Fußball

Neuzugang entfesselt Man United Über Bruno Fernandes lacht niemand mehr

Bruno Fernandes hat die Krise von Manchester United quasi im Alleingang beendet.

Bruno Fernandes hat die Krise von Manchester United quasi im Alleingang beendet.

(Foto: imago images/Sportimage)

Bei Manchester United droht im Winter der fußballerische Super-GAU: die Mannschaft schlecht, der Trainer heftig in der Kritik - doch dann kommt Bruno Fernandes. Auf bemerkenswerte Weise transformiert sich das Team zu einem Champions-League-Kandidaten.

Auch gegen den FC Chelsea suchten sie immer wieder Bruno Fernandes. Diesmal allerdings vergebens: Im Wembley-Stadion unterlag Manchester United gegen die Blues mit 1:3. Die Niederlage im Halbfinale des FA Cups bedeutete das Ende einer beeindruckenden Serie von 19 ungeschlagenen Spielen. Diese war mit der Ankunft eben jenes Bruno Fernandes gestartet. Auf dringende Empfehlung von Ex-United-Star Cristiano Ronaldo hatten die "Red Devils" den 25-Jährigen im Winter von Sporting Lissabon verpflichtet. Und wahren seither mit dem 55-Millionen-Euro-Transfer die Chance auf einen Platz in den Top Vier der Premier League. Sollte am Abend West Ham United besiegt werden (19 Uhr), kommt es am Sonntag gegen Leicester City zum ultimativen Königsklassen-Showdown (17 Uhr) am letzten Spieltag.

Und damit ist Fernandes womöglich der Hauptgrund, weshalb Ole Gunnar Solskjaer noch Trainer der "Red Devils" ist. Der Norweger, der Manchester 1999 im Endspieldrama als einer von zwei Torschützen gegen den FC Bayern zum Königsklassen-Titel geführt hatte, hatte den Posten Ende März des vergangenen Jahres von José Mourinho übernommen. Und seither eine höchst turbulente Zeit erlebt. Solskjaer legte mit einem Lauf für die Geschichtsbücher los: sechs Siege in sechs Spielen - seit 70 Jahren schaffte das kein Coach mehr. Danach wurde es zäh: Die vergangene Spielzeit 2018/19 endete mit Platz sechs, mit einem Platz für die Europa League. Nach der Sommerpause aber kollabierte United historisch und startete so schlecht wie seit 31 Jahren nicht.

Der neue Taktgeber

Spätestens mit der 0:2-Niederlage gegen Abstiegskandidat FC Burnley im Januar 2020 stand Solskjaer vor dem Aus. Die englische Presse sprach in bekannter Härte von der "schlechtesten Mannschaft aller Zeiten" von Manchester United. Doch dann kam Fernandes, dann kamen die Siege. Dabei wurden die "Red Devils" von der englischen Konkurrenz wegen der exorbitanten Ablösesumme für den Portugiesen und seiner überschaubaren Vita noch müde belächelt. Weder hatte er mit Sporting die Meisterschaft in Portugal gewonnen, noch konnte er sich bei seinen ersten Stationen in der Serie A - Udinese Calcio und Sampdoria Genua - wirklich als Unterschiedsspieler auszeichnen.

Von Ende Januar bis Mitte Juli ging kein Spiel mehr verloren. Und Solskjaer war nicht mehr das Hauptthema. Fernandes, so urteilte sein Trainer, war der "Funke", der United gefehlt habe. Der Funke scheint auch auf seine Mitspieler überzuspringen. Der extrovertierte Paul Pogba blüht an der Seite von Fernandes auf, lässt sich sogar Kommandos geben. Während Harry Maguire, der teuerste Abwehrspieler der Welt, lange mit dem neuen Klub fremdelte, legte der Portugiese sofort los. Auf und neben dem Platz: Er begrüßte am ersten Tag den gesamten Stab per Handschlag und forderte nach dem Medizincheck noch eine individuelle Einheit.

Kritik gerne auch mal per Whatsapp

So fordernd er mit sich selbst ist, so fordernd ist er auch gegenüber dem Rest des Teams. Diese Cristiano-Ronaldo-artige, perfektionistische, aber bisweilen auch hitzige Art birgt für seine Mitspieler auch Schattenseiten. So soll er bei Sporting seinen Kollegen per Whatsapp-Nachricht unverblümt gesagt haben, wie viel (oder wenig) er von ihnen hält. Während seines ersten Manchester-Derbys legt er sich direkt mal mit City- und Starcoach Josep Guardiola an. Bei United nahm er sich schon beim allerersten Training Außenverteidiger Aaron Wan-Bissaka und Mittelfeldspieler Fred zur Seite, gab ihnen Tipps und erklärt ihnen seine Idee von Fußball. Ein echter "Leader", wie Solskjaer ihn nennt.

Das gewaltige Selbstbewusstsein des Nationalspielers kommt nicht von ungefähr. In Lissabon entwickelte er sich zu einem der torgefährlichsten Mittelfeldspieler Europas. Bei Manchester setzt er diesen Lauf fort: Auf der Zehner-Position bereitet er fleißig vor, schießt Tore, wenn nötig auch selbst (neun Tore und acht Vorlagen in 18 Spielen).

Seine Kollegen macht er so stetig besser. Das 18 Jahre alte Top-Talent Mason Greenwood reifte auch dank der Unterstützung von Fernandes zum Stammspieler und komplettiert die Offensiv-Reihe mit Marcus Rashford und Anthony Martial. Zusammen haben sie nur ein Premier-League-Tor weniger erzielt als Liverpools Meister-Trio Mo Salah, Roberto Firmino und Sadio Mané (44 Treffer). Und überhaupt ist der Bruno-Effekt zählbar: Seit dessen Ankunft schießen die "Red Devils" pro Ligaspiel durchschnittlich ein Tor mehr - allerdings kommt dieses Mehr an Toren überwiegend gegen Teams aus dem Liga-Mittelfeld zustande.

Von Fernandes' Wert für die Mannschaft schwärmt auch Klublegende Gary Neville. Er habe lange nicht gesehen, dass "ein Spieler so einen Einfluss auf eine Mannschaft hat", sagte er bei Sky Sports. Neville vergleicht den 25-Jährigen sogar bereits mit Ronaldo und dessen Wichtigkeit damals für die "Red Devils". Das wirft aber auch die Frage auf: Was passiert eigentlich, wenn er mal ausfällt oder nicht in Form ist? Hat sich das Team mittlerweile so stabilisiert, dass es nicht wieder tief in die Krise rutscht? Wie kann Coach Solskjaer das kompensieren? Widerlegt er all jene, die ihm taktische Defizite vorwerfen? Aktuell braucht es auf diese Fragen keine Antworten. Die Mannschaft ist erfolgreich. Und Fernandes in Form.

Quelle: ntv.de

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