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"Mittlerweile unerträglich"Ulms Kapitäne flehen öffentlich um Rauswürfe und Neustart

10.11.2025, 13:37 Uhr tsiTorben Siemer
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In Ulm läuft es aktuell katastrophal schlecht. (Foto: imago/Lucca Fundel)

Der SSV Ulm steht als Zweitliga-Absteiger nach dem ersten Drittel der Drittliga-Saison auf einem Abstiegsplatz. Nach fünf Niederlagen in Folge ist die Not groß und die Verzweiflung offenbar noch größer. Die Mannschaftskapitäne schreiben einen drastischen Brief.

Die 3. Liga ist traditionell ein hartes Pflaster für Zweitliga-Absteiger. Seit 2015 gab es nur zwei Saisons, in denen nicht mindestens ein Absteiger in große Gefahr geriet, direkt in die Regionalliga durchgereicht zu werden. Den FSV Frankfurt und die Würzburger Kickers erwischte es sogar, beide Klubs versuchen sich seitdem vergeblich an der Rückkehr in den Profifußball. Entsprechend groß ist die Sorge beim SSV Ulm 1846, vom selben Schicksal ereilt zu werden.

Die "Spatzen" stehen nach 13 Spieltagen auf dem 18. Platz und haben fünf Spiele in Folge verloren: 1:4 in Ingolstadt, 1:2 gegen Cottbus, 0:5 in Verl, 1:3 gegen Stuttgart II und 0:5 gegen Rostock. Ein Brief der beiden Mannschaftskapitäne lässt nun vermuten, dass diese Ergebnisse die Folge von Missständen sind, die weit über das Sportliche hinausreichen.

"Das Verhältnis zwischen Mannschaft, Trainer und vor allem dem Sportdirektor ist komplett zerrüttet", heißt es darin, auch innerhalb des Teams sei die "die Situation [...] mittlerweile unerträglich geworden". Es sind drastische Worte, die die Kapitäne Johannes Reichert und Christian Ortag gewählt haben. Adressat des eigentlich internen Briefs waren laut "Kicker" Aufsichtsräte und Unterstützer des SSV, öffentlich wurde der Text am Sonntag - einen Tag, nachdem die Ulmer im heimischen Donaustadion gegen Hansa Rostock ihrem 19-jährigen Torwart Max Schmitt dafür danken durften, dass es in seinem Drittliga-Debüt beim 0:5 geblieben und nicht noch viel deutlich ausgegangen war.

Der erste Trainer musste in Ulm schon gehen

Innenverteidiger Reichert und Schlussmann Ortag haben deshalb einen Hilferuf formuliert, der sich an die Klubführung wendet, endlich einzugreifen. "Handelt jetzt, bevor zu spät ist", schreiben sie, "auch für uns persönlich ist die Situation kaum noch auszuhalten." Dabei geht es offensichtlich um Probleme bei Aufstellung oder taktischer Ausrichtung: "Die Spieler stehen völlig schutzlos da. Sie bekommen keinerlei Rückendeckung, keine Unterstützung, kein Vertrauen." Vielmehr würden "intern und öffentlich zu Sündenbocken gemacht". Mit spürbaren Folgen, wie die beiden Kapitäne schildern, die gegen Rostock beide verletzungsbedingt nicht auf dem Platz stehen konnten: "Viele von uns sind am Ende ihrer Kräfte - seelisch, emotional und menschlich."

Sie fordern einen "kompletten Neuanfang, um überhaupt noch die kleine Chance auf den Klassenerhalt zu wahren", dafür brauche die Mannschaft schnelle Hilfe - und Menschen, die an sie glauben. Im Fokus steht dabei laut "Kicker" Geschäftsführer Markus Thiele, dessen Rauswurf die Ulmer Fans seit Wochen fordern.

Einen Trainerwechsel gab es in der laufenden Saison bereits, der erst im Frühjahr vom U19- zum Profi-Trainer aufgestiegene Robert Lechleiter musste im September schon wieder gehen. Nach sechs Punkten aus den ersten sechs Spielen steht seitdem interimsweise Moritz Glasbrenner an der Seitenlinie, vermochte aber nur eine kurzfristige Trendwende herbeizuführen: Auf zwei Siege und ein Unentschieden zum Start folgten die oben beschriebenen fünf Niederlagen in Serie.

Ein Ulmer kennt das Loch, in das der SSV gerade rutscht

Der Zeitpunkt des Briefes dürfte nicht zufällig gewählt worden sein: Während des Länderspiel-Fensters pausiert auch die 3. Liga, für die Ulmer geht es erst am 22. November weiter. Ein relativ üblicher Zeitpunkt, um große Veränderungen in der sportlichen Führung vorzunehmen. Bundesligist VfL Wolfsburg etwa nutzte diesen bereits, um seinen Trainer Paul Simonis freizustellen. In der Hoffnung, die spielfreie Zeit für neue Impulse nutzen zu können. Diese Hoffnung haben auch Reichert und Ortag, gerade mit Blick auf den Gegner in knapp zwei Wochen: Die Ulmer gastieren dann beim Tabellenletzten TSV Havelse, dem einzigen noch sieglosen Klub in dieser Saison.

Ein neuerlicher Rückschlag beim Schlusslicht käme einer sportlichen Bankrotterklärung gleich. Die Ulmer Kapitäne wenden sich deshalb direkt an die Klubführung: "Wir flehen euch an: Greift ein, steht uns bei und helft uns, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen, bevor alles zu spät ist." Eine dringliche Bitte, sofort zu handeln: "Wir dürfen die Spieler nicht im Stich lassen - nicht als Sportler und nicht als Menschen."

Diesen Weg gehen die beiden langjährigen Ulmer sicher auch deshalb, damit sie und ihre Teamkollegen sich nicht solch ein tiefes Loch graben sind wie der Zweitliga-Absteiger, dem im Vorjahr der "Durchmarsch" in die Regionalliga drohte: Der VfL Osnabrück war monatelang Tabellenletzter, schmiss im Dezember Trainer und Sportchef raus, und krempelte im Winter den Kader radikal um. Eines der Gesichter das darauffolgenden Aufschwungen war der aus Ulm ausgeliehene Niklas Kölle. Sein Wiedersehen mit den ehemaligen Mitspielern am 18. Spieltag wird ein bitteres werden, wenn sich beim SSV bis dahin nichts ändern sollte.

Quelle: ntv.de

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