Fußball

Paderborns nächster Glamour-Coup So hatte sich Max Kruse das nicht vorgestellt

Geht in die 2. Liga: Max Kruse.

Geht in die 2. Liga: Max Kruse.

(Foto: Swen Pförtner/dpa)

Der unrühmliche Abgang beim VfL Wolfsburg sollte die Karriere von Max Kruse nicht beenden. Der 35-Jährige wollte selbst entscheiden, wann er aufhört. Und das am liebsten als Erstliga-Spieler. Das kann noch passieren, aber vorerst geht der Weg nach Ostwestfalen.

Ohne ein Wortspiel zur Lieblingsbeschäftigung von Max Kruse kommt man nach seinem Wechsel zum SC Paderborn 07 nicht aus. Der kleine Klub aus Ostwestfalen pokert hoch, indem er den seit sieben Monaten vereinslosen Fußballer unter Vertrag nimmt. Man darf davon ausgehen, dass sich zumindest das finanzielle Wagnis in Grenzen hält. Kruse ist 35 Jahre alt und schon ziemlich lange Zeit weg vom Profigeschäft. Die großen Gehälter, die ihm einst gezahlt worden sein sollen, wird es beim Zweitligisten nicht geben. Aber der Verein wirft sein ruhiges Dasein in den Pot. Denn mit Kruse ist da plötzlich nicht nur ein genialer Fußballer, sondern auch ein Exzentriker, der Vereine mächtig stressen kann.

Erstmal ist die Euphorie groß. Kruse ist für den Klub und die 2. Liga ein gigantisches Aufmerksamkeitsgeschenk. Er scheut den Weg ins Unterhaus nicht, obwohl er andere Ziele hatte. Normalerweise würde sich der Fokus der nationalen Medien auf den FC Schalke 04 und Hertha BSC richten, die abgestiegenen Giganten. Oder auf den Hamburger SV, der wieder einmal unbedingt aufsteigen will. Oder auf Neuling SV Elversberg 07.

Paderborn hätte sich irgendwo im Schatten der ambitionierten oder der um Halt suchenden Riesen und spannenden Zwerge eingeordnet. Doch mit Kruse katapultieren sich die Ostwestfalen direkt an die Spitze der Aufmerksamkeit. Mittelmaß oder Schattendasein funktioniert mit dem schillernden Star nicht. Wie kompliziert die Symbiose zwischen Provinz (Pardon!) und Glamour sein kann, hat der Sportclub schon einmal erlebt, als Stefan Effenberg als Trainer anheuerte, krachend scheiterte und viele Worte hinterhergeworfen bekam. Präsident Wilfried Finke sagte damals in einer Abrechnung auf allen Ebenen unter anderem: "Die mediale Begleitung war so intensiv, dass sie für mich unerträglich war. Zumal ich sie nicht unberechtigt nennen möchte. Es war alles negativ: Penis-Affäre, Führerscheinentzug, fehlender Trainerschein. Ich habe das Fass überlaufen spüren. Ich konnte es nicht mehr ertragen, dass der SC Paderborn mit diesen Missständen bundesweit in den Medien erscheint. Ich habe mich dann entschieden, die Zusammenarbeit zu beenden."

Kruse hadert mit Kovac

Auch mit Kruse ist das schillernde Scheitern-Szenario nicht ausgeschlossen. Vor zehn Monaten hat der 35-Jährige das letzte Mal Profifußball gespielt, bei der 2:4-Heimniederlage des VfL Wolfsburg stand er die vollen 90 Minuten auf dem Platz. Danach endete seine Zeit abrupt. Trainer Niko Kovac verbannte den extrovertierten Starspieler aus dem Profikader. "Wir verlangen von jedem Spieler eine hundertprozentige Identifikation und Konzentration mit Fokus auf den VfL - das Gefühl hatten wir bei Max nicht", sagte Kovac damals. Kruse konterte später entschieden: "Es war das erste Mal in den 15 Jahren meiner Profikarriere, dass das über mich gesagt wurde. Ich habe überall immer mein Maximales gegeben. Klar, es lief nicht so gut unter Niko Kovac, für die ganze Mannschaft in der Anfangszeit nicht. Und da war es wohl am einfachsten, mich als den Sündenbock hinzustellen."

Seinen völlig überraschenden Wechsel von Union Berlin zum VfL im Januar 2022 bezeichnete er im Nachhinein als Fehler. "Ich bin letztes Jahr 33 gewesen. Ich konnte dieses Angebot nicht ablehnen", sagte Kruse. "Ein Jahr später ist es einfach zu sagen: Der Wechsel war scheiße. Natürlich ist das für mich nicht positiv ausgegangen." Seine Laufbahn war zuvor durchaus erfolgreich mit eben 14 A-Länderspielen und der Olympia-Teilnahme in Tokio. 370 Erst- und Zweitligaspiele für Wolfsburg, Union, Borussia Mönchengladbach, Werder Bremen, den SC Freiburg und den FC St. Pauli stehen in seiner Statistik. 117 Treffer erzielte er dabei.

Social-Media-Aktivitäten als Problem?

Seiner Karriere hat das Ende in Wolfsburg Schaden hinzugefügt. Nach seiner Vertragsauflösung Ende November fand sich im Winter kein Verein, der den 14-fachen Nationalspieler unter Vertrag nehmen wollte. Kruse sagt, es gebe Vereine, die seine Aktivitäten auf Social-Media-Kanälen nicht schätzen, sie hätten signalisiert, dass sie auch deswegen von seiner Verpflichtung abgesehen hätten. Er wolle sich von nun an, so bekannte er damals, mehr auf den Fußball fokussieren. "Solche Sachen wie YouTube machen mir Spaß, sind aber auch nicht lebenswichtig für mich. Ich könnte auch sagen, das stoppen wir."

Kruse wollte sich damit abfinden und hielt sich im Gespräch. "Für mich steht fest, ich will Fußball spielen im Sommer. Wo auch immer das ist. Jeder weiß, der mich kennt, ich muss mich auch wohlfühlen", sagte er dem Sender Sky im März. "Im Sommer ist eine ganze Vorbereitung. Ich glaube, da kann ich noch einmal zeigen, dass ich dann eventuell dazu in der Lage bin." Auch ein Ende seiner Laufbahn schloss er nicht aus. "Wenn es im Sommer nichts wird, dann muss man sich auch ehrlich hinterfragen und sagen, das wär's dann vielleicht", meinte er. "Aber bis zum Sommer werde ich noch einmal 100 Prozent Gas geben." Die grundlegende Fitness könne man sich erarbeiten. "Und das werde ich bis zum Sommer tun. Ich glaube, das Fußballerische habe ich nicht verlernt."

Eigentlich sollte es in Liga eins gehen

Und davon besitzt Kruse eine unbestrittene Extraklasse. Seine Genialität am Ball ist das eine Extrem dieses Typen, der bei seinen Trainern immer wieder aneckte. So fand auch Ex-Bundestrainer Joachim Löw nie einen nachhaltigen Zugang zu diesem begabten Offensivspieler. Er kann eine, fast jede, Mannschaft besser machen, wenn das Umfeld die Extravaganzen des Spielers akzeptiert. Auf dem Platz, im Training, abseits des Rasens. Denn das andere Extrem ist seine Liebe zum Leben, die womöglich eine deutlich größere Karriere auf dem Fußballfeld verhindert hat. Die Geschichten von legendären Pokernächten, von vergessenen Tausenden Euros im Taxi, von einer sehr ausgeprägten Vorliebe zu süßem Brotaufstrich, sie sind längst erschöpfend erzählt.

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Nun soll aber wieder Zeit für Fußball und sportliche Schlagzeilen sein. "Endlich ist es wieder soweit, ich darf wieder gegen den Ball treten. Ich habe richtig Bock auf Fußball, bin erfolgshungrig und will mit dem SC Paderborn 07 oben angreifen!", sagte Kruse, der die Rückennummer 10 bekommt, bei seiner Vorstellung, die er gleich mit großen Ambitionen flankierte: "Mit den Bundesligaabsteigern ist eine enorme Qualität in der Liga dazugekommen. Ich bin optimistisch, dass wir auch dieses Jahr wieder attraktiven Fußball spielen werden. Ich freue mich auf die Fans und hoffe, dass mich alle gut aufnehmen werden in der Mannschaft." In Paderborn soll er nicht das Offensivspiel beleben, das durch wichtige Abgänge neues Leben braucht, sondern sich auch um die Abgezocktheit kümmern. Ein Manko in der vergangenen Saison. Kruse kann das alles, wenn Paderborn den Typ Kruse annimmt und der Spieler nach der langen Pause körperlich noch einmal auf Profifußball-Niveau kommt.

Kein Wort mehr davon, dass Kruse eigentlich andere Pläne verfolgt hatte. Mitte Mai sagte er der "Zeit" zu seinen Comeback-Plänen: "Die Präferenz liegt auf Deutschland. Die erste Liga wäre ein Highlight, dahin will ich zurück." Das muss in der kommenden Saison über den Umweg Unterhaus gelingen. Eine Herausforderung für Kruse und den Klub. Die Aufmerksamkeit ist ihnen garantiert. Der Erfolg nicht.

Quelle: ntv.de

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