Wer übernimmt nach Löw? Klopp sagt ab, Rangnick wäre aufregend
09.03.2021, 14:47 Uhr
Reizvolle Nachfolge-Idee, aber unwahrscheinlich.
(Foto: imago images/Revierfoto)
Die Meldung kommt völlig aus dem Nichts und trifft den deutschen Fußball mit voller Wucht: Joachim Löw zieht sich im Sommer als Bundestrainer zurück. Das wirft eine Frage besonders drängend auf: Wer übernimmt die deutsche Nationalmannschaft?
Bei Twitter passierte das Unvermeidliche: Kaum war die Meldung raus, dass sich Joachim Löw nach der Fußball-Europameisterschaft im Sommer freiwillig aus der Bundestrainer-Verantwortung zurückzieht, posteten viele das legendäre Peter-Neururer-Porsche-Meme. Nun ist es allerdings so: Neururer hat seine Laufbahn als Trainer bereits offiziell beendet, nur für seinen Herzensklub FC Schalke 04 hätte er nochmal eine Ausnahme gemacht. Dort aber versucht nun Dimitrios Grammozis den Super-GAU (Abstieg) noch irgendwie zu verhindern.
Ein ähnliches Szenario wurde zuletzt auch emotional um die deutsche Nationalmannschaft erschaffen. Seit der amtlich vergeigten Weltmeisterschaft 2018 hängen immer "dunklere Wolken" über dem Team und noch mehr über seinem Trainer. Ein kurzes erfolgreiches Aufflackern im Nachgang der Watschn von Watutinki, die Geburt der Moped-Gang um Timo Werner, Leroy Sané und Serge Gnabry, das war's, was seit dem Russland -Debakel auf der Habenseite "erfolgreiche Arbeit" steht. Alle anderen Einträge seither wurden in der Spalte "Vorwürfe und Verfehlungen" notiert. Besonders dick markiert: gescheiterter Umbruch, ignorant gegen jede Kritik, Ausbootung von Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels. So gut die Gründe für diese Entscheidung damals waren, so böse sind sie Löw in den vergangenen Monaten begegnet.
"Ich wäre verrückt, wenn ich das ausschließen würde"
Warum Löw sich nun zurückzieht, das ist noch nicht bekannt. Am Donnerstag wird es eine Medienrunde geben. Aber die Frage, die derzeit viel drängender wirkt, ist ohnehin eine andere: Wer macht's denn künftig? Jürgen Klopp, Hansi Flick, Julian Nagelsmann, Ralf Rangnick oder Stefan Kuntz? Nun, emotional am reizvollsten ist natürlich das Thema Klopp. Und naheliegend ja gerade irgendwie auch. Denn nach sensationellen Jahren beim FC Liverpool mit Triumph in der Champions League und dem historischen Meistertitel nutzt sich das System Klopp an der Anfield Road gerade ab.
Ungeachtet der Tatsache, dass Klopp schon mehrfach für das Amt beim DFB geschwärmt hatte, dass er mit seiner emotionalen Art und seiner Idee vom Fußball für große Begeisterung sorgen würde, scheint ein unmittelbarer Übergang eher unwahrscheinlich (Update: Am Nachmittag hat Klopp seine Verfügbarkeit für das Bundestrainer-Amt im Sommer offiziell abgesagt). Zu sehr hängt er noch an seinem Job. Und zu intensiv ist seine Zeit in Anfield. Ähnlich wie einst bei Borussia Dortmund. Selbst wenn der Klub vorzeitig verlassen würde (Vertrag läuft noch bis 2024), wäre eine vorübergehende Auszeit naheliegender.
Ein Szenario mit Co-Trainer Marcus Sorg als Zwischenlösung bis Klopp bereitstünde, wird es wohl aber auch nicht geben. Denn bereits im Jahr nach der EM folgt die Winter-WM in Katar. Angesichts der ohnehin wenigen Zeit mit einer Nationalmannschaft hat der DFB beim Neuaufbau nach der Ära Löw nichts zu verschenken. Wer dann? Der gnadenlose Titelsammler Hansi Flick, der Mann, mit dem Löw als Assistent 2014 in Brasilien Weltmeister wurde? Das hätte natürlich viel Charme. Wegen der romantischen Vergangenheit. Aber auch, weil er viele Nationalspieler beim FC Bayern bereits trainiert und (noch) besser macht. Allen voran Leon Goretzka und Joshua Kimmich. Und Flick ist beim DFB absolut eine Option.
Gegenüber der "Sport Bild" hatte Teammanager Oliver Bierhoff Ende vergangenen Jahres bereits anklingen lassen, dass ihn der Gedanke an eine Zukunft mit dem Münchner Coach beschäftigt. "Ich wäre verrückt, wenn ich das ausschließen würde." Als ebenso verrückt hatte indes Bayerns Patron Uli Hoeneß jegliche Spekulationen abgekanzelt. "Es ist doch völlig hirnrissig, darüber nachzudenken, sowohl für den Hansi als auch für uns", sagte er Anfang Februar dem Bayerischen Rundfunk. "Er fängt ja gerade erst an, eine große Karriere zu machen." Und Flick bekannte zudem sehr glaubhaft, mit seinem Job an der Säbener Straße wirklich sehr glücklich zu sein.
Konflikt um die Macht?
Eine große Karriere als Trainer hat bereits Ralf Rangnick gemacht. Vor allem, wenn es darum ging, spannende Projekte voranzutreiben. Sowohl der spektakuläre Aufstieg der TSG Hoffenheim als auch der von RB Leipzig sind eng mit seinem Namen (und den Millionen der Sponsoren) verknüpft. Rangnick aber ist ein großartiger Taktiker und ein Mann, der Talente immer wieder fordert und fördert. Genau das wäre ein Profil für die Zeit zwischen EM und WM 2022. Rangnicks Vorteil: Er ist verfügbar und könnte seine Laufbahn würdig krönen. Rangnicks Nachteil: Er gilt als unbequemer Typ und als Mensch, der sehr viel Macht an sich reißen will. Mit Bierhoff hätte er aber einen sehr mächtigen Gegenspieler. Das birgt Konfliktpotenzial. Und so was mögen sie beim DFB gar nicht.
Genannt wird natürlich auch Julian Nagelsmann. Zusammen mit Thomas Tuchel, der gerade erst beim FC Chelsea unterschrieben hat und dort ein hoch-spannendes Team anleitet, gilt er als größtes deutsches Trainertalent. Aber mehr als die sporadische Teamarbeit des Bundestrainers reizt ihn der tägliche Umgang mit den Spielern, die tägliche Entwicklung der Mannschaft. Und die ist bei RB Leipzig nicht nur extrem talentiert, sondern kann auch mit kräftigen Mitteln für eine erfolgreiche Zukunft aufgebaut werden.
Bleibt also noch Stefan Kuntz, der erfolgreiche Trainer des U21-Teams. Er kennt viele Nationalspieler, kennt die Strukturen, ist beim Verband hoch angesehen. Er ist nicht nur fachlich stark, sondern auch ein charismatischer Kommunikator. Er könnte tatsächlich den Weg bereiten für einen Bundestrainer Klopp, das indes nicht mittel-, sondern eher langfristig.
Quelle: ntv.de