
Jürgen Klopp und Thomas Tuchel müssen weitermachen. Immer weiter.
(Foto: picture alliance / empics)
Den großen Klubs der Premier League gehen die Stars aus. Die Omikron-Variante sorgt für steigende Fallzahlen in den Klubs und Spielausfälle. Eigentlich bräuchte die Liga eine Pause - aus mehreren Gründen muss sie aber weitermachen wie bisher.
Winterpause in der Bundesliga, die Weihnachtsfeiertage vor der Tür. Fußballfans auf der ganzen Welt richten in dieser Zeit ihren Blick nach England, wo traditionell am Boxing Day, also am zweiten Weihnachtsfeiertag, der Ball dann doch noch rollt. Und das wird er auch in diesem Jahr tun, trotz Omikron-Variante, trotz steigender Infektionszahlen innerhalb der Klubs und trotz mahnender Worte von Trainern, denen das Virus durch Erkrankung oder Quarantäne den Kader ausdünnt. Mit den Spielen Liverpool gegen Leeds und Wolverhaupton gegen Watford sind jedoch bereits drei Tage vorher zwei Spiele aufgrund der Pandemie abgesagt worden.
In England gehen die Infektionszahlen infolge von Omikron längst wieder durch die Decke. Mehr als 106.000 Fälle verzeichnete Großbritannien am Mittwoch, der höchste Wert seit Pandemiebeginn. In der Premier League ist der Verlauf ähnlich. Seit Anfang Dezember haben sich die positiven Fälle unter Spielern und Angestellten der 20 Klubs im Wochenrhythmus verdoppelt. In der letzten Woche waren es 90 Infektionen. Die Liga führt zwar auch eine rekordverdächtig hohe Zahl an durchgeführten Tests in der letzten Woche auf, aber "mehr Tests gleich mehr Fälle" ist eine Rechnung à la Donald Trump, die so nicht aufgeht.
Die Impfquote in der Liga lässt auch zu Wünschen übrig. Rund 16 Prozent der Kicker in Englands höchster Spielklasse sind noch nicht doppelt geimpft, weitere 7 Prozent seien laut Liga noch auf ihrer "vaccination journey" - also ihrer Impfreise zwischen Termin, erstem und zweiten Piks. Die "Daily Mail" berichtete allerdings auch von zwei Premier-League Teams, bei denen die Impfquote sogar nur zwischen 50 und 60 Prozent liege.
Das macht den Profifußball in England natürlich zur Zielscheibe der neuen Corona-Variante, die ja selbst vor Doppelt-Geimpften nicht haltmacht. Zwölf Spiele in der besten Liga der Welt sind Omikron schon zum Opfer gefallen und wurden verschoben. Am Feiertagsmarathon mit drei Spieltagen in kaum mehr als einer Woche hält die Liga trotz der beiden Absagen eisern fest. Unter anderem, weil die meisten Klubs weiterspielen wollen. Beim virtuellem Treffen am Montag sprachen sich 15 Vereine für eine Fortsetzung des Ligabetriebs aus. Der FC Arsenal und der FC Liverpool sollen beim Meeting zu den wenigen Klubs gehört haben, die eine Pause für die Liga forderten, um die Omikron-Ausbreitung innerhalb der Liga einzudämmen.
Liga bleibt hart: Ab 14 Profis müssen die Klubs ran
Denn den Reds und anderen Top-Klubs wie Chelsea gehen so langsam die Top-Stars aus. Vor dem Spiel gegen Tottenham vermeldeten die Reds mit Virgil van Dijk, Fabinho, Thiago und Curtis Jones gleich vier positiv getestete Profis. Jürgen Klopps Co-Trainer Pep Lijnders beschrieb die Entscheidung, die Spiele über Weihnachten stattfinden zu lassen im Nachgang als "absurd", man würde damit die Gesundheit der Kicker aufs Spiel setzen. "Für mich sind die Experten nicht die Trainer, sondern die Wissenschaftler und die Ärzte und wir sollten uns an ihre Richtlinien halten. Die Premier League sollte sie fragen, nicht die CEOs, nicht die Manager, denn Gesundheit steht immer an erster Stelle", sagte Lijnders dem "Guardian".
Auch Chelsea-Trainer Thomas Tuchel zeigte sich besorgt anlässlich der steigenden Infektionszahlen bei den Blues. Durch die gemeinsame Anreise zu Spielen und den Trainingsbetrieb seien weitere Fälle nicht ausgeschlossen, sagte er Sky Sports. Tuchels Klub hatte vor dem letzten Ligaspiel gegen Wolverhampton nach mehreren kurzfristig bekannt gewordenen Infektionen bereits um eine Verlegung gebeten, die Liga lehnte ab. Grund dafür war die Vorgabe der Liga, dass die Mannschaften antreten müssen, sofern 14 Profis spielfähig sind. An der Vorgabe hält die Premier League auch weiterhin fest.
Die Spieler selbst fühlen sich im Stich gelassen und ohne echte Stimme. Liverpools Kapitän Jordan Henderson bemängelte im Interview mit der BBC die fehlende Unterstützung für die Profis. Man habe keinen Fürsprecher mit genügend Macht, der sagen könne: Das gerade ist nicht gut für die Gesundheit der Spieler. "Natürlich wollen wir Fußballer immer spielen", so Henderson. "Aber ich mache mir Sorgen um das Wohlergehen der Spieler und ich glaube nicht, dass das irgendjemand ernst genug nimmt."
Für die Liga und viele Klubs ist die Fortsetzung des Spielbetriebs eine Frage des Prestiges und des Geldes. "Sowohl die Regierung als auch die Premier League sind entschlossen, 'business as usual' zu machen", sagte der Journalist und England-Experte Raphael Honigstein im Deutschlandfunk. Die Spieltage rund um die Feiertage seien eminent wichtig für die Premier League. "Es ist das große Aushängeschild für die Liga und unglaublich lukrativ, weil mehr Spiele als sonst live laufen." Die Klubs hätten keine Lust, sich wie in den vergangenen Saisons Regressforderungen von TV-Rechteinhabern zu stellen.
Die Verluste wären beträchtlich. Nach dem ersten Lockdown musste die Premier League rund 260 Millionen Euro an die Rechteinhaber BT Sport und Sky Sports zurückzahlen. Und auch die Sender wollen durch die Spielausfälle keine Löcher in ihrem Programmplan haben - vor allem, wenn der Großteil des Landes zu Hause festsitzt.
Premier League bekommt Terminprobleme
Neben den finanziellen Aspekten hat die englische Spitzenliga auch ein Problem mit dem Terminkalender. Die Absage der Spieltage 19. bis 21 rund um Weihnachten und Neujahr würde den Ausfall von 30 Partien bedeuten, die man quasi gar nicht nachholen könnte. Im Spielplan der Saison gibt es nur noch zwei Wochenmitten, die nicht mit nationalen oder internationalen Wettbewerben belegt sind.
Ersatztermine würden somit davon abhängen, wie weit die Premier-League-Klubs in Champions, Europa und Conference League kommen. Mit Manchester United, Man City, Chelsea, Liverpool, West Ham und Leicester City sind aber noch gleich sechs Klubs in den K.o.-Runden vertreten - also mehr als ein Viertel der ganzen Premier League. Und die Liga muss am 22. Mai enden. Denn die neue Saison wird durch die Winter-WM in Katar im Sommer ordentlich zusammengestaucht - keine Zeit zum Durchatmen also.
Wer am zweiten Weihnachtsfeiertag den Fernseher einschaltet, wird also Spitzenfußball aus England sehen können. Zu viele Faktoren sprechen gegen eine Absage der traditionsreichen Spieltage. Die Rechnung wird die Liga wohl erst im neuen Jahr zahlen, wenn sich die Fälle nach den vielen Spielen, den Reisestrapazen für die Teams und die Infektionszahlen im Allgemeinen weiter häufen. Die Rechnung zahlen muss dann der Fan: Der sieht dann wahrscheinlich leere Rängen, ganz sicher aber coronabedingt deutlich weniger Star-Power auf dem Platz.
Quelle: ntv.de