Pokal-Drama schockt FC Bayern Tuchel und Müller beben vor Enttäuschung
05.04.2023, 05:57 Uhr
Thomas Tuchel war nicht sauer, aber "mega enttäuscht" wegen des Pokal-Scheiterns.
(Foto: IMAGO/Ulmer/Teamfoto)
Der FC Bayern ist nach dem Aus im Pokal gegen den SC Freiburg geschockt. So hatte sich Thomas Tuchel sein zweites Spiel beim neuen Klub nicht vorgestellt. Kapitän Thomas Müller findet klare Worte. Und die nächste schwere Aufgabe wartet schon auf den Rekordmeister.
Christian Streich ging nach dem Drama zu Jamal Musiala, doch der deutsche Nationalspieler wich dem Trainer des SC Freiburg mit einem Schlenker demonstrativ aus. Streich missfiel das. Vermutlich hatte er das Talent trösten wollen. Aber Musiala hatte auch gute Argumente dafür, nicht reden, sich nicht trösten lassen zu wollen. Dem 20-Jährigen war in der Nachspielzeit der Ball im Strafraum an die Hand, sogar an beide Hände gesprungen. Schiedsrichter Harm Osmers gab Elfmeter (93.). Lucas Höler hämmerte das Spielgerät unter die Latte. Ekstase beim Sport-Club, Frust beim Rekord-Pokalsieger. Der Triple-Traum des FC Bayern platzte in Art und Zeitpunkt spektakulär. Mit 1:2 (1:1) scheiterten die Münchner in der eigenen Arena im Viertelfinale des DFB-Pokals.
Für Trainer Thomas Tuchel, der die Mannschaft von Julian Nagelsmann übernommen hatte, um das Erreichen der Saisonziele abzusichern, ist die Niederlage drei Tage nach dem Sieg im Bundesliga-Topspiel gegen Borussia Dortmund (4:2) der erste Rückschlag. Einer, der noch eine ganze Weile schmerzhaft nachwirken wird. Über den Samstag hinaus, wenn sich beide Mannschaften im Brot-und-Butter-Geschäft wiedersehen. Auch Minuten nach dem Abpfiff, den die Gäste aus dem Breisgau mit dem legendären Island-"Huh-huh" zelebrierten, suchten die Bayern nach Antworten. Sie verstanden nicht, warum sie dieses Spiel verloren hatten. Es brodelte in ihnen.
"Warum soll ich sauer sein?"
"Ich bin mega enttäuscht, aber warum soll ich sauer sein?", sagte Tuchel der ARD. Dabei redete er so schnell, dass sich seine Worte teilweise überschlugen. Der Druck auf ihn und seine Mannschaft wird nun nicht geringer. In der Meisterschaft ist der Titelkampf weiter knapp und in der Champions League wartet im Viertelfinale mit Manchester City eine der größten Herausforderungen im europäischen Fußball. "Wir haben mit zwei Fernschüssen zwei Tore bekommen, ansonsten kann ich mich an keine Chancen erinnern. Am Ende sind wir selber Schuld, das wissen wir auch. Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen", so Tuchel.
Und dann ging er zügig dazu über, Gründe zu benennen. "Das sollte wohl irgendwie so sein, ich weiß aber nicht, ob es verdient war. Das spielt aber keine Rolle", sagte Tuchel bei Sky. Die "allerletzte Gier, der allerletzte Hunger" habe gefehlt. Kapitän Thomas Müller fühlte gar eine "Leere" nach dem Knockout. Zum dritten Mal in Folge geht der Topfavorit früher aus dem Wettbewerb, als es die eigenen Ambitionen vorsehen. Dieses Mal immerhin nicht so blamiert wie gegen Zweitligist Holstein Kiel (6:5 im Elfmeterschießen in der zweiten Runde) und Borussia Mönchengladbach (0:5 ebenfalls in der zweiten Runde).
Kimmich vermisst Leidenschaft
"Man steht jetzt da mit diesem Scherbenhaufen und weiß, es ist wieder vorbei im DFB-Pokal. Das kratzt natürlich am Ehrgefühl", gestand Müller. Auch bei Joshua Kimmich war angefressen: "Wir scheiden aus, obwohl es meiner Ansicht nach nicht möglich war, auszuscheiden. Freiburg hatte eigentlich gar nichts. Einen Fernschuss und einen Elfmeter." Aber er gestand auch: "Man hat das Gefühl, dass es ein Tick zu wenig ist. Zu wenig Leidenschaft."
Der teilweise furiose Sieg gegen den BVB vom vergangenen Samstag sei, so Müller, eigentlich "emotional ein richtiges Hurra" gewesen. Doch "jetzt sind wir emotional auf dem Boden der Tatsachen oder noch ein Stück weiter unten angekommen", sagte Müller. "Es ist ganz bitter, weil wir nichts gutmachen können", sagte Tuchel. "Ein K.-o.-Spiel zu verlieren, ist nicht gut, das wird uns noch eine Weile beschäftigen." Was den Trainer auch beschäftigen wird: Warum gelingt es seiner Mannschaft nicht, die angestrebte Dominanz hochzuhalten? Warum passieren so viele Fehler? Warum mangelt es im Offensivspiel immer wieder an Präzision? Auf herausragende Phasen, auch an diesem Abend, folgen zu viele Momente, in denen sich die Bayern ihren Vorteil selbst wieder zerschlagen. So wie nach dem durchaus streitbaren 1:0 durch Dayot Upamecano. Der Innenverteidiger hatte sich mit dem Maximum an Körpereinsatz Platz in der Luft verschafft und getroffen. Am Ende egal.
"Bayern kontrolliert, Freiburg verteidigt leidenschaftlich"
Nur acht Minuten nach dieser Szene glichen die Freiburger aus. Nicolas Höfler knallte den Ball aus der Distanz ins Bayern-Tor. Yann Sommer war machtlos. Anders als Kingsley Coman zuvor. Der Franzose hatte nur unzureichend geklärt, direkt vor die Füße des Freiburgers. Einer dieser Fehler, der symptomatisch war für die Nachlässigkeiten der Münchner. Schon gegen den BVB gab es solche Momente. Diese wurden aber vom frühen und wilden Rausch verschluckt. "Bayern kontrolliert das Spiel, Freiburg verteidigt leidenschaftlich", urteilte Bundestrainer Hansi Flick bei Sky in der Halbzeit. Nach dem Wiederanpfiff erhöhten die Bayern den Druck auf das Freiburger Tor, die Breisgauer schafften es seltener, für Entlastung zu sorgen. Doch den Bayern fehlten die Tore. "Die letzte Situation ist sehr bitter", befand Müller, "weil man nichts reparieren kann."
Und so kam es zum Drama für Musiala und den FC Bayern. "Jamal ist kein Verteidiger. Ich hatte auch mal ein Handspiel, davon habe ich gelernt. Ich glaube, dass auch Jamal davon lernen wird", sagte Innenverteidiger Matthijs de Ligt. Deutlicher wurde Tuchel: "Heutzutage darfst du so nicht mehr reinspringen im Sechzehner. Das darfst du einfach nicht machen. Du nimmst ein wahnsinniges Risiko." Aber der Coach sah den Nationalspieler nur am Ende einer Fehlerkette, wie er bei Sky betonte: "Wir verlieren vorher zwei Kopfbälle im Sechzehner, in der letzten Minute. Du musst da den Körper reinstellen, stabiler sein, tougher sein. Argh."
Und so kam es zur dicken Überraschung für Freiburg. Die wurde mit einer ganz besonderen Premiere garniert. Der Sport-Club gewann nämlich zum ersten Mal überhaupt ein Pflichtspiel in München. "Es ist ein schöner Abend, toll, aber wir brauchen es nicht überbewerten", sagte Coach Streich. Vor einem Jahr hatte Freiburg sogar das Endspiel erreicht, dieses aber gegen RB Leipzig verloren. Müller kündigte derweil an, "ab Donnerstag werden wir wieder zusammen ackern". Tuchel wollte seinen Spielern nach den Strapazen der vergangenen Wochen mit vielen Reisen, unter anderem mit den Nationalmannschaften, einen Tag zum Durchschnaufen geben. Zunächst stehe aber, so Müller, erst einmal "die Ernüchterung und brutale Enttäuschung".
Quelle: ntv.de