Fußball

BVB auf dem Weg zur Normalität Schmelzer: "Da kommt alles raus"

90 Minuten lang gilt die Konzentration des Kapitäns Marcel Schmelzer dem Spiel  - doch danach brechen die Wunden wieder auf.

90 Minuten lang gilt die Konzentration des Kapitäns Marcel Schmelzer dem Spiel - doch danach brechen die Wunden wieder auf.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Borussia Dortmund gewinnt mit 3:1 gegen Eintracht Frankfurt. Dennoch ist der BVB am Bundesliga-Spieltag eins nach dem Anschlag noch weit von der Normalität entfernt. Das bestätigt auch Kapitän Marcel Schmelzer.

Marcel Schmelzer wirkte mitgenommen. Klar, das ist normal, wenn ein Spieler gerade 90 Minuten lang die Linie rauf und runter gerannt ist und sich dabei völlig verausgabt hat. Aber bei Dortmunds Kapitän kam noch eine andere Komponente dazu als die körperliche Erschöpfung. Die letzten Tage sind auch mental an die Substanz gegangen, das war dem Magdeburger, der sich vor zwölf Jahren auf den Weg gemacht hat, in Dortmund Karriere als Fußballprofi zu machen, deutlich anzumerken. Der Außenverteidiger gab nach dem 3:1 (2:1)-Sieg vor 81.360 Besuchern im ausverkauften Dortmunder Stadion gegen Eintracht Frankfurt Einblicke in sein Seelenleben, und das, was er sagte, offenbarte, dass es derzeit für alle Profis des BVB schwer bis unmöglich ist, dem Job so unbeschwert nachzugehen, wie es für dieses Genre eigentlich selbstverständlich sein sollte.

So sieht Spielersolidarität beim BVB aus.

So sieht Spielersolidarität beim BVB aus.

(Foto: imago/Thomas Bielefeld)

Schmelzer und seine Kollegen haben immer noch die Bilder des Sprengstoffattentats vor Augen, das sich am Dienstag ereignete. Aber auch das, was sich am Ostersamstag ereignete, als das Spiel beendet war. Nach dem Abpfiff liefen die Spieler wie stets zur Gelben Wand der Südtribüne, dieses Mal hatten sie jedoch ein Trikot von Marc Bartra dabei, der bei der Detonation der drei Sprengkörper am rechten Arm verletzt worden war und am Tag des Spiels aus dem Knappschaftskrankenhaus in Dortmund entlassen wurde. Marco Reus legte das Leibchen mit der Nummer fünf vor der Reihe der Spieler auf den Rasen, die gemeinsame Feier mit den Fans fiel besinnlicher aus als gewohnt. "Während der 90 Minuten ist es leichter, wenn man das so nennen kann", sagte Schmelzer: "Aber vor den Fans kommen die Gänsehaut-Momente. Da kommt alles raus, was du während des Spiels unterdrückt hast. Dann ist es vorbei mit der Ablenkung."

Außergewöhnliche Charakterleistung der Mannschaft

Immerhin durfte man die Begegnung gegen das Team aus der hessischen Stadt als einen wichtigen Schritt betrachten, die traumatischen Ereignisse hinter sich zu lassen. Nico Kovac, Trainer von Eintracht Frankfurt sprach von einem "Fußballspiel, in dem in Anbetracht der Ereignisse vom Dienstag viel Normalität im Spiel war."

Besinnlicher als sonst: Fans feiern ihre Mannschaft nach dem Sieg.

Besinnlicher als sonst: Fans feiern ihre Mannschaft nach dem Sieg.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Das ist eine gute Nachricht, Borussia Dortmund hat nach dem Attentat auf seine Mannschaft einen Schritt geschafft, um den Alltag eines Fußballvereins zurückzugewinnen. Durch den wichtigen Sieg bleibt der Revierklub im Rennen um die direkte Qualifikation für die Champions League. Hernach sprach Trainer Thomas Tuchel von der "guten Ausstrahlung" und der "hohen Intensität" bei seiner Mannschaft. Alles in allem zeuge dieser Auftritt angesichts der dramatischen Vorgeschichte von einer "ganz außergewöhnlichen Charakterleistung meiner Mannschaft. Das ist nicht hoch genug zu bewerten."

Verschiedene Auffassungen über Monaco-Spiel

In Dortmund wird weiterhin viel gesprochen über Dinge, die nicht direkt mit Fußball zu tun haben. Die Worte von Tuchel hallen nach, der die Uefa mit deutlichen Worten kritisiert hatte, weil sie das Spiel gegen Monaco über die Köpfe der beteiligten Hinweg bereits am Mittwoch – dem Folgetag des Attentats – neu angesetzt hatte. Doch in der Frage der Sinnhaftigkeit eines Spiels keine 24 Stunden nach einem Terroranschlag gehen die Meinungen auch innerhalb des betroffenen Vereins signifikant auseinander. Im Vergleich zu Tuchel vertritt Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke eine gegensätzliche Auffassung. Es sei richtig - ja geradezu sinnstiftend - trotz der traumatischen Vorkommnisse anzutreten. Wie schon gegen Monaco spiele die Mannschaft von Borussia Dortmund auch gegen Eintracht Frankfurt "nicht nur für uns. Wir spielen für alle". Es gehe darum, der Welt zu zeigen, "dass wir vor dem Terror nicht einknicken".

Fußballspiele als gesellschaftsrelevantes Ereignis, um die Demokratie zu verteidigen, das kann man durchaus so sehen. In diesem Punkt hat Watzke sogar Rückendeckung von höchster Stelle, wie Kanzlerin Angela Merkel dem 47-Jährigen in einem Telefonat versicherte. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hatte am Mittwoch als Gast im Dortmunder Stadion diese Klaviatur bedient: "Wir lassen uns die Faszination des Fußballs nicht kaputt machen von Kriminellen."

Große Last für die Spieler

So weit so gut, nur hat die Protagonisten niemand um ihr Einverständnis gebeten, ob sie diese Vorbildfunktion überhaupt übernehmen wollen. Neben der Aufgabe, dem Trauma explodierender Sprengsätze Herr zu werden, bekam die Mannschaft von ihrem Boss noch eine zweite Mission. Ganz schön viel an Bürde für Athleten, die sich teilweise noch in einem Alter befinden, in denen sich andere Teenager auf ihr Abitur vorbereiten.

Junge Männer, deren originäre Stärke darin besteht, dem Ball mit größtmöglicher Hingabe und Leichtigkeit hinterherzujagen, sollen plötzlich einen höheren Auftrag erfüllen. Und das auch noch im Drei-Tage-Rhythmus, denn der Spielplan in den Wochen um Ostern ist gnadenlos.

Tuchel berichtete über die Bemühungen, "den Weg zurück in die Normalität zu finden, den Spaß zu finden, eine Sinnhaftigkeit im Fußball zu finden". Bis auf weiteres wird sich der Trainer im Spagat üben müssen, damit zurechtzukommen, einerseits Opfer eines Terrorakts zu sein, und andererseits weiter seinem Job nachzugehen, Fußballprofis zu Bestleistungen zu animieren.

Vielleicht hilft bei dieser Übung ja der Umstand, dass Marco Reus in die Stammformation des BVB zurückgekehrt ist. Gegen Frankfurt wirbelte der Nationalspieler eine Halbzeit über den Rasen und entwickelte dabei so viel Spielfreude, dass die therapeutische Wirkung kaum zu übersehen war. Schon nach zwei Minuten streichelte er den Ball mit der Hacke mit solcher Kunstfertigkeit zur Dortmunder Führung über die Linie, dass es Tuchel ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

Schmelzer sprach davon, "wie gut es ist, dass Marco wieder da ist. Es macht riesig Spaß, mit ihm zu spielen". Es sind solche Erlebnisse, die der Mannschaft helfen, ihren Weg positiv fortzusetzen. Entscheidend, das machte der Kapitän deutlich, wäre jedoch etwas anderes: "Wir hoffen, dass der Anschlag auf uns bald aufgeklärt wird. Das würde uns beim Reinigungsprozess entscheidend helfen."

Quelle: ntv.de

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