Remis in Chelsea als Fortschritt Siegesserie reißt, Klopps Liverpool feiert
30.09.2018, 12:04 Uhr
Alle auf die 15: Seine Kollegen feiern Daniel Sturridge, dem Zweiten von rechts.
(Foto: REUTERS)
Lange sieht es an der Stamford Bridge nach der ersten Niederlage in der englischen Premier League aus. Doch dann erweist sich Daniel Sturridge als romantischer Retter, trifft gegen Chelsea, und Trainer Jürgen Klopp schwärmt.
Dafür, dass gerade eine Siegesserie ihr Ende gefunden hatte, war die Laune prächtig. Auf den Rängen der Stamford Bridge in London ließen die Fans des FC Liverpool ihre Lieder erklingen, und auf dem Rasen umarmte Trainer Jürgen Klopp jeden, der ihm in die Quere kam. Als er später vor der Presse saß, sprach er voller Stolz über die Leistung seiner Mannschaft. "Chelsea ist ein super Team. Es ist es ziemlich schwer, hier zu bestehen. Aber wir haben das auf beeindruckende Weise geschafft", sagte er. Keine Frage, für die Gäste aus dem Nordwesten der Insel fühlte sich das 1:1 im Spitzenspiel der Premier League an wie ein Sieg, auch wenn Klopps Fußballmannschaft beim siebten Auftritt der Saison zum ersten Mal Punkte abgab und Manchester City nach dem 2:0 gegen Brighton an Hove Albion nun die Tabelle anführt.

"Wir haben das auf beeindruckende Weise geschafft": Jürgen Klopp, hier mit Torhüter Alisson.
(Foto: imago/Xinhua)
Der Grund für das positive Fazit war der Umstand, dass das Team tatsächlich ein sehr ordentliches Spiel gemacht hatte beim ebenfalls immer noch unbesiegten FC Chelsea. Klopps Elf hatte mehr Ballbesitz, mehr Schüsse aufs Tor und mehr Chancen. Vor allem hatte der Frohsinn allerdings mit der Dramaturgie der finalen Minuten zu tun. Liverpool lag zurück durch den Treffer von Eden Hazard aus der ersten Halbzeit, die Mannschaft steuerte auf die erste Niederlage der Saison zu. Am Spielfeldrand gestikulierte Klopp wild und zeigte diesen wilden Blick, der signalisiert, dass ihm gerade die Situation zu entgleiten droht.
Doch dann kam Daniel Sturridge. Der Angreifer wurde in der 86. Minute eingewechselt und führte mit seinem wohl ersten Ballkontakt drei Minuten später den Ausgleich herbei. Sein Treffer aus 20 Metern in den oberen Torwinkel war ein Traumtor, das Liverpool in dem Glauben daran bestärkte, am Beginn einer außergewöhnlichen Saison zu stehen. "Die Jungs haben mit einem großen Herzen gespielt und sich zurückgekämpft", sagte Klopp. Das war ihm wichtiger als drei Punkte. Tatsächlich lässt sich das Remis von der Stamford Bridge - trotz einiger Anfälligkeiten in der Abwehr - als Fortschritt des FC Liverpool deuten.
Sturridge als romantischer Retter
In der vergangenen Saison hat es sich die Mannschaft oft schwer gemacht, weil ihr gegen Ende die Kraft, die Aufmerksamkeit oder beides ausging. Es bestand stets das Risiko, dass sie eine gute Ausgangslage durch ihre wankelmütigen Charakter noch verspielt. Gegen Chelsea tat sie das Gegenteil, sie wendete eine (fast) sichere Niederlage noch ab. Und es hatte romantische Züge, dass Sturridge der Retter war. Eigentlich schien seine Karriere in Liverpool vorbei. Er war immer wieder verletzt, seine Ausleihe zu West Bromwich Albion in der vergangenen Saison ein Desaster. Er spielte kaum, die Mannschaft stieg ab. Vor dieser Spielzeit wollte er Liverpool angeblich dauerhaft verlassen. Doch nach einer starken Vorbereitung ist er wieder eine wertvolle Option im Angriff. Er traf beim 3:2-Erfolg in der Champions League gegen Paris Saint-Germain und erzielte gegen Chelsea sein zweites Ligator in dieser Spielzeit.
Sturridge ist auch deshalb so wichtig, weil es für Liverpools eigentlichen Torjäger noch nicht läuft wie geplant. Mohamed Salah, in der abgelaufenen Saison mit 44 Treffern in allen Wettbewerben, vergab gegen Chelsea drei gute Gelegenheiten und wurde schon nach etwas mehr als einer Stunde ausgewechselt. Das wäre vor einiger Zeit undenkbar gewesen. Klopp will Salahs Schwierigkeiten allerdings nicht dramatisieren und wählte einen hübschen Vergleich. Mit dem Toreschießen sei es wie mit dem Fahrradfahren, sagte er: "Es ist nicht so, dass du morgens aufwachst und es plötzlich nicht mehr kannst. Aber manchmal muss man für die Momente arbeiten, in denen es funktioniert. In so einer Phase ist er gerade."
Die kommende Woche bietet für Salah Gelegenheit, gegen hochwertige Gegner seinen Durchhänger zu überwinden. Am Mittwoch geht es in der Champions League zum SSC Neapel, für Sonntag ist in der Premier League das nächste Spitzenspiel terminiert. Meister und Tabellenführer Manchester City ist zu Gast an der Anfield Road. Dann kann Klopps Mannschaft zeigen, wie ernst es ihr in dieser Saison wirklich mit den Ambitionen auf die Meisterschaft ist.
Möglicherweise gibt es allerdings noch einen dritten Anwärter auf den Titel. Denn auch der FC Chelsea kann zufrieden sein. Die Mannschaft ist ebenfalls noch ungeschlagen, hat die Spielidee ihres neuen Trainer Maurizio Sarri schneller als erwartet verinnerlicht und verfügt im Moment über den besten Spieler der Liga - nämlich Hazard. Er schoss gegen Liverpool nach einem zielgenauen langen Ball von Mateo Kovacic schon sein sechstes Tor im siebten Spiel der Saison. Beinahe wäre es das Siegtor gewesen. Doch dann kam Sturridge.
Quelle: ntv.de