Souveräner Sieg gegen Villarreal Klopp und Reds auf dem Weg zur Unsterblichkeit
28.04.2022, 06:55 Uhr
Salahs Schuss ging über das Tor. Am Ende war das egal und Liverpool der Unsterblichkeit etwas näher.
(Foto: picture alliance / Newscom)
Der FC Liverpool ließ Bayern-Schreck Villarreal im Halbfinal-Hinspiel der Champions League keine Chance. Die dritte Endspielteilnahme in fünf Jahren ist nahe. Jürgen Klopps Mannschaft könnte Historisches vollbringen. Das Momentum dazu haben sie.
Wenn man sich nach rund einer Stunde umschaute im Anfield-Stadion, dann sah man die Definition von Glück. Die Menschen hatten sich von ihren roten Sitzschalen erhoben im Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen Villarreal und sangen das Lied davon, wie ihr Verein, der FC Liverpool, den ganzen Kontinent erobert habe und durch nichts aufzuhalten sei ("We've conquered all of Europe, we're never gonna stop").
Die Melodie ist eine Art Soundtrack der Amtszeit von Trainer Jürgen Klopp geworden in den vergangenen Jahren. Einige Zuschauer schwenkten ihre rotweißen Schals durch die kühle Abendluft, andere klatschten in die Hände, wieder andere streckten die Arme aus wie in Trance. Was sie gemeinsam hatten, war das Gefühl tief empfundener Freude. Die Fans des FC Liverpool spüren, dass sie gerade eine einzigartige Zeit mit ihrem Klub erleben. Eine Zeit, die es so vielleicht noch nie gab und vielleicht nie wieder geben wird.
Kurz vor diesem Mosaik der Euphorie hatte Klopps Mannschaft den Widerstand der tapferen Gäste aus Spanien gebrochen, und das gleich doppelt. Ein Eigentor von Pervis Estupiñán und ein Treffer von Sadio Mané innerhalb von nur 133 Sekunden brachten Liverpool 2:0 in Führung. Dabei blieb es bis zum Schluss.
Und auch wenn sich Klopps Mannschaft vorwerfen lassen muss, die für ein Champions-League-Halbfinale absurde Überlegenheit mit 20:1 Schüssen nicht zu einem höheren Sieg genutzt zu haben - der Einzug ins Endspiel in Paris gegen Manchester City oder Real Madrid dürfte Liverpool kaum noch zu nehmen sein. Es wäre die dritte Teilnahme am Finale der Königsklasse innerhalb von fünf Jahren und möglicherweise die Gelegenheit, ein beispielloses Stück Geschichte zu schreiben.
Der Weg zu den "Fab Four" ist lang
Vier Titel kann Liverpool gewinnen in den finalen Wochen der Saison, das ist noch keinem Klub im englischen Fußball gelungen. Den Ligapokal hat Klopps Mannschaft schon sicher, im FA-Cup steht sie im Finale gegen den FC Chelsea. In der Premier League liegt Liverpool einen Punkt hinter Tabellenführer Manchester City und dürfte das Rennen um die Meisterschaft bis zum letzten Spieltag offenhalten, und in der Champions League ist nicht zu erkennen, wie Villarreal den Zwei-Tore-Unterschied aus dem Hinspiel beim zweiten Treffen am Dienstag im Estadio de la Cerámica drehen will. Zu unterlegen war die Mannschaft, die in dieser Saison Juventus Turin und den FC Bayern aus dem Wettbewerb geworfen hatte. Liverpool-Torwart Alisson musste nicht einen Ball halten.
Klopp sagte am Ende der Veranstaltung das, was er sagen musste. Er erklärte, dass das Halbfinale für ihn noch nicht entschieden sei: "Wenn es nach der ersten Hälfte 2:0 steht, muss man die zweite Hälfte genau so spielen. Wir müssen noch die volle Arbeit machen", mahnte er mit Blick auf das Rückspiel. Doch das dürfte Liverpools Fans nicht davon abhalten, schonmal in großer Zahl Flüge nach Paris zu buchen, dem Ort des Finales. Die Außenwelt spricht ohnehin nur noch in Superlativen über Klopps Mannschaft. "Das ist das beste Liverpool, das ich je gesehen habe", sagte Rio Ferdinand, Fachmann beim englischen Champions-League-Sender "BT Sport". Er dürfte bei solchen Komplimenten innere Schmerzen empfinden - als langjähriger Profi von Liverpools Erzrivalen Manchester United.
Der Glaube der Fans
Aber Ferdinand ist ja nicht alleine mit seiner Einschätzung. In England herrscht Einigkeit, dass Jürgen Klopp seine Mannschaft nach dem Gewinn der Champions League 2019 und der Meisterschaft 2020 noch einmal auf ein höheres Niveau gehoben hat in dieser Saison. Im Angriff ist Liverpool nicht mehr von Sadio Mané, Roberto Firmino und Mohamed Salah abhängig, sondern kann dank Diogo Jota und Luis Díaz praktisch ohne Qualitätsverlust rotieren.
Thiago Alcântara ist in seiner besten Form seit seiner Ankunft vom FC Bayern im September 2020 und war gegen Villarreal der überragende Spieler. In der Abwehr spielt der Ex-Schalker Joël Matip die wohl stärkste Saison seiner Karriere und ist aus dem Schatten seines kolossalen Nebenmanns Virgil van Dijk getreten. Gegen Villarreal kam der einstige Leipziger Ibrahima Konaté für Matip zum Einsatz und zeigte eine tadellose Leistung. Rechtzeitig zur entscheidenden Phase der Saison ist Liverpool in einem furchterregend guten Zustand. Die Mannschaft, der ganze Klub, hat das sogenannte Momentum.
Natürlich, es gibt keine Garantie dafür, dass der FC Liverpool neben dem Ligapokal noch weitere Titel holt in den kommenden Wochen, geschweige denn die "Fab Four" - alle vier. Aber die Chance darauf besteht. Es ist die Chance zur Unsterblichkeit. Und wenn man sich umschaute im Anfield-Stadion nach rund einer Stunde im Spiel gegen Villarreal, dann stellte man fest: Die Fans glauben daran, dass sich die Mannschaft unsterblich machen kann.
Quelle: ntv.de