Dauerthema Verletzungsanfälligkeit Topklubs klagen über zu hohe Belastung
07.11.2016, 20:53 Uhr
Bilder, die man leider häufig sieht.
(Foto: imago/Ulmer/Teamfoto)
Dynamisch, intensiv, kräftezehrend: Wer im Profifußball Fuß fassen will, muss topfit sein. Doch die hohe Belastung fordert ihren Tribut - und lässt die Liste der verletzungsbedingten Ausfälle mitunter absurd lang werden. Vor ein paar Jahren sah das noch anders aus.
Borussia Dortmund ächzt, Bayern München stöhnt und auch bei Schalke 04 wächst die Liste der Ausfälle. Schon nach rund einem Drittel der Saison klagen besonders die Top-Teams der Fußball-Bundesliga einmal mehr über immer wiederkehrende Verletzungssorgen. Die Probleme sind aus Sicht der Klubs seit vielen Jahren dieselben: Immer mehr Spiele, eine höhere Intensität und dabei weniger Zeit zur Regeneration.
Dabei ist die Anzahl der Pflichtspiele zumindest in den letzten 15 Jahren eigentlich nicht mehr gestiegen. Die Nationalspieler der Bayern etwa konnten 2001/02 und 2007/08, durch den Halbfinal-Einzug in einem europäischen Klubwettbewerb und WM- beziehungsweise EM-Turnier, theoretisch in 74 Pflichtspielen zum Einsatz kommen. In der Saison 2015/16 betrug das Maximum trotz der aufgeblähten Europameisterschaft in Frankreich nur 67 Partien.
Über einen längeren Zeitraum betrachtet haben allerdings doch besonders die Nationalmannschafts-Einsätze zugenommen. Seit den 70er Jahren beispielsweise gab es eine Steigerung bei den Länderspielen von fast 30 Prozent. Während Franz Beckenbauer in seiner aktiven Zeit pro Jahr 8,5 Einsätze im Nationaltrikot hatte, sind es bei Dauerbrenner Thomas Müller im Kalenderjahr 2016 schon vor den Spielen gegen San Marino am Freitag (20.45 Uhr/RTL) und Italien (15. November) deren 13.
"Uefa-Verletzungsstudie für Eliteklubs"
Was sich zudem geändert hat, ist die Intensität der Belastung. Bei der WM 1954 zum Beispiel lag die durchschnittliche Laufleistung der Spieler noch unter vier Kilometern. Beckenbauer und Co liefen in den 70er Jahren immerhin etwa sechs Kilometer. Heute legen die Akteure im Schnitt jedoch bis zu elf Kilometer pro Spiel zurück. Der laufintensive Tempo- und Umschaltfußball moderner Prägung tat in der jüngeren Vergangenheit sein Übriges.
Seit 2001 sammelt die "Uefa-Verletzungsstudie für Eliteklubs" Daten zu medizinischen Details. Der eindeutige Trend: Waren es anfangs noch am häufigsten Knöchelblessuren, die die Profis außer Gefecht gesetzt haben, sind es heute überwiegend muskuläre Verletzungen. Allein die Anzahl der Verletzungen im hinteren Oberschenkel - die Jürgen Klopp sogar dazu veranlassten, "hamstring" beim FC Liverpool zum Unwort des Jahres zu küren - ist seit Beginn der Datenerhebung um mehr als vier Prozent gestiegen.
Vielversprechendster Lösungsansatz für die Problematik ist eine individuelle Trainings- und Belastungssteuerung. Die Uefa-Studie gibt dabei durchaus Anlass zum Optimismus. Denn in allen relevanten Kategorien gehen die Verletzungsraten herunter. Hatten die teilnehmenden europäischen Top-Klubs beispielsweise in der Saison 2001/02 noch im Schnitt 30 Verletzungen in Pflichtspielen zu beklagen, sind es heute nur noch rund 20 pro Jahr.
Greift die Professionalisierung im Trainingsbereich?
Wenn man Philip Catala-Lehnen, dem ehemaligen Mannschaftsarzt des Hamburger SV, glaubt, ist dies zumindest in Deutschland noch nicht der Fall: "Es ist auch in der Bundesliga alles viel amateurhafter als man denkt", sagte er: "Muskelverletzungen sind meist die Folge von Überbelastung. Und die Ursachen der Überbelastung sind meist schlechte Prävention oder zu viel Training."
Ein positives Gegenbeispiel ist für Catala-Lehnen Bayer Leverkusen. Dort werde im Bereich der Trainingsdiagnostik und Belastungssteuerung seit vielen Jahren "sensationell gearbeitet". Der Lohn: Trotz Dreifachbelastung hielten sich die Muskelverletzungen, obwohl für mehr als ein Drittel aller Ausfälle in der Bundesliga verantwortlich, bei Bayer in der Vorsaison in Grenzen.
Nach der Auflistung des Statistik-Portals fussballverletzungen.com fehlten den Leverkusenern zusammengenommen 276 Tage Spieler wegen muskulären Problemen. Das ist ein solider zehnter Platz in der Tabelle der Ausfalltage wegen Muskelverletzungen. Einsamer Spitzenreiter in dieser Kategorie ist Bayern München mit 688 Tagen.
Quelle: ntv.de, Pirmin Closse, Benjamin Tonn, sid