Furiose Gala in kurioser Debatte RB Leipzig schüttelt den Kopf über Haaland
15.03.2023, 06:45 Uhr
Freude über den Fünferpack: Erling Haaland.
(Foto: IMAGO/Sportimage)
Erling Haaland überrollt RB Leipzig in der Champions League urgewaltig mit fünf Toren und fügt dem Red-Bull-Klub die höchste Niederlage der Klubgeschichte zu. Dass er vor der Partie in der Kritik stand, ist angesichts seiner nun 39 Tore in 36 Spielen paradox.
Der Bass des Eurodance-Songs "No limit" wummerte durch das Stadion von Manchester City. Der Song passte ganz gut, denn alle Augen waren gebannt auf Erling Haaland gerichtet. Der Held des Abends hatte sich den Spielball von den Referees erbeten und unter den Arm geklemmt und trabte sichtlich zufrieden über den Rasen. Haaland hat beim 7:0 (3:0)-Triumph gegen RB Leipzig im Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League einmal mehr gezeigt, dass er kein Limit kennt. Von der 22. bis zur 57. Minute schoss der 22-Jährige bei nur 30 Ballkontakten unfassbare fünf Tore. Das war bislang nur Lionel Messi mit dem FC Barcelona gegen Leverkusen und Luiz Adriano mit Schachtjor Donezk in der Königsklasse gelungen.
Dass er die Marke gegen heillos überforderte Leipziger nicht noch übertraf, hatte wohl nur damit zu tun, dass Trainer Pep Guardiola ihn nach einer guten Stunde vom Feld holte, um ihn zu schonen. "Ich habe Pep gesagt, als ich vom Platz ging, dass ich gern einen doppelten Hattrick erzielen würde", sagte Haaland lächelnd am TV-Mikro. "Aber was soll ich machen?" Guardiola konterte schlagfertig: "Ich habe ihm die Chance gegeben, in der Zukunft noch Ziele zu haben." Fast ungläubig applaudierten die City-Supporter und erhoben sich von ihren Sitzen, als Haaland nach dem perfekten Spiel vom Feld ging.
"Er hat die zweiten Bälle aufgesaugt"
Haaland traf vom Elfmeterpunkt, wenn auch nach unberechtigtem Handelfmeter, per Kopf und mit dem Fuß. "Er war irgendwie immer da, wo der Ball runtergefallen ist", wunderte sich Leipzigs Innenverteidiger Willi Orban. "Man muss ihm gratulieren, dass er das Gesetz der Anziehung auf seiner Seite hatte." Ein "besonderer Kerl" sei Haaland. "Er hat die zweiten Bälle aufgesaugt und reingeschossen. Das macht er herausragend." Verblüffend war, mit welcher Urgewalt und Geschwindigkeit Haaland nachsetzte, Abpraller im zweiten Anlauf einnetzte und Josko Gvardiol & Co. anders als im Hinspiel keine Chance ließ. "Er hatte einen großen Abend, er war unglaublich torhungrig. Es sah alles ganz einfach aus", kommentierte RB-Trainer Marco Rose.
Der Superstar nahm das Bohei um seine Person nach dem Spiel selbst eher skandinavisch wortkarg zur Kenntnis. "Das war fantastisch, 7:0 zu Hause, fünf Tore zu schießen, ich bin wirklich stolz und glücklich", sagte er verlegen. "Nach fünf Toren muss ich eigentlich gar nicht viel sagen." Der blonde Hüne aus Molde ist kein großer Redner, lässt lieber seine Tore sprechen.
Rose wundert sich über Haaland-Debatte
Angesichts der Torquote und der Leistungen des Jahrhundert-Spielers – kein City-Spieler vor ihm hat so viele Tore in einer Saison geschossen – ist es völlig paradox, dass auf der Insel dennoch diskutiert wird, ob er zum Spiel von Manchester City passe und umgekehrt. Leipzigs Trainer Marco Rose hatte die Debatte vor dem Spiel erstaunt zur Kenntnis genommen. "Ich weiß nicht, worüber wir reden. Für mich sind sie mit ihm viel schwerer zu spielen", erklärte Rose. "Du weißt nicht, spielen sie tief oder kurz? Sie haben mehr Möglichkeiten, sie können Erling als Wandspieler nutzen oder ihn in tiefe Räume schicken. Sie sind jetzt noch kompletter. Wenn er noch ein Jahr länger hier ist und genauer weiß, was Pep will, wird es noch besser." Als der britische Reporter noch einmal nachbohrte, ergänzte der RB-Trainer lachend: "Wenn ihr ihn nicht wollt, schickt ihn zu mir! Nur für die letzten zehn Spiele, dann bekommt ihr ihn zurück. Ich liebe ihn, als Typ und Spieler."
Einen wie Haaland, der beim Red-Bull-Schwesterklub in Salzburg seinen Durchbruch schaffte, könnte Leipzig nach der höchsten Niederlage der 14-jährigen Klubgeschichte freilich gut gebrauchen. Die Gäste hatten sich vorgenommen, trotz Verletzungsproblemen mit Traute in Manchester aufzutreten. Doch davon war nichts zu sehen. Rose hatte im Mittelfeld ein Pressing-Bollwerk aufbauen wollen und mit Kevin Kampl, Amadou Haidara und Konrad Laimer drei bissige, zentrale Spieler aufgeboten. Doch der Plan ging zu keinem Zeitpunkt auf. Man City nutzte die großen Lücken in der Leipziger Hintermannschaft eiskalt aus.
"Am Ende haben wir unser Gesicht verloren"
Über die rechte Seite hatten Kevin De Bruyne und Bernardo Silva viel zu viel Platz, David Raum und Kampl waren überfordert mit der Aufgabe. Und auf der anderen Flanke wirbelte Jack Grealish, gegen den Benjamin Henrichs keinen Stich sah. Zudem waren die Leipziger in Standardsituationen nicht körperlich und aggressiv genug ab und ließen Haaland gewähren. "Wir waren chancenlos, am Ende haben wir unser Gesicht verloren", bekannte der neue Sportchef Max Eberl nach dem Debakel. "Das soll nicht sein, dafür sind die Jungs viel zu gut. Wir sind hart bestraft worden, das muss uns eine Lehre sein." Mit der Häme nach der epochalen Pleite müsse RB nun leben. "Aber ich mag Kerle, die wieder aufstehen", betonte Eberl. Am besten am Samstag gegen den VfL Bochum.
Für RB endete diese Europapokalsaison wie 2021 im Achtelfinale. Man City hingegen untermauerte weiter seine Ambitionen, die Königsklasse endlich einmal zu gewinnen. "Wir haben ein Statement gesetzt, dass wir zu Hause Dinge wie heute Abend leisten können", sagte Erling Haaland. "Da kommt hoffentlich noch mehr." Keine Limits eben.
Quelle: ntv.de