Fußball

Nicht nur Red Bull freut sich Jürgen Klopp trinkt zuckerfrei und startet mit einer Absage

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Er will kein Trainer mehr sein, stattdessen hat Jürgen Klopp einen neuen Job. Er wird "Global Head of Soccer" für den Red-Bull-Konzern. Was das bedeutet, erklärt der 57-Jährige auf einer Pressekonferenz. Und auch, warum er sich mit einem Arzt, nur für den Fußball, vergleicht.

Da sitzt er nun: Jürgen Klopp. Inmitten der Flugzeugsammlung des verstorbenen Red-Bull-Bosses Dietrich Mateschitz, im sogenannten Hangar 7 in Salzburg. Eingerahmt von zwei Formel-1-Autos, es steht auch ein Red-Bull-Helikopter herum. Journalisten aus aller Welt sind nach Österreich gekommen: aus Ägypten, aus Polen, aus Deutschland. Gelegentlich nippt Klopp aus einer Dose zuckerfreies Red Bull. Es sei ja eher ungewöhnlich, dass der Dosenkonzern jemand einstelle, der so bekannt ist wie er, sagt Klopp. "Aber ich bin am Ende nur ein einfacher Angestellter."

Jürgen Klopp in seiner neuen Heimat.

Jürgen Klopp in seiner neuen Heimat.

(Foto: picture alliance/dpa)

Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Als er zum FC Liverpool kam, vor fast zehn Jahren, da war er der "Normal One", so stellte er sich dort auf der legendären Antrittspressekonferenz vor. Diesmal ist das nicht so. Diesmal kommt er als "Head of Global Soccer" des österreichischen Getränkeherstellers, mit all seinen Erfolgen, die er in seiner langen Trainerkarriere gesammelt hat. Am Anfang wird ein kurzer Clip eingespielt, Klopp wird durch die Red-Bull-Hallen geführt. Und bei einer Sache ist er sich treu geblieben: Wie schon in Mainz, Dortmund und auch später in Liverpool: Er trägt eine Mütze seines Arbeitgebers. Nur prangt da nicht wie damals beim BVB "Pöhler", sondern jetzt sind auf seiner Stirn zwei Bullen zu sehen.

Nicht nur die Mütze hat sich bei Klopp etwas verändert. Die Wende, die der 57-Jährige vollzogen hat, ist bemerkenswert. Der Kult-Trainer zum Anfassen, der lange Zeit das "Gute" im Fußball-Business repräsentierte, wechselt plötzlich ablösefrei zu dem, was viele Fans als das "Böse" in dem Sport betrachten. "Tausche Werte gegen Dosenpfand", so beschrieb es die Dortmunder Südtribüne. Die Mainzer Fans fragten, ob er denn bekloppt sei. Der Kieler Fanblock zeigte auch sein Gesicht mit einem Fadenkreuz und ernannte ihn zu einem "Totengräber des deutschen Fußballs".

Red Bull kommt, das Vereinslogo verschwindet

Und was sagt Kloppo dazu? Immerhin hat die Fußballnation wochenlang über den Mann geredet, der plötzlich zum "Head of Global Soccer" eines Dosenkonzerns wurde. Jahrelang war er der Fixpunkt vieler Fußballromantikerinnen und -romantiker. Als sein Wechsel bekannt wurde, war die Rede von Verrat. Seine Situation vergleicht Klopp mit der eines Arztes. Auch der behandelt Menschen, wenn sie aus einer anderen Stadt kommen. "Für mich gilt das auch", sagt Klopp. "Ich mag es, den Menschen zu helfen, wo ich hinkomme." Jetzt kümmert sich Dr. Klopp eben um Red Bull, nicht nur in Leipzig, sondern für das gesamte Netzwerk rund um den Globus.

Für den Dosenkonzern ist das ein riesiger Coup. "Jürgen soll uns natürlich helfen, dass wir uns weiterentwickeln und besser werden - mit seiner unglaublichen Expertise, seiner positiven Energie und inspirierenden Art", sagte Oliver Mintzlaff schon vorab bei RTL/ntv. "Wir alle sind davon überzeugt, dass wir mit ihm die nächste Stufe für unser internationales Klub-Netzwerk erreichen können", so der Mateschitz-Nachfolger als Boss des Red-Bull-Konzerns. Auf der Bühne legt er dann nach: Wenn man mit einem jungen Talent verhandle und dann sitze da Klopp mit am Verhandlungstisch, dann sei das mit Sicherheit auch ein Faktor. Insgesamt 800 Sportlerinnen und Sportler gebe es im Red-Bull-Kosmos. Aber lernen die voneinander? "Nein", sagt Mintzlaff.

Das Red-Bull-Fußball-Konglomerat ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Alles begann 2005 mit der Übernahme von Austria Salzburg. Es folgten über die Zeit weitere Mehrheitsbeteiligungen in den USA (New York Red Bulls), in Brasilien (Red Bull Bragantino), in Japan (RB Omiya Ardija) - und Deutschland, wo nach Absagen von FC St. Pauli, TSV 1860 München und Fortuna Düsseldorf schließlich der SSV Markranstädt bei Leipzig auserkoren wurde. Hinzu kommen die Anteile beim Paris FC in Frankreich und bei Leeds United in England. Der Dosenkonzern kommt, übernimmt die Vereine, ihre bisherige Identität geht dabei verloren. Vereinsfarben, Wappen, Historie, alles, was über Generationen gewachsen ist: weg. Eben das ist auch die Kritik vieler Fußballfans.

England hat ihn verändert

Doch Klopp sieht das anders. "Wenn man es nicht verstehen möchte, wird man das auch nicht verstehen", sagt er. Egal, ob in Leipzig, New York oder Saitama: "Die Menschen dort genießen es einfach, Teil einer tollen Reise zu sein. Wer entscheidet denn, wer solche Reisen machen darf?", fragt er. "Die Menschen, die hart dafür gearbeitet haben, verdienen die Anerkennung und die Unterstützung", erklärt Klopp. Man könne so viel Positives aus dem Fußball ziehen. "Und das finde ich klasse, wenn man Menschen trifft, die für RB arbeiten: Diese Identifikation gefällt mir total", sagt er.

Nicht nur der neue Arbeitgeber spielt eine Rolle. Die neun Jahre in England hätten ihn verändert. Man sei nicht mehr die gleiche Person, die man davor war. "Wir haben in England immer Investoren gehabt, aber während der Spiele hat niemand darüber nachgedacht", erklärt Klopp. Es ist nicht so, als seien die Fanszenen dort komplett unkritisch, auch dort werde über Ticketpreise diskutiert. Aber: "Da wird nicht viel über Investoren gesprochen, da denkt niemand drüber nach, weil man die andere Art des Fußballs nicht kennt." Er respektiere alle Meinungen, "aber ich finde, dass die Menschen, die in unseren Vereinen arbeiten, das Bestmögliche erwarten dürfen. Und das versuchen wir zu liefern."

Sportlich, das wird auch deutlich, begibt sich Klopp auf einen riesigen Abenteuerspielplatz. "In mir lebt immer noch ein Trainer weiter, aber es ist super spannend, auf der anderen Seite zu sein", sagt er. Was dieses Netzwerk bewirken kann, hatte sich schon bei RB Leipzig gezeigt. Der Klub kaufte sich mit den Brause-Millionen in der fünftklassigen Oberliga ein und stieg innerhalb von sieben Saisons bis in die Bundesliga auf. Doch, das ist eine der vielen Baustellen für Klopp, mittlerweile stoßen die Rasenballsportler an eine gläserne Decke. In der Bundesliga haben sie sich in den Top Vier etabliert, für einen echten Angriff auf die Meisterschaft reicht es aber immer noch nicht.

Wie genau Klopp dieses Problem lösen will, ließ er offen. Er soll Synergien schaffen, so formuliert es CEO Mintzlaff. Klopp selbst sagt, er wolle vor allem helfen. Er sei ein Berater, der zuhört und antwortet, wenn andere Fragen haben. Schon in Dortmund und Liverpool hatte er sich nicht nur für die reine Spieltagsarbeit, sondern auch für das Drumherum interessiert: die Infrastruktur, die Vereinskultur. In Liverpool haben sie erst kürzlich ein gänzlich neues Trainingszentrum errichtet. "Ich werde nicht beim Training aufkreuzen und den Trainern sagen, was sie zu tun haben", sagt Klopp. Er möchte, um im Sprech seines neuen Arbeitgebers zu bleiben, "den Menschen ein bisschen Flügel verleihen".

Es gibt nur eine Sache, die Jürgen Klopp nicht mehr machen will. "Ich werde kein Red-Bull-Team trainieren", sagt er deutlich. "Soweit ich das beurteilen kann, werde ich nicht noch einmal Trainer. Ich werde definitiv keinen RB-Trainer ersetzen." Ein Hintertürchen ließ er sich dann aber doch offen: Niemand könne sagen, wo er in vier oder fünf Jahren sei. Viel mehr bleibt nach knapp anderthalb Stunden Red-Bull-Werbeshow nicht hängen.

Quelle: ntv.de

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