Parallelen zum Fall Biles US-Frauenliga nach Missbrauchsskandal gestoppt
01.10.2021, 22:25 Uhr
Der Skandal um Paul Riley (M) brachte das Fass zum Überlaufen.
(Foto: imago images/ZUMA Wire)
Ein Missbrauchsskandal erschüttert die US-Frauenfußball-Profiliga. Die Spielerinnen fordern drastische Konsequenzen, die Liga setzt den Spielbetrieb für mindestens einen Spieltag aus. "Unsere ganze Liga muss jetzt erstmal heilen", sagt deren Chefin Lisa Baird.
Wegen eines Missbrauchsskandals um frühere Trainer unterbricht die US-Frauenfußball-Profiliga NWSL ihren Spielbetrieb. An diesem Wochenende werde es keine Spiele geben, teilte Ligachefin Lisa Baird mit. "Diese Woche und ein Großteil dieser Saison war unglaublich traumatisch für unsere Spielerinnen und Angestellte", sagte Baird. Sie übernehme die Verantwortung. "Der Schmerz, den so viele fühlen, tut mir leid", sagte sie.
Hintergrund der Entscheidung sind Vorwürfe gegen den Trainer von North Carolina Courage. Coach Paul Riley war nach einem Bericht des Portals "The Athletic" über mutmaßlichen sexuellen Missbrauch von zwei Spielerinnen entlassen worden. Zuvor hatten schon zwei weitere Trainer ihre Ämter wegen Fehlverhaltens verloren. Die Vereinigung der Spielerinnen (NWSLPA) kritisierte sogar "systemischen Missbrauch" in der Liga.
"Unsere ganze Liga muss jetzt erstmal heilen, unsere Spielerinnen verdienen viel Besseres", sagte Ligachefin Baird. Die Entscheidung zur Absage des Spieltags sei gemeinsam mit den Fußballerinnen gefallen. Ziel sei es, die Kultur der Liga zu verändern. "Das ist schon lange überfällig", sagte Baird. Unklar blieb zunächst, ob der Spieltag komplett gestrichen oder später nachgeholt wird.
Toxische Kultur im US-Sport
Die schockierenden Details von sexueller Nötigung, Machtmissbrauch und allgegenwärtiger Erniedrigung machten auch Megan Rapinoe rasend vor Wut. "Brennt alles nieder. Lasst all ihre Köpfe rollen", forderte die berühmteste Fußballerin der Welt bei Twitter.
Der weitreichende Skandal bringt ein Fass zum Überlaufen. Rapinoe und ihre Kolleginnen laufen Sturm gegen eine toxische Kultur, in der körperliche wie verbale Übergriffe von Männern auf Frauen nicht aufgeklärt, sondern unter den Teppich gekehrt werden.
So kam es auch, dass Paul Riley bis zu seiner Entlassung am Donnerstag als Trainer beim zweimaligen Meister North Carolina Courage arbeiten durfte. Schon 2015, nachdem Riley bei den Portland Thorns auch Ex-Nationaltorhüterin Nadine Angerer trainiert hatte, war intern der Vorwurf von Fehlverhalten gegenüber einer Spielerin bearbeitet worden.
Riley aber durfte unbeschadet weiterziehen. Erst jetzt entzog ihm der US-Verband die Lizenz und zeigte sich "zutiefst beunruhigt". Parallelen zum lange vertuschten Missbrauchsskandal im US-Turnen drängen sich auf.
Mindestens drei Fälle
Der Auslöser? Ein Bericht des Portals "The Athletic" zeichnet anhand von Schilderungen zweier Ex-Spielerinnen detailliert das Bild eines übergriffigen, manipulativen Machtmenschen. Sinead Farrelly erklärte, der Engländer habe sie zwischen 2010 und 2015 mehrfach zum Sex genötigt: "Ich fühlte mich unter seiner Kontrolle."
Riley wies die Vorwürfe zurück, trotzdem entließ ihn sein Verein wegen der "schwerwiegenden Anschuldigungen". Da aber Farrelly bei NWSL-Chefin Lisa Baird schon im April dieses Jahres erfolglos eine ernsthafte Untersuchung gegen Riley angeregt hatte, steht eine gesamte Liga am Pranger, die die beste der Welt sein möchte.
Riley ist bereits der dritte NWSL-Coach, der dieses Jahr wegen Fehlverhaltens entlassen wurde. Ein vierter Fall ereignete sich bei OL Reign, seit Sommer der Klub von Nationalspielerin Dzsenifer Marozsan, wo Farid Benstiti zurücktrat. Nie erklärten die Vereine öffentlich die Hintergründe und nahmen so in Kauf, dass womöglich neue Spielerinnen bei anderen Vereinen in Gefahr geraten.
Forderung nach drastischen Konsequenzen
Die Spielerinnenvereinigung NWSLPA fordert ein Ende des "systemischen Missbrauchs" von Fußballerinnen, die abseits des Nationalteams geschwächt sind durch prekäre Verträge, teils weniger als 30.000 Dollar im Jahr verdienen und sich um die NWSL-Zukunft sorgen. Wer Missstände öffentlich macht, so bisher die Angst, verliert seinen Job, wird bei nächster Gelegenheit getradet oder schadet der 2012 gegründeten Liga, die nach zwei gescheiterten Anläufen dringend überleben muss.
Umso wichtiger, dass unantastbare Idole wie Star-Stürmerin Alex Morgan und Ex-Weltfußballerin Rapinoe jetzt ihre Stimme erheben und drastische Konsequenzen für einen Kulturwandel zum Schutz der Fußballerinnen fordern. Wer Riley ungeschoren weiterziehen ließ, urteilte Rapinoe, sei ebenfalls ein "Monster, und ihr könnt alle sofort eure Kündigung einreichen".
Quelle: ntv.de, sue/dpa/sid