Fußball

Cool & Cooler statt Schnarch & Schleich Mertesacker & Boateng - das DFB-Bollwerk

King Per: Mertesacker regierte in London.

King Per: Mertesacker regierte in London.

(Foto: imago sportfotodienst)

Weil die Abwehr steht, gewinnt die deutsche Fußballnationalelf in England - zu null. Das liegt vor allem an Per Mertesacker und Jeróme Boateng. Das Verteidigerduo empfiehlt sich nachdrücklich für die WM in Brasilien. Wer hätte das gedacht?

Er ist schlichtweg der Größte. 1,98 Meter misst Per Mertesacker, damit führt der Innenverteidiger die Rangliste aller Nationalspieler der 108 Jahre währenden Länderspielgeschichte des Deutschen Fußball-Bundes an. Und wenn so einer wie am Dienstag in London den einzigen Treffer des Abends erzielt, fällt das natürlich auf. Nach einer Flanke von Toni Kroos sprang Per Mertesacker auch noch hoch, was die englischen Abwehrspieler bei seiner Länge als Frechheit empfunden haben müssen, und köpfte den Ball ins Tor. Energisch und wuchtig wie einer, der zeigen will, dass er wieder da ist.

Und Per Mertesacker ist wieder da. Er, den sie nach der Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und Österreich zusammen mit seinem Kompagnon Christoph Metzelder als "Brüder Schnarch und Schleich" verspotteten. Der abgeschrieben schien und die EM im vergangenen Jahr auf der Bank verbrachte. Was er ohne zu Murren tat und erst in der Ukraine und dann in Polen zusah, wie sich Holger Badstuber und Mats Hummels als Verteidigerduo Nummer eins etablierten. Er wechselte vom SV Werder Bremen zum FC Arsenal nach London - zur Freude des Bundestrainers. Joachim Löw setzt ihn seitdem regelmäßig ein und bescheinigt immer wieder, wie sehr er sich verbessert habe. Es spricht viel dafür, dass der 29-Jährige mit dem Kollegen Jeróme Boateng im nächsten Jahr bei der Weltmeisterschaft in Brasilien erste Wahl sein wird. Und das hat wenig mit seinem Tor zu tun.

England - Deutschland 0:1 (0:1)

Tor: 0:1 Mertesacker (39.)

England: Hart - Walker, Smalling, Jagielka, Cole (53. Gibbs) - Lallana (76. Lambert), Cleverley (64. Wilshere), Gerrard (56. Henderson), Townsend - Rooney (71. Barkley), Sturridge
Deutschland: Weidenfeller - Westermann (67. Draxler), Boateng (46. Hummels/ 65. Höwedes), Mertesacker, Schmelzer (46. Jansen) - Lars Bender, Sven Bender - Götze, Kroos, Reus (82. Schürrle) - Kruse (56. Sam)
Referee: Lannoy (Frankreich) Zus: 85.934

Denn seinen Job hat Mertesacker eigentlich dann gut erledigt, wenn es heißt, er habe ihn solide und zuverlässig gemacht. So ist das als Innenverteidiger, das weiß Per Mertesacker. Und das war es auch, was der Bundestrainer in London besonders lobte. "Er hat sich in England noch einmal nach vorne entwickelt, was Koordination betrifft, Wendigkeit, Beweglichkeit und auch das Passspiel. Er organisiert die Mannschaft, gibt der Abwehr Stabilität, steht in der Defensive immer am richtigen Platz."

In der Tat verrichtete er seine Arbeit im Zentrum der Defensive souverän, cool und ohne Schnörkel (zur Einzelkritik). In Wembley verlor er keinen entscheidenden Zweikampf, machte keinen schweren Fehler und stand als Konstante im deutschen Wechselreigen in der Viererkette stets schon da, wo es brenzlig wurde. Weil er das Spiel des Gegners beobachtet und die richtigen Schlüsse daraus zieht. So verhinderte er, dass die Gastgeber überhaupt einmal gefährlich vors Tor kamen. Ein wenig war es so wie bei dem Wettrennen zwischen dem Hasen und dem Igel. Wenn ein Engländer auftauchte, war Per Mertesacker schon da.

"Das hat keiner von mir vermutet"

Aber es kann ja nicht schaden, ab und an mal aufzufallen. Und dafür zu sorgen, dass die DFB-Elf mit dem 1:0-Sieg im Londoner Wembley-Stadion zum Abschluss des Jahres gegen England gewinnt. Dementsprechend gut gelaunt präsentierte er sich nach seinem 95. Länderspiel den Reportern und plauderte über seine Qualitäten als Torjäger: "Ich war so überrascht, dass ich beim ersten Mal so freistand. Da habe ich einen Antritt hingelegt, das hat keiner von mir vermutet." Und er freut sich schon auf die Rückkehr zum FC Arsenal, wo die Fans ihn liebevoll "Big fuckin' German" nennen.

Fehlerlos gegen England: Neben Per Mertesacker hat sich Jeròme Boateng festgespielt.

Fehlerlos gegen England: Neben Per Mertesacker hat sich Jeròme Boateng festgespielt.

(Foto: dpa)

Er macht das in der Gewissheit, dass er spätestens seit diesem Abend in London wieder den inoffiziellen Titel des deutschen Abwehrchefs für sich beanspruchen kann. Und dass er mit Jeróme Boateng einen Assistenten hat, der sich nicht erst in Wembley nachdrücklich um den Titel des coolsten deutschen Abwehrspielers beworben hat. Was nicht zuletzt seiner lässigen Eleganz geschuldet ist. Früher, und das ist noch gar nicht so lange her, wurde ihm das oftmals negativ ausgelegt.

Dass Per Mertesacker und er nun reüssieren, ist so etwas wie die Wiederkehr der Verschmähten. Denn auch Jeróme Boateng musste viel über sich ergehen lassen, stand häufig in der Kritik. Und das auch beim FC Bayern und bisweilen nicht zu Unrecht. Er galt als einer, der zwar alle Anlagen hat, ein ganz hervorragender Verteidiger zu sein. Aber eben auch als einer, der immer für einen Fehler oder ein dummes Foul, einen Platzverweis oder einen Elfmeter gut ist. Zudem musste er, sehr zu seinem Missfallen, sowohl im Verein als auch in der Nationalelf immer mal wieder am linken oder rechten Ende der Viererkette aushelfen. Er selbst hat stets betont, dass er sich in der Mitte am wohlsten fühlt - was nun alle sehen können.

Wie er in Wembley in aller Ruhe seinen Gegenspielern den Ball abnahm, war großer Sport. Seine Entwicklung in den vergangenen 18 Monaten ist als durchaus erstaunlich zu bezeichnen. Er selbst hat das im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" jüngst so formuliert: "Ich habe mich entwickelt, Ich habe mich fußballerisch verbessert, im Passspiel, im Stellungsspiel." Das Entscheidende aber sei: "Ich mache mir nicht mehr so viel Druck." Scheint ein gutes Rezept zu sein. Auch für nächstes Jahr in Brasilien.

Quelle: ntv.de

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