Klopp kämpft gegen Guardiola Liverpool und Man City spielen wie Meister
01.04.2019, 11:20 Uhr Artikel anhören
"Ohne ein bisschen Glück kannst du nicht dort stehen, wo wir stehen": Jürgen Klopp.
(Foto: imago images / Action Plus)
Manchester City und der FC Liverpool liefern sich ein packendes Rennen um die englische Fußballmeisterschaft. Das Team von Josep Guardiola spielt an guten Tagen wie eine frisch geölte Maschine, Jürgen Klopps Mannschaft kann sich auch auf ihr Glück verlassen.
Als der Ball über die Torlinie rollte, fühlte es sich an, als würden gigantische Hände das Stadion an der Anfield Road durchschütteln, wie einen Würfelbecher oder einen Cocktail. Der Beton bebte, auf den Rängen purzelten an diesem frühem Sonntagabend Körper übereinander, die Ko-Trainer des FC Liverpool rannten in Ekstase die Seitenlinie entlang, die Spieler bildeten ein Jubel-Knäuel. Im Zentrum der Glückseligkeit befand sich Mohamed Salah, der als Schütze des 2:1-Siegtreffers gegen Tottenham Hotspur in der 90. Minute durchgesagt wurde, dabei hatte es sich um ein Eigentor durch Verteidiger Toby Alderweireld nach einem Fehler von Torwart Hugo Lloris gehandelt.
Jürgen Klopp blieb ruhig, trotz des Überschwangs um ihn herum. Er hob kurz die Arme, etwas ungläubig, und drehte dem Spielfeld den Rücken zu. Es war ein stiller Moment inmitten des Lärms. Ein Moment, in dem er möglicherweise gedacht hat: Wow! Es passiert wirklich! Wir können wirklich Meister werden! Seine Mannschaft hat am 32. Spieltag der Premier League gegen Tottenham das wohl schwerste Spiel gewonnen, das sie in dieser Saison noch zu bestreiten hatte, und das durch einen Treffer kurz vor Schluss, der eigentlich nicht fallen darf. Es war ein glückliches Tor, das musste auch Klopp anerkennen, wobei der Sieg insgesamt durchaus berechtigt war.
"Ohne ein bisschen Glück kannst du nicht dort stehen, wo wir stehen. Die Jungs haben sich ein bisschen Glück verdient", sagte der deutsche Übungsleiter. Wieder einmal hatte es das Schicksal gut mit seinem Team gemeint. Es profitierte wie schon beim 1:0-Erfolg gegen den FC Everton im Dezember und beim 4:3 gegen Crystal Palace im Januar von einem Missgeschick des gegnerischen Torhüters. Unter normalen Umständen müsste man sagen, dass, wer so viel Glück in entscheidenden Situationen hat, auch Meister wird.
"Es ist leicht: Wir müssen alle Spiele gewinnen"
Doch die Umstände im Rennen um Englands Fußball-Krone sind speziell. Neben dem FC Liverpool gibt es noch eine zweite Mannschaft, die eine titelreife Saison spielt, nämlich Manchester City. Das Team von Trainer Josep Guardiola hatte sich mit dem 2:0-Erfolg beim FC Fulham am Samstag an die Tabellenspitze gesetzt, Klopps Mannschaft zog mit dem Sieg gegen Tottenham wieder vorbei. "Liverpool, top of the league!", sangen die Fans auf der Kop-Tribüne nach Schlusspfiff. Der Vorsprung beträgt zwei Punkte, allerdings hat Manchester City noch ein Spiel mehr (sieben, im Vergleich zu Liverpools sechs Partien) und den Ausgang des Titelrennens damit selbst in der Hand. "Es ist leicht: Wir müssen alle Spiele gewinnen, um Meister zu werden", sagte Guardiola. Das könnte tatsächlich nötig sein. Liverpool macht nicht den Eindruck, noch viele Punkte abzugeben. Umgekehrt könnte jeder Ausrutscher von Klopps Mannschaft den Traum von der ersten Meisterschaft seit fast 30 Jahren beenden. Denn auch Manchester City gewinnt konstant.
FC Liverpool
6. 4. | Southampton - Liverpool | 33. Spieltag |
13. 4. | Liverpool - Chelsea | 34. Spieltag |
20. 4. | Cardiff - Liverpool | 35. Spieltag |
27. 4. | Liverpool - Huddersfield | 36. Spieltag |
4. 5. | Newcastle - Liverpool | 37. Spieltag |
12. 5. | Liverpool - Wolverham. | 38. Spieltag |
Manchester City
3. 4. | Man City - Cardiff | 33. Spieltag |
13. 4. | Crys. Palace - Man City | 34. Spieltag |
20. 4. | Man City - Tottenham | 35. Spieltag |
24. 4. | Man United - Man City | Nachholspiel vom 31. Spieltag |
27. 4. | Burnley - Man City | 36. Spieltag |
4. 5. | Man City - Leicester | 37. Spieltag |
12. 5. | Brighton - Man City | 38. Spieltag |
Das Restprogramm scheint Liverpool leicht zu bevorteilen. Nach dem Sieg gegen Tottenham hat Klopps Mannschaft nur noch eine Partie gegen einen Top-Sechs-Gegner, nämlich gegen den FC Chelsea, und das vor heimischem Publikum. Manchester City muss noch zu Hause gegen Tottenham und bei Manchester United antreten. Das Stadtderby am 24. April wird als Finale um die Meisterschaft angesehen. Die allgemeine Stimmung ist diese: Gewinnt City im Old Trafford, holt die Mannschaft auch den Titel. Gemeinsam haben die beiden Kontrahenten an der Spitze, dass sie noch jeweils drei Spiele gegen Teams bestreiten müssen, die auf den letzten sechs Plätzen stehen. Liverpool trifft noch auf Southampton, Cardiff und das schon abgestiegene Huddersfield.
City bekommt es noch mit Cardiff, Burnley und Brighton zu tun. Außerdem hat Guardiolas Mannschaft noch zwei Partien mit Ausrutsch-Potenzial, nämlich gegen Crystal Palace und Leicester. Diese beiden Mannschaften fügten dem Titelverteidiger im Dezember zwei seiner bisher vier Saison-Niederlagen zu. Auch die Mehrfachbelastung könnte eine Rolle im Meisterrennen spielen. Manchester City ist noch in der Champions League (Viertelfinale gegen Tottenham) und im FA-Cup (Halbfinale gegen Brighton) dabei, Liverpool hat neben der Liga nur noch die Champions League (Viertelfinale gegen Porto).
So oder so: Am Ende dürften Kleinigkeiten über die englische Meisterschaft entscheiden. Manchester City verfügt über den breiteren Kader, spielt an guten Tagen wie eine frisch geölte Maschine und kann den Gegner so elegant zerlegen wie wohl kein anderes Team in Europa. Das hat der FC Schalke 04 neulich erfahren müssen. Liverpool dagegen zeigte mit dem Sieg gegen Tottenham durch den glücklichen Treffer in der 90. Minute wieder einmal, dass die Mannschaft so lange weitermacht, bis sich die Dinge in ihrem Sinne fügen. Aus dieser mentalen Stärke zieht sie Mut für das Saison-Finale. Oder, wie Klopp es formulierte: "Wenn wir nach dem letzten Spieltag auf dem ersten Platz stehen, wäre es eine Meisterschaft des Willens."
Quelle: ntv.de