Fußball

Deutscher endgültig angekommen Ter Stegen spielt sich ins Barça-Herz

Lass dich umarmen! Trainer Luis Enrique und ter Stegen.

Lass dich umarmen! Trainer Luis Enrique und ter Stegen.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Neymar überstrahlt bei der Aufholjagd seines FC Barcelona gegen Paris St.-Germain alle anderen – aber auch der deutsche Torwart ter Stegen liefert eine Klasse-Leistung ab, die viel mehr für ihn bedeuten dürfte als ein gewonnenes Spiel.

Der 8. März 2017 könnte für Marc-André ter Stegen ein entscheidender Moment in seiner Karriere gewesen sein. Dank des sensationellen 6:1-Sieges seines FC Barcelona gegen Paris St.-Germain zieht der deutsche Torwart mit seinem Team ins Viertelfinale der Fußball-Champions-League ein und spielt sich dabei auch in die Herzen der Fans – in diesem Spiel für die Vereinsannalen reihte er sich in die Phalanx der Superstars wie Neymar und Suárez ein und stellte sogar Messi in den Schatten. Laut einer Statistik soll er gar mehr erfolgreiche Pässe gespielt haben als jeder PSG-Spieler.

Für ter Stegen dürfte nun endgültig eine Zeit der Zweifel und der Unsicherheit zu Ende gehen. Mit der magischen Nacht vom Mittwochabend zeigte er allen Kritikern, zu welch großen Leistungen er in der Lage ist, wenn es drauf ankommt. Die Tore schossen naturgemäß andere, doch einen wichtigen Anteil hatte auch der deutsche Torhüter.

Die spanischen Journalisten haben dies wahrgenommen: "Im Karussell der entscheidenden Spielsituationen muss man auch zwei dem blau-violetten Torhüter ter Stegen zugute halten", heißt es in der "Marca", der größten Sportzeitung des Landes. Im Artikel geht es um eine Glanzparade in der 64. Minute und um seinen Ballgewinn in der gegnerischen Hälfte kurz vor Schluss, der zu einer Schlüsselszene des Spiels wurde.

Cavani stürmt auf ter Stegen zu

Bei seiner ersten Glanztat zeigte dieser das Paradox, das Fußballfans von Top-Torhütern erwarten: Er hielt einen unhaltbaren Ball. Der Pariser Edinson Cavani stürmte auf ihn zu, während sich Barcelona noch in einer Art Schockstarre befand. Denn nur zwei Minuten zuvor hatte ebenjener Cavani die Hoffnungen der Barça-Fans mit einer brachialen Direktabnahme zum 1:3 beinahe in sich zusammenfallen lassen. Und nun wetzte der Uruguayer wieder auf das Tor der Katalanen zu. "Der Held, der Retter war ter Stegen", heißt es im "Marca"-Bericht. Denn er wehrte den Ball "mit seinem vorausahnenden Fuß ab".

Noch wichtiger war seine zweite Glanztat kurz vor Schluss. Barcelona hatte innerhalb von sechs Minuten zwei Tore erzielt und brauchte noch ein weiteres, um ins Viertelfinale einzuziehen. Die Franzosen mussten das Ergebnis halten. Ein Treffer, egal auf welcher Seite, hätte das Spiel entschieden. Die Chance auf ein Tor bot sich Ángel di María unverhofft. Es gelang dem quirligen Argentinier, dem Katalanen Busquets den Ball abzuluchsen – vor ihm nur noch die völlig verwaiste Barcelona-Hälfte.

Er hätte nur noch rennen und dann in aller Ruhe den Ball ins leere Tor schießen müssen. Denn Ter Stegen war für eine Standardsituation mit nach vorne gegangen. Doch er rauschte bereits heran, als Di María den Ball erobert hatte. Locker lief er dem gegnerischen Stürmer den Ball ab und hob dann ab – der Pariser Marco Verratti hatte gegrätscht und den Torwart getroffen. Der Schiedsrichter pfiff und gab Barcelona einen Freistoß. Den Freistoß, in dessen Folge nach einigem hin und her Sergi Roberto den Ball ins Tor spitzelte.

"Wichtigste Foul seiner Karriere"

Kurz darauf war Schluss, der Jubel in der Hauptstadt Kataloniens grenzenlos. "All das wäre nicht ohne ter Stegen möglich gewesen, dem Torwart, der in der gegnerischen Hälfte einen Ball eroberte und das wichtigste Foul seiner Karriere einsteckte", hieß es in der "Marca". Auch ter Stegen war baff. "Mir fehlen die Worte", sagte der 24-Jährige einem Reporter in fließendem Spanisch. "Keiner hätte gedacht, dass wir es schaffen, aber wir haben es gepackt."

Das wichtigste Foul seiner Karriere? Verratti trifft ter Stegen.

Das wichtigste Foul seiner Karriere? Verratti trifft ter Stegen.

(Foto: imago/AFLOSPORT)

Für ter Stegen ist das auch ein ganz persönliches Happy End. Seit er 2014 aus Mönchengladbach nach Barcelona kam, hatte er Probleme, sich durchzusetzen – in seiner ersten Saison verletzte er sich in der Saisonvorbereitung, dann wurde ihm der neu verpflichtete chilenischen Nationaltorwart Claudio Bravo vor die Nase gesetzt.  Der nahm fortan in der Liga den Platz zwischen den Pfosten ein, er selbst spielte nur im Europapokal. Im zweiten Jahr kam er nur zu sieben Liga-Einsätzen und spielte ansonsten wieder nur im nationalen Pokal und in der Königsklasse. Spanien drohte für ter Stegen zur Karriere-Sackgasse zu werden – so wie für Timo Hildebrand, der 2008 als deutscher Meister zum FC Valencia kam und sich nie durchsetzen konnte. Keine guten Aussichten für einen Mann, der heißer Kandidat für die Nachfolge des 30 Jahre alten Nationaltorwarts Manuel Neuer ist.

Diese Saison kam dann das Ende der Leidenszeit. Im Sommer wechselte Bravo zu Manchester City, der Weg war damit frei für ter Stegen. Die Vereinsführung machte ihm allerdings gleich wieder Druck. Sie verpflichtete den niederländischen Nationaltorwart Jasper Cillessen von Ajax Amsterdam als zweiten Mann. Nach einer Oberschenkelverletzung zum Saisonbeginn wurde ter Stegen Stammtorwart in Liga und Europapokal. In der Copa del Rey, dem spanischen Pokal, spielt sein niederländischer Vertreter. Es lief so gut für den zweiten deutschen Nationaltorhüter, dass ihm im Januar das Sportportal "El Mundo Deportivo" einen Artikel widmete. Die Entscheidung des Klubs ihm einen Stammplatz zu geben, habe sich bewährt, heißt es darin. Zumal Bravo in Manchester kein guter Start in der Premier League gelang und in den bis dahin erfolgten 22 Spielen deutlich mehr Tore kassiert hatte, ihm weniger Paraden gelungen waren und er auch weniger erfolgreiche Pässe gespielt hatte. In England wurde Bravo offen in Frage gestellt, die Medien kritisierten insbesondere die Strafraumbeherrschung von Guardiolas Wunsch-Torwart.

Doch trotz Lobeshymnen gab es aber auch wieder schwächere Momente – etwa Ende Januar beim ersten Spiel der Rückrunde. Bei Betis Sevilla segelte ter Stegen an einem Ball vorbei, der schließlich im Tor landete. Sein Team kostete das den Sieg. In der Liga läuft es dennoch gut. Real Madrid hat zwar noch ein Spiel weniger absolviert, doch gelang es den Katalanen am vergangenen Wochenende, mit knappem Vorsprung die Tabellenspitze der Primera División zu übernehmen. So deutet spätestens nach dem glorreichen Auftritt in der Champions League alles darauf hin, dass ter Stegen nun endgültig beim FC Barcelona angekommen ist.

Quelle: ntv.de

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