Plötzlich wieder weltklasse Manuel Neuer zwingt Löw ins Dilemma
27.05.2019, 18:51 Uhr
Wieder da: Manuel Neuer.
(Foto: imago images / Laci Perenyi)
Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona, sagt Bundestrainer Joachim Löw, sei ein Fußballtorhüter auf Weltklasseniveau. Doch Manuel Neuer zeigt beim Pokalsieg seines FC Bayern, dass er das auch (wieder) ist. Ist er damit plötzlich auch in der Nationalmannschaft der Mann der Zukunft?
Joachim Löw hat ein Problem weniger. Oder eins mehr, das ist die Frage. Kurzfristig ist die Sache klar: Er hat einen Torhüter in Topform, wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft am Pfingstsamstag, 8. Juni, in Baryssau gegen Weißrussland und am Dienstag drauf in Mainz gegen Estland (beide Spiele ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) um die Qualifikation zur Europameisterschaft 2020 spielt. Das hatte der Bundestrainer am Samstag zusammen mit den 74.321 anderen Zuschauern im Berliner Olympiastadion selbst gesehen. Manuel Neuer hatte seinen Teil dazu beigetragen, dass der FC Bayern in einem rasanten Finale beim 3:0 gegen RB Leipzig den DFB-Pokal und damit das nationale Double gewann.
Neuer hatte nicht mehr im Tor der Münchner gestanden, seit ihm am 14. April beim 4:1 im Bundesligaspiel bei Fortuna Düsseldorf die Muskelfasern in der Wade gerissen waren. Daher hatte Löw seine Einladung zu den Länderspielen mit dem Vermerk "vorläufig" versehen. Den kann er nun streichen. Neuer präsentierte sich nicht nur topfit, sondern auch aus dem Stand in Topform. Und so durfte er nach dem Endspiel unwidersprochen behaupten: "Es war eine Punktlandung, besser hätte man das Drehbuch nicht schreiben können."
Sein Reflex mit der rechten Hand gegen Yussuf Poulsen beim Stand von 0:0 in der elften Minute, als er einen Kopfball des Leipzigers aus fünf Metern an die Unterkante der Latte lenkte, und seine Glanztat mit Fuß und Hand, als Emil Forsberg zwei Minuten nach der Pause alleine mit dem Ball am Fuß auf ihn zulief, erinnerten an den Neuer, der über viele Jahre als unbezwingbar galt. Die Bayern waren entzückt. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sprach von "einem Giganten" im Tor, Kollege Thomas Müller lobte, sein Kapitän habe "wieder allen gezeigt, dass er da ist, wenn es brennt". Und Trainer Niko Kovac sagte: "Er hat uns in zwei Situationen im Spiel gehalten. Das ist das, was man auf dem Niveau braucht: etwas Glück." Und: "Man hat heute gesehen, warum er der beste Torhüter Deutschlands ist."
Und was ist mit ter Stegen?
Dem Bundestrainer stellt sich nun die Frage, ob dieser Neuer mit seinen 33 Jahren plötzlich wieder der Mann der Zukunft in der DFB-Elf ist. Der sagte in Berlin: "Ich mache nicht irgendwelche Kampfansagen oder sage gegen irgendwelche Kritiker was, das war noch nie meine Art." Das musste er auch nicht, seine Taten sprachen für sich. Und sein Anspruch auf einen Stammplatz in der Nationalmannschaft dürfte klar sein. Aber da ist ja noch Marc-André ter Stegen.
Der ist nicht nur sechs Jahre jünger, sondern zeigt beim FC Barcelona seit Jahren Topleistungen und war in der Nationalelf stets zur Stelle, wenn Neuer, wie so oft in der jüngeren Vergangenheit, verletzt ausfiel. Ter Stegen hat zwar derzeit Probleme am rechten Knie, sodass Barça das spanische Pokalfinale ohne ihn mit 1:2 gegen den FC Valencia verlor. Für die Spiele in Weißrussland und gegen Estland ist er keine Option.
Aber Löw hatte ihn am Wochenende nochmal ausdrücklich gelobt: "Er ist gereift zu einem Torhüter auf Weltklasseniveau." Und nun? Dürfte der Bundestrainer so schnell an Neuer nicht vorbeikommen. Und wenn der weiter so spielt, wie er es in Berlin tat, könnte sich das für Löw zu einem kleinen Dilemma ausweiten. Will er wirklich einen Torhüter auf Weltklasseniveau (ter Stegen) weiter nur auf die Bank setzen? Andererseits: Was soll er tun? Die langjährige Nummer eins in dem Moment absägen, in dem die so gut spielt wie lange nicht mehr? Die "Süddeutsche Zeitung" schreib gar von der "Wiederauferstehung des Manuel Neuer". So gesehen hat Löw nun ein Problem mehr.
Quelle: ntv.de