Fußball

RB führt BVB nach "Gespräch" vor Leipzig hält auch wild keifenden Hummels im Zaum

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Nach drei bitteren Pleiten in Folge zaubert RB Leipzig im DFB-Pokal gegen Dortmund fußballerische Extraklasse auf den Rasen. Der Traum von der Titelverteidigung lebt dank eines wichtigen "Gesprächs" - auch wenn Mats Hummels Timo Werner an den Kragen will.

Mats Hummels hat Redebedarf. Nein, Mats Hummels ist außer sich. Es läuft bereits die Nachspielzeit beim 2:0 (1:0)-Sieg von RB Leipzig über Borussia Dortmund im Viertelfinale des DFB-Pokals, als Dominik Szoboszlai an der rechten Außenlinie tief in der BVB-Hälfte Donyell Malen bei dessen Klärungsversuch rustikal abräumt. Anschließend brennen dem Niederländer die Sicherungen durch. Er schubst und wird zurückgeschubst, bis sich ein kleines schwarz-gelb-rot-weißes Knäuel bildet.

Da lässt sich der ausgewechselte Hummels nicht zweimal bitten, für einen letzten Spurt hinein in die Rudelbildung reicht es noch beim 34-jährigen Ex-Nationalspieler. Vor der Leipziger Bank legt er sich mit Werner an, zeigt immer wieder auf den ebenfalls ausgewechselten Torschützen zum 1:0 und packt ihn sogar an der Jacke. Die Lage ist unübersichtlich, angeblich soll Dani Olmo mit Wasser gespritzt haben. Wie dem auch sei, Leipzig wehrt die gefährlichste Attacke der Dortmunder an diesem Abend locker ab. Hummels sieht auf der Bank die Gelbe Karte. Er winkt ab. Lacht sarkastisch. RB fährt zwei Minuten später eiskalt einen x-ten Konter und Willi Orban schießt zum 2:0-Endstand ein (98.). Hummels diskutiert nach dem Schlusspfiff mit dem Schiedsrichter, während die Sachsen freudig tanzen.

Drei Pflichtspiele in Folge hat Leipzig vor dem Duell mit Dortmund verloren. 0:11 Tore lautet dabei die miserable Ausbeute. Doch von einer Pleitenserie wollen die Männer von Trainer Marco Rose von der ersten Minute an so überhaupt nichts wissen. Die Offensive um den seit drei Partien glück- und torlosen Werner brennt ein Feuerwerk ab, das Team, das am Wochenende mit 0:3 gegen Mainz 05 baden ging, presst den BVB in Grund und Boden. Was vier Wechsel in der Startelf manchmal ausmachen können, eine solche Dominanz gegen den zweiten der Bundesliga schafft sonst höchstens der FC Bayern.

"Hätten deutlich höher führen können"

"Wir hatten genügend Charaktertests die letzten Wochen", erklärt ein gut aufgelegter Werner nach dem Einzug ins Halbfinale. "Da waren es eine 6 und durchgefallen. Heute war es eine glatte 1." Sein Trainer Rose fügt an: "Man kann sich Pläne machen, am Ende muss man es tun und umsetzen. Das haben wir heute." Ein Seitenhieb auf die Dortmunder, die ebenfalls eine besondere Reaktion nach der Pleite in München am vergangenen Samstag zeigen wollten? Wie dem auch sei, sein Team habe "verdient gewonnen", so der Coach." Wir waren sehr, sehr präsent im Pressing und gut im Umschalten. Dann auch sehr schnell. Wir hätten auch deutlich höher führen können."

"Müssen", hätte Rose sagen sollen. Leipzig hätte höher führen müssen. Nach dem Powerplay der ersten Viertelstunde fällt folgerichtig das 1:0 (22.), weil RB mal wieder zu schnell für den BVB agiert. Mohamed Simakan und Szoboszlai tanken sich auf rechts nach vorne. Am Strafraum hat Hummels keine Chance im Sprintduell mit Simakan, dessen präzise Hereingabe Werner gekonnt mit links ins linke Eck schiebt. "Das war ein typisches RB-Tor", erklärt der Torschütze. "Wir gewinnen den Ball und schalten um. Das, was wir in den letzten Wochen zu selten gemacht haben."

Im Anschluss haben die Sachsen weitere Großchancen. Der in die Startelf beförderte Spanier Olmo macht mächtig Wind. Werner freut es: "Olmo hat mir als Stürmer sehr geholfen. Das ist der Fußball, den wir spielen wollen." In der 39. Minute muss es spätestens 2:0 stehen, aber nach einem Ballverlust der Dortmunder im Mittelfeld legt Werner beim Gegenstoß alleine vor Torhüter Gregor Kobel so ungenau wie unnötig quer. Die Riesenchance verpufft.

Wichtige Gespräche, "heftige" Gefühle

Egal, die Sachsen müssen die Dortmunder zu keiner Sekunde des Spiels fürchten, so dominant und abgeklärt agieren sie in allen Zonen des Spielfelds. Christopher Nkunku noch nicht fit und nicht mal auf der Bank? Geschenkt. Yussuf Poulsen weiter verletzt? Macht an diesem Mittwochabend überhaupt nichts. Selbst dass Konrad Laimer in der 78. Minute die klarste Chance der Partie liegen lässt, interessiert später niemanden mehr. Laimer läuft bei einem Gegenstoß, den Emil Forsberg in der eigenen Hälfte edel mit der Hacke auf Szoboszlai einleitet, völlig frei auf Kobel zu. Aber dann hat der Mittelfeldspieler Zeit nachzudenken und hadert etwas zu lang, sodass Hummels dazwischen grätschen kann. Laimer lässt den Verteidiger zwar mit einer Finte ins Leere fliegen, aber sein Abschluss ist anschließend zu unpräzise und Kobel pariert herausragend.

"Wir waren schärfer und griffiger", resümiert Orban kurz nach der Partie treffend. Und er erklärt den eigentlichen Grund des Sieges. "Wir haben viel geredet und es fühlt sich gut an, wenn das dann auch fruchtet." Durch die "Gespräche" hätte das Team wieder "diese Frische reinbekommen". Damit meint er Teamsitzungen der Kicker allein, ohne Trainer, wie auch Benjamin Henrichs bekräftigt. "Das hat uns gutgetan." Er fügt an: "Jeder hat gepusht, jeder hat motiviert vor dem Spiel." Es sei ein "heftiges Gefühl" gewesen, der Sieg über den BVB sei eines der Spiele gewesen, "von denen du als kleiner Junge träumst. Die Stimmung war heute eine der besten, seit ich in Leipzig bin."

Das Viertelfinale in der Red Bull Arena stand von vornherein unter besonderen Vorzeichen. Grund dafür waren aber nicht die 22 Spieler auf dem Feld, sondern die Kicker vom FC Bayern München, die am Dienstagabend in der Nachspielzeit gegen den SC Freiburg aus dem DFB-Pokal flogen. Der Sieger zwischen Dortmund und Leipzig würde als Topfavorit ins Halbfinale einziehen, soviel war klar. Nun kann der Titelverteidiger den zweiten Pokalsieg in Folge feiern und eine mittelmäßige Saison retten, in der in der Bundesliga die Qualifikation für die Champions League in Gefahr ist.

"Wir wollen wieder nach Berlin, wir wollen wieder den Titel holen", sagt Henrichs selbstbewusst. Sein Trainer Marko Rose erklärt: "Jetzt wissen wir wieder, wie Fußballspiele gewinnen geht. Wir wissen, was dazugehört. Das war eine richtige Reaktion." Eine Reaktion, die nur eines der Teams an diesem Abend zeigt. Da kann auch Mats Hummels mit seinem dünnhäutigen Bankspurt samt Wortgefecht nichts dran ändern.

Quelle: ntv.de

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