City muss Meisterfeier vertagen Guardiola zwischen Perfektion und Scheitern
08.04.2018, 10:15 Uhr
(Foto: AP)
Trainer Josep Guardiola setzt in dieser Saison mit den Fußballern von Manchester City Maßstäbe in der englischen Premier League. Doch die Spielzeit könnte noch getrübt werden - nicht nur wegen der Derby-Niederlage gegen United.
Nach einer halben Stunde sah es danach aus, als würde die Party im Etihad-Stadion so schnell kein Ende finden. Ilkay Gündogan hatte zum 2:0 für Manchester City im Stadtduell mit Manchester United getroffen, die Mannschaft von Trainer Josep Guardiola steuerte dem Sieg entgegen, der nötig war, um die in der Theorie längst entschiedene Meisterschaft in der englischen Premier League auch rechnerisch zu finalisieren. Auf den Rängen herrschten Euphorie und Überschwang. Die Zuschauer sangen so laut wie noch nie in dieser Saison, sie zündeten blaue Rauchtöpfe, schwenkten aufblasbare Bananen, ein traditioneller Brauch von Citys Getreuen, und verspotteten den Gegner. "You´re shit and you know you are!", brüllten sie dem schweigenden United-Anhang entgegen.
Am Ende dieses wilden Fußballspiels waren es allerdings die Gästefans, die sich über den Gegner lustig machen durften. "2:0 - and you fucked it up!", sangen sie, während das Heimpublikum traurig den Weg nach Hause antrat. Es tauchten sogar Bilder von weinenden City-Fans auf. Die Mannschaft hatte das Spiel tatsächlich noch verloren, durch einen schwer erklärbaren Systemausfall. Paul Pogba mit zwei Toren innerhalb von drei Minuten zu Beginn der zweiten Halbzeit und Chris Smalling trafen zum 3:2 für United und versauten City damit die Meisterfeier.
Für den Klub von Trainer José Mourinho ist das ein kleines Stück Genugtuung gegen Ende einer Saison, in der das aufstrebende Team aus der Nachbarschaft die Liga dominiert und mit Anerkennung und Bewunderung überschüttet wird. Aus Citys Sicht ist die Niederlage keine Katastrophe. "Für die Fans tut es mir leid. Aber wir haben immer noch einen großen Vorsprung", versuchte Guardiola die Niederlage herunter zu spielen. Und es stimmt ja auch: Schon in der kommenden Woche, wahrscheinlicher aber in der Woche darauf kann seine Mannschaft tatsächlich Meister werden. Die dritte Premier-League-Krone in sieben Jahren war seit Monaten nur noch eine Frage der Zeit, und sie ist es auch nach der Niederlage gegen United.
Beginn einer Ära im Osten Manchesters?
An der Rechtmäßigkeit von Citys Titel bestehen keine Zweifel. Guardiola hat die Mannschaft in seiner zweiten Saison im Amt in eine fast perfekt funktionierende Punkte-Maschine umgebaut. Das 2:3 im Derby war erst die zweite Niederlage in der Liga in dieser Spielzeit nach dem 3:4 beim FC Liverpool Mitte Januar. Das Team kann immer noch den Rekord für die meisten Punkte (95, City steht bei 84) und die meiste Tore (103, City steht bei 90) brechen. Beide Bestmarken hält der FC Chelsea. Der Eindruck ist, dass gerade eine Ära beginnt im Osten Manchesters. Dass der Verein den Fußball in England über Jahre dominieren kann.
Natürlich, ohne die umfangreichen finanziellen Mittel, die dank Klubbesitzer Scheich Mansour zur Verfügung stehen, wäre die Überlegenheit nicht möglich. Seit seinem Amtsantritt im Sommer 2016 hat Guardiola angeblich mehr als eine halbe Milliarde Euro in neues Personal investiert. Doch es wäre verkürzt, Citys Aufstieg an die Spitze des nationalen Betriebs nur mit Geld zu erklären. Der Verein hat keinen Neymar verpflichtet, keinen Kylian Mbappé, keinen Pogba, obwohl Guardiola der Mittelfeldmann in Diensten des Stadtrivalen nach eigenem Bekunden Anfang des Jahres angeboten wurde. Stattdessen investierte er in Spieler, von denen er glaubte, dass sie zu seinem Ballbesitz-Fußball passen würden. In den spielstarken Torwart Ederson zum Beispiel, den schnellen Außenverteidiger Kyle Walker oder den Ex-Schalker Leroy Sané, der in dieser Saison zu einem der besten Flügelstürmer Europas aufgestiegen ist. Außerdem haben sich Profis wie Verteidiger Nicolás Otamendi, der solide Mittelfeld-Aufpasser Fernandinho, Spielmacher Kevin De Bruyne und Offensivmann Raheem Sterling, lange Zeit Sinnbild für ungenutztes Talent, unter Guardiola beeindruckend weiterentwickelt in der laufenden Kampagne.
Vercoacht sich Guardiola immer wieder?
Trotzdem könnte diese so prächtige Spielzeit zum Ende massiv getrübt werden. Nicht unbedingt durch die Niederlage gegen United, sondern durch das drohende Aus im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Liverpool. Nach dem 0:3 im Hinspiel an der Anfield Road muss beim zweiten Treffen am Dienstag (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) vor eigenem Publikum schon eine Art Wunder her. Sollte dieses Ereignis ausbleiben, würde sich für Guardiola eine Serie fortsetzen, auf die er vermutlich nicht stolz ist.
Er hat mit seinen Klubs in den vergangenen Jahren auf nationaler Ebene dominiert, doch in Europas Meisterklasse gelang es ihm nach dem Titelgewinn mit dem FC Barcelona im Jahr 2011 nicht mehr, ins Finale einzuziehen. Mit dem FC Bayern unterlag er dreimal nacheinander im Halbfinale. Mit City schied er in der vergangenen Saison im Achtelfinale gegen Monaco aus. Jedes Jahr wurde das Scheitern - mal mehr, mal weniger - von der Frage umweht, ob Guardiola falsch aufgestellt hatte, ob er sich vercoacht hat, wie es in der Fachsprache heißt. Auch beim Hinspiel in Liverpool traf er eine fragwürdige Entscheidung, indem er von der gewohnten 4-3-3-Formation abwich.
Mit einem Sieg gegen United wollte sich das Team Mut machen für das Rückspiel. Doch daraus wurde nichts. Die Party fand ein ziemlich plötzliches Ende.
Quelle: ntv.de