Zittersieg gegen furioses Bayer Leidender BVB erlöst sich ohne Kontrolle
25.02.2019, 08:50 Uhr
Erleichterung bei den Spielern des BVB: Nach fünf Partien ohne Sieg gewinnt Dortmund gegen Bayer Leverkusen mit Ex-Coach Peter Bosz.
(Foto: imago/Kirchner-Media)
Borussia Dortmund beendet seine Leidenszeit: Gegen Bayer 04 Leverkusen ist der Tabellenführer am 23. Spieltag der Fußball-Bundesliga zwar lange unterlegen, gewinnt aber trotzdem. Das Beste neben dem Ergebnis ist die Erkenntnis: Es geht auch ohne Marco Reus.
Als Schiedsrichter Christian Dingert von der TSG Burglichtenberg in der Pfalz nach 95 sehr aufregenden Minuten zum letzten Mal an diesem Abend des 23. Spieltags der Fußball-Bundesliga in seine Pfeife geblasen hatte, war die Reaktion im Dortmunder Stadion verhalten. Keine Explosion, kein Jubelsturm, keine Ekstase - es gab eher einen kollektiven Stoßseufzer von elf Spielern, der Bank mit Ersatzleuten und Trainerstab sowie der überwiegenden Mehrheit unter den 80.000 Besuchern, die ihr Herz an Schwarzgelb verschenkt haben. Es herrschte Erleichterung nach einem 3:2 (2:1)-Sieg gegen Bayer 04 Leverkusen in einem mitreißenden Schlagabtausch.
Borussia Dortmund: Bürki - Hakimi, Akanji, Zagadou, Diallo - Weigl, Witsel - Sancho, Mario Götze (83. Dahoud), Guerreiro (75. Bruun Larsen) - Paco Alcacer (90. Wolf); Trainer: Favre.
Leverkusen 04 Leverkusen: Hradecky - Weiser, Tah, Sven Bender, Jedvaj - Baumgartlinger - Aranguiz, Brandt - Havertz, Volland, Bailey (70. Alario); Trainer: Bosz.
Schiedsrichter: Christian Dingert (Lebecksmühle)
Tore: 1:0 Zagadou (30.), 1:1 Volland (37.), 2:1 Sancho (38.), 3:1 Götze (60.), 3:2 Tah (75.)
Zuschauer: 81.029
Es hatte endlich wieder eim Erfolgserlebnis gegeben nach Wochen des Wartens, in denen es diverse Rückschläge gab und der Rekordmeister aus München dem souveränen Herbstmeister bedrohlich nah auf den Pelz gerückt war. Das größte Stadion der Republik glich keinem Tollhaus, die Szenerie glich einem stillen Genießen, den Trend nach drei Unentschieden in der Liga, dem Aus im DFB-Pokal gegen Werder Bremen und der deprimierenden 0:3-Schlappe im Champions-League-Achtelfinale bei den Tottenham Hotspurs umgedreht zu haben. Trainer Lucien Favre traf sich mit seinem Kollegen Peter Bosz - in der Hinrunde 2017 für kurze Zeit selbst Coach beim BVB - um sich mit ihm lange und intensiv über das Spiel auszutauschen.
Später wurde der Schweizer gefragt, was denn der Inhalt des Exkurses gewesen sei: "Ach", antwortete der 61-Jährige mit einem Lächeln, "wie das Spiel so war. Es war sehr intensiv - auf beiden Seiten." Vor allem in den ersten 25 Minuten musste jedem Betrachter angst und bange werden um die Borussia. Die Leverkusener jagten ihren bemitleidenswert unterlegenen Kontrahenten so kombinationssicher, spielfreudig, technisch beschlagen und temporeich über den Rasen, wie das der BVB oftmals in der Hinrunde gezeigt hatte, als Favres Elf noch mit jener Leichtigkeit des Seins agierte, die nun der Gegner auf den Platz zauberte. "Da waren sie wirklich besser als wir", analysierte Favre, und die Zahlen unterlegten diese Aussage. Unglaubliche 80 Prozent Ballbesitz erspielten sich die Rheinländer in der Anfangsphase, während die Westfalen reichlich überfordert wirkten. Die Frage, ob es der Matchplan gewesen sei, dass sich der Gegner austoben solle, um dann eiskalt zurückzuschlagen, quittierte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc mit einem deutlichen Kopfschütteln: "Zuhause willst du das Spiel dominieren, das ist uns nicht gelungen. Wir sind dem Ball ständig hinterhergelaufen."
"Heute ist das Ergebnis das Beste"
Es kamen einige glückliche Umstände zusammen, dass der Spitzenreiter diese Phase glimpflich überstand, um das Spiel so zu gestalten, dass es in einen offenen Schlagabtausch mündete, in dem der BVB seine Chancen konsequenter nutzte. "Wir waren die klar bessere Mannschaft", sagte Leverkusens starker Spielmacher Kai Havertz, "umso bitterer ist es, dass wir verloren haben." Dem mochte niemand ernsthaft widersprechen, auch die Gastgeber wussten, dass diese Begegnung auch anders hätte ausgehen können: "Es war wichtig für die Mannschaft, dass sie merkt, dass sie auch ohne Marco Reus gewinnen kann", so Zorc: "Insofern ist heute das Ergebnis das Beste, auch wenn wir nicht wirklich die Spielkontrolle hatten."
Unter dem neuen Trainer Bosz bleibt Bayer eine Wundertüte: Tollen Leistungen wie dem eindrucksvollen Heimsieg gegen den FC Bayern und dem spektakulären 5:0 in Mainz stehen Pleiten im DFB-Pokal und der Europa League gegen Zweitligist Heidenheim und dem russischen Klub FK Krasnodar gegenüber. Es bleibt schwierig, aus dieser Mannschaft schlau zu werden, was auch am Mann auf der Bank liegen könnte. Unter dem Niederländer Bosz erlebte bereits Borussia Dortmund in der vergangenen Saison eine schwer zu ergründende Achterbahnfahrt: Nach furiosem Saisonbeginn, als sich der BVB an der Tabellenspitze mit fünf Punkten vom Branchenprimus aus München absetzte, folgte der Absturz und die Entlassung des 55-Jährigen, der bei seiner Vorstellung im Rheinland betonte, mit Deutschland sei er "noch nicht fertig".
Trotz der Niederlage hinterließ Bayer im Revier über weite Strecken einen äußerst starken Eindruck, der erneut spielfreudige Nationalspieler Julian Brandt hofft daher auf weiteren Rückenwind: "Wenn wir noch ein paar Kleinigkeiten hinkriegen, wird es noch eine gute Saison." Währenddessen fühlen sie sich beim BVB gewappnet für die letzten elf Herausforderungen in der Liga und das zu erwartende Kopf-an-Kopf-Rennen im Titelrennen mit den Bayern. "Wir haben gelitten, wir haben gewonnen, es war sehr, sehr wichtig für die Moral", betonte Favre nach 90 fulminanten Minuten gegen Leverkusen. Die Borussia hat das Siegen wiederentdeckt, doch die Macher bleiben sich treu: Das Wort Meisterschaft steht bei Michael Zorc und seinen Mitstreitern weiterhin auf dem Index. Immerhin, so weit traute sich das Dortmunder Urgestein nach einem aufregenden Abend dann doch aus der Deckung: "Dritter wollen wir nicht werden."
Quelle: ntv.de