Fußball

Flick gelingt Erstaunliches Plötzlich sind auch zähe DFB-Siege "geil"

kimmich.JPG

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft setzt ihre Erfolgsserie unter Bundestrainer Flick fort. Gegen Rumänien ist das Spiel aber längst nicht so mitreißend und dominant, dafür findet das Team Gefallen an den Grundtugenden des Fußballs. Das wird honoriert.

Was wäre wohl passiert, wenn der Bundestrainer nach diesem Fußballspiel noch immer Joachim Löw geheißen hätte? Tja, ziemlich spannende Frage. Vermutlich wäre das deutsche Stimmungsbarometer um ein paar weitere Punkte abgesackt. So ein eher mühsamer, aber völlig verdienter 2:1 (0:1)-Erfolg gegen Rumänien in der WM-Qualifikation, der taugt schließlich nicht zur Euphorie. Und ohnehin war es ja so, dass Euphorie und Löw schon längst nicht (mehr) zusammengehen wollten. Das waren über die so langen und leidenden Jahre magnetische Pole geworden, die sich abstießen. Löw ist aber jetzt weg, dafür Hansi Flick im Amt. Und die Euphorie verspürt wieder große Lust sich der Nationalmannschaft anzubieten.

Nun war am Freitagabend in Hamburg aber niemand so richtig bereit, die Euphorie in die Arme zu nehmen. Wohl aber waren die Spieler des DFB-Teams richtig glücklich. Nicht nur über die nächsten drei Punkte auf dem Weg zur Weltmeisterschaft in Katar im kommenden Jahr, sondern auch mit der Leistung. Das habe sich schon "ganz geil" angefühlt, befand Joshua Kimmich. Der durfte dieses Mal ein bisschen vorfühlen, wie es sich als Kapitän anfühlt. Diese Rolle wird ihm ja für die Post-Manuel-Neuer-Zeit vorhergesagt. Der Stamm-Bindenträger musste dieses Mal passen. Seine Adduktoren hatten im Training aufgemuckt. Für ihn spielte Marc-André ter Stegen. Für ihn führte Kimmich.

Tja, aber was genau hatte sich "ganz geil" angefühlt? Denn von den kleinen magischen Momenten aus den ersten Spielen der neuen Ära war man ja doch reichlich weit weg. Nun, es waren die eher schnöden Tugenden, für die sich die DFB-Stars begeistern konnten: Intensität, Leidenschaft, Glaube und Risiko. Manchmal muss es eben so gehen. Kämpfen kann auch sehr schön sein und Begeisterung wecken. Diese Erkenntnis ist die wohl bemerkenswerteste Wende des Löw-Erbes. Wobei es natürlich auch einen gravierenden Unterschied gibt: Unter Löw sah das Engagement auf dem Feld zuletzt eher träge und schwerfällig aus, unter Flick dagegen leichtfüßig und nach Spaß. Das steckt natürlich an.

Flick hadert mit der Premiere

Dieser Spaß speist sich aus der Gier. Der Gier nach Siegen und danach, alles besser machen zu wollen, als in den vergangenen Jahren. Nicht nur der DFB-Direktor will schnellstmöglich zurück in den engsten Kreis der Weltelite, auch die Spieler und der Trainer sowieso scheinen gewillt, diesen Weg auf der linken Spur der Fußball-Autobahn zu beschleunigen. Deswegen werden auch Spiele wie gegen Rumänien nicht als Rückschritt akzeptiert, sondern als willkommene Entwicklung interpretiert. Und dafür gibt es ja auch gute Argumente. Sich in Kampfgeist, Moral und der Bereitschaft sich zu wehren zu üben, sind natürlich sehr willkommen. Gerade mit Blick auf anstehende Großaufgaben. Entsprechend zufrieden war Flick. Der haderte zwar mit seinem ersten Gegentor als Bundestrainer, fand aber Gefallen daran, wie "die Mannschaft gefightet, nie aufgesteckt und mit Selbstvertrauen gespielt hat".

So hart die Mannschaft arbeitete, so viel Druck sie aufbaute und so sehr sie dafür belohnt worden war, so offenbar wurden wieder die Probleme, die es noch gibt. Und da tut sich eines besonders hervor: die Suche nach einer optimalen Besetzung im Sturmzentrum. Einen herausragenden Mann wie Robert Lewandowski, wie Erling Haaland, wie Karim Benzema oder Romelu Lukaku gibt es nicht. Alles, was derzeit von Flick versucht wird, ist die beste Form eines Kompromisses. Und der heißt nicht Timo Werner. Wieder einmal stand der schnelle Angreifer in der Startformation und wieder einmal fand er sein Glück nicht. In seiner Verzweiflung ließ er sich sogar früh zu einer unnötigen Aktion hinreißen und versuchte, einen Elfmeter zu provozieren. Der wurde ihm nach Ansicht der Videobilder verweigert. Und das war eine gute Entscheidung. Solche Szenen sollten nicht belohnt werden.

Aber nicht nur wegen dieser Aktion war der Abend des Londoners ziemlich frustrierend. Der Stürmer wirkt in das Spiel einfach nicht integriert. Je nach Interpretation verzweifelt er an den Zuspielen seiner Kollegen und bringt seine Kollegen mit seinen Laufwegen zur Verzweiflung. Trainer Flick stellt sich noch vor den 25-Jährigen, macht aber auch klar, dass es so nicht weitergehen sollte. "Er ist durchaus in der Lage, da wo es eng ist, immer wieder die Räume zu öffnen, und er ist einer, der Abpraller reinmachen kann. Dafür hat er ein Näschen." Allerdings habe er "nicht immer genau die Positionierung gehabt, die er braucht". Zu häufig habe Werner auf einer Linie mit den Außenspielern Serge Gnabry und Leroy Sané agiert und "zu nah am Tor statt reinzustarten, das kann er besser machen und das erwarten wir auch von ihm. Da müssen wir die Abläufe nochmal trainieren."

Bisschen zu viel Risiko?

Was ebenfalls noch einer Nachbereitung bedarf: die Restfeldverteidigung. Wieder so ein modernes Wort, was gerne wieder verschwinden darf. Was gemeint ist: die Absicherung gegen Konter. Denn in ihrem leidenschaftlichen Bestreben, den Rückstand durch Ianis Hagi (8.), bei dem Antonio Rüdiger und Thilo Kehrer gar nicht gut aussahen, zu drehen, ließ das DFB-Team bisweilen gewaltige Lücken. Rumänien kam zu Chancen, spielte diese aber selten klug und gefährlich aus. Gegen eine Mannschaft aus dem Kreis der Top-Nationen kann so etwas ganz böse enden. Das fand auch Kimmich, er fand aber auch, dass die Mannschaft bewusst dieses Risiko eingegangen sei, um die Überlegenheit schnell in den Ausgleich zu überführen. Der kam erst nach der Pause, durch Serge Gnabry (52.) und wurde spät durch den eingewechselten Thomas Müller gekrönt.

Der Mann, der überraschend nur Joker war, hatte richtig gute Laune: "Wenn du mit 0:1 in die Pause gehst, ist das kein befriedigendes Gefühl, aber wir hatten schon das Gefühl, dass wir mehr verdient gehabt hätten. Umso schöner war es, dass wir uns mit dem 2:1 belohnt haben. Man muss auch ein Kompliment an die Fans machen: Obwohl wir mit 0:1 zurücklagen, wurde die Leistung honoriert, und als dann das 2:1 fiel, war es schon eine kleine Explosion. Man hat die Verbindung gespürt, wir haben das auf dem Spielfeld sehr genossen." Ob das auch so gewesen wäre, wenn der Bundestrainer nach diesem Fußballspiel noch immer Joachim Löw geheißen hätte? Tja, tatsächlich eine ziemlich spannende Frage.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen