Fußball

Aus Tränen wird Spott Jürgen Klopp hat einen miesen Arbeitstag vor sich

Jürgen Klopp ist eine Ikone.

Jürgen Klopp ist eine Ikone.

(Foto: picture alliance / Wolfgang Weihs)

Wo Jürgen Klopp sich verabschiedet, weinen Menschen, bedanken sich und verabschieden den großen Trainer mit den besten Wünschen. So etwas gibt es eigentlich im Fußball nicht. Klopp gelingt das gleich dreimal, bei jeder seiner Stationen. Nun hat sich der Wind gedreht, Klopp steht vor einem besonderen Tag.

"Alles, was ich bin. Alles, was ich kann ...", sprach Jürgen Klopp Ende Mai 2008 auf dem Mainzer Gutenbergplatz stockend in ein Mikro, dann übernahmen die Gefühle das Kommando über die Stimme des Volkshelden. ".... habt ihr mich werden lassen, alles", brachte Klopp nur noch unter Tränen heraus. 20.000 Menschen lauschten den Worten ihres ehemaligen Trainers, viele weinten. Klopp hatte nach dem verpassten Wiederaufstieg in die Bundesliga seinen Abschied aus Mainz verkündet. Nach 18 Jahren als Trainer und Spieler zog Klopp weiter, unter Tränen und Applaus all der Menschen, denen Klopp in dieser Zeit große Tage beschert hatte.

17 Jahre später kehrt Klopp zurück zum Gutenbergplatz. Einst bejubelten sie ihn hier, wo er verpasste Aufstiege beweinte, einen Aufstieg und den Einzug in den Europapokal feierte und sich schließlich als unantastbarer Säulenheiliger direkt neben dem visionären Gutenberg, dem zweitbedeutendsten Bürger der Stadt, nach Dortmund verabschiedete. Doch nun, zu Rosenmontag 2025, verhöhnen sie ihren einstigen Liebling. Wenn der Rosenmontagszug rollt, fährt mit ihm ein Pappmaché-Klopp durch "seine" Stadt, breit grinsend mit einer Dose Red Bull "(Red Bapp") in der Hand haltend.

Jürgen Klopp als Spottobjekt.

Jürgen Klopp als Spottobjekt.

(Foto: IMAGO/Eibner)

Der Trainerlegende sind außerdem Flügel bestehend aus Geldscheinen gewachsen, er trägt zudem eine Kappe mit dem Euro-Symbol. Er wird fallend von einem Sockel dargestellt, auf dem die Vereinslogos seiner bisherigen Stationen 1. FSV Mainz 05, Borussia Dortmund und FC Liverpool angebracht sind. Damit fährt Klopp in einer Reihe mit den ebenfalls verspotteten Donald Trump und Wladimir Putin.

Marketingsprech schmerzt

Die närrische Zeit ist in Mainz eine verdammt ernste Angelegenheit, der Motivwagen des Mainzer Carneval-Vereins, der sieben Kilometer durch Mainz fahren wird, ist sichtbarer Ausdruck einer tiefen Kränkung. Dass Klopp, nach Jahren in der Diaspora, in dem die Liebe nie schwand, Ende vergangenen Jahres ein neues Engagement ausgerechnet beim ungeliebten Red-Bull-Konzern verkündete, hatte auch durch Mainz Schockwellen gesendet. Als Global Head of Soccer des Brauseriesen verantwortet er seit Januar die weltweit verteilten Fußball-Outlets der Österreicher.

In der Pressemeldung, mit der das Engagement verkündet wurde, lässt der Konzern Klopp verkünden, er sei nun "letztlich ein Teil einer Organisation, die einzigartig, innovativ und zukunftsorientiert ist. Wie gesagt, das könnte mich nicht mehr begeistern." Schlimmer Marketingsprech für einen, der einst als "Normal One" in Liverpool antrat, um den Traditionsklub zurück zu altem Glanz zu führen. Einer, der aus dem Stehgreif volle Stadien tief bewegen kann, in der Euphorie und in der tiefen Trauer. Es schmerzt in der Fanseele. Das Engagement des Brausekonzerns im Fußball ist höchst umstritten, die Vorgaben nationaler Verbände und der UEFA werden durch das multinationale Konstrukt häufig mindestens gedehnt. Die Idee, dass ein Konzern derart massiv in den Fußball eingreift, wie es die Österreicher tun, sorgt für Widerstand. Insbesondere in der Bundesliga, in der jede Idee außerhalb der gewachsenen Fußball-Traditionen kritisch beäugt wird.

Nun steht Klopp vor einem wirklich miesen Arbeitstag: Am Samstag (15.30 Uhr/ Sky und im Liveticker auf ntv.de) reist der 1. FSV Mainz 05, die Liebe, die Menschen, die ihn einst alles werden ließen, was er kann und was er ist und die ihn mit Tränen und Jubel in die Welt verabschiedeten, zum Flaggschiff des neuen Arbeitgebers. Und bei RB Leipzig steht mit Marco Rose eben ein alter Freund von Klopp am Ruder und die See ist schwer.

Immer Tränen, wenn er ging

Mainz 05 kämpft in Leipzig weiter um den großen Traum vom internationalen Geschäft, am 24. Spieltag ist sogar die Champions League noch in Sichtweite. Mainz ist Fünfter, Leipzig punktgleich Sechster. Während Mainz auf einer Erfolgswelle segelt, muss Rose seit Wochen einem schweren Brecher nach dem nächsten ausweichen. Das gelingt nicht immer, der einstige Mainzer Publikumsliebling, der unter Klopp zu einem der Aufstiegshelden wurde und später für Mainz 05 sogar international spielte, ist angeschlagen. Eine Niederlage gegen den alten Klub würde Klopp der unangenehmen Situation noch näher bringen, dem Weggefährten, mit dem er einst - wie so oft in emotionalen gemeinsamen Jahren in Mainz - weinte und feierte, die Papiere in die Hand drücken zu müssen.

Obwohl der einstige Linksverteidiger, der RB 2023 als Trainer zum Pokalsieg führte, intern fachlich und menschlich hochgeschätzt wird und bei den Fans außerordentlich beliebt ist. Und obwohl sich Klopp, der sich in seiner Rolle nicht als Entscheider, sondern als Berater versteht, noch im Januar für eine Weiterbeschäftigung des alten Kumpels ausgesprochen hatte. Egal, wie es ausgeht: Das Ergebnis kann Jürgen Klopp nicht uneingeschränkt gefallen. Aber Ergebnisse sind für Entscheider allzu oft stärkere Argumente als Gefühle. Gefühle sind die Währung der Fans. Klopps Kapital war es immer, dass er die Identität seiner Klubs erspürte, sie vollständig annahm, formte und schließlich maßgeblich prägte. Dabei nahm er stets die Menschen mit. Er gab ihnen, was sie brauchten, ohne dass er ein Manipulator ist.

Kein Wunder, dass es immer Tränen gab, wenn er ging. In Mainz, in Dortmund und in Liverpool. Nun steht der Gefühlsmensch und begnadete Begeisterer Klopp dem Konzern getriebenen Fußball-Programm von Red Bull vor. "Die kaufen sich eine Galionsfigur. Das ist eine Bedrohung", zitierte der "Spiegel" eine Quelle aus dem Dunstkreis der Führung des großen FC Bayern. Den FC Bayern treibt eher die Angst um die unangefochtene Vormacht im deutschen Fußball an, die aktiven Fanszenen fühlen sich verraten.

Es ist ein kleines Drama

"Klopp: 'Ich mag Menschen, bis sie mich enttäuschen'", stand auf einem Transparent im Mainzer Stadion zu lesen. "Alles, was wir dich haben werden lassen, hast du vergessen", hatte die "Ultraszene Mainz" dem einst geliebten Ex-Trainer auf einem Banner vorgeworfen. Noch 2017 hatte Klopp ebenjene Ultras in Liverpool empfangen, um "seinem" Verein seine volle Solidarität zuzusagen, der mal wieder kräftig im Abstiegsstrudel am Rudern war. "Dass die Mainzer Ultra-Szene hier aufgeschlagen ist, zeigt, dass die Lage einigermaßen ernst ist", hatte Klopp zu dem Treffen berichtet, bei dem er mit den beiden Szene-Vertretern das in Mainz legendäre "100 Prozent Einsatz für unser Ziel"-Banner hochgehalten hatte.

Hinter dem Banner hatten sie sich in der Aufstiegssaison 2004 versammelt, nachdem man zuvor zweimal dramatisch und - natürlich - tränenreich gescheitert war. Klopp war das magische Stück Stoff später zum Abschied geschenkt worden.

"Das Double mit Dortmund war außergewöhnlich", sagte Klopp also 2017 in seiner Rede an das Mainzer Volk. "Aber mit dem Aufstieg mit Mainz 05 haben wir uns einen Traum erfüllt, von dem wir gedacht haben, er würde nie wahr werden. Jeder, der sich daran erinnern kann, muss aufstehen, sich eine Karte für das Heimspiel gegen Hertha kaufen und sich die Seele aus dem Leib brüllen." Die Worte Klopps, der Mainz einst aus der Depression in den Rang eines bunten Bundesligisten führte, verfehlten ihre Wirkung nicht: Mainz 05 hielt die Klasse, auch Klopp hatte wieder seinen Teil des Wunders gewirkt. Nun wird er zwischen Putin und Trump durch Mainz gefahren. Es ist ein kleines Drama.

Quelle: ntv.de

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