details." Und die Leverkusener? Legten nach dem kleinen Triumph in der Champions League gegen Atlético Madrid nach und schlugen mit dem SC Freiburg wie die Kollegen aus Mönchengladbach einen Abstiegskämpfer, allerdings nur mit 1:0. Klingt seriös, und das war es auch. Torschütze Simon Rolfes, der nach dieser Saison seine Karriere beendet, hat noch viel vor: "Mein Traum ist es, am 30. Mai im Berliner Olympiastadion das Pokalfinale zu bestreiten." Dafür müssen er und sein Team erst einmal den 1. FC Kaiserslautern besiegen. Der Zweitligist ist am Dienstag im Achtelfinale zu Gast im Leverkusen. Und auch die Gladbacher verfügen noch über die Pokaloption: Sie spielen am Mittwoch beim Regionalligisten Kickers Offenbach. An Ausblick fehlt es ihnen also nicht.
Quelle: ntv.de