Fußball

Investorensuche bei der DFL Ist der Fußball gestorben, Herr Golz?

Fans von Hertha BSC protestieren gegen einen Investoren-Einstieg in die DFL. Ihr Verein hat die Lizenzspielerabteilung ausgegliedert. Die Mehrheit der Anteile besitzt ein Investor.

Fans von Hertha BSC protestieren gegen einen Investoren-Einstieg in die DFL. Ihr Verein hat die Lizenzspielerabteilung ausgegliedert. Die Mehrheit der Anteile besitzt ein Investor.

(Foto: picture alliance / Andreas Gora)

Viele Fans sind sauer: Die Profivereine machen den Weg frei für den Einstieg eines externen Investors bei der Deutschen Fußball Liga. "Geld ist im Fußball chronisch knapp", sagt Richard Golz. Er hat 453 Bundesliga-Spiele bestritten und berät heute das Management von Sportvereinen.

Die DFL-Mitgliedsvereine haben am Montag mit knapper Mehrheit einem Verkauf der Medienanteile an einen Investor zugestimmt. Fans sind seit Monaten gegen die Entscheidung Sturm gelaufen. Ist am Montag der Fußball gestorben?

Richard Golz: Nein, davon sind wir weit entfernt. Die Wahrheit liegt wie so häufig in der Mitte. Die Vereine haben einen wahnsinnigen Investitionsbedarf und Wettbewerbsdruck. Sie müssen also zwangsläufig über Einnahmetöpfe reden. Es gibt aber Punkte, auf die die Fans nachvollziehbar hinweisen.

Wo denn?

Ich denke zum Beispiel an Ticketpreise, die ja in Deutschland vergleichsweise human sind. Ein Investor hat natürlich ein Interesse, die Einnahmen der Klubs zu erhöhen. Und das wäre bei den Ticketeinnahmen angesichts der hohen Nachfrage möglich und würde wahrscheinlich die Stimmung im Stadion verändern. Das haben wir in England gesehen, wo die gute Stimmung in den Stadien nur noch ein Mythos ist. Von daher kann ich die Sorge der Fans verstehen, die Angst haben, dass der deutsche Fußball teurer und atmosphärisch zum Theaterstück wird.

Aber die Ticketpreise sind doch vom Verkauf der TV-Rechte gar nicht betroffen, oder doch?

Nein, aber alles hängt ja mit allem zusammen. Je größer und umsatzstärker ein Klub ist, desto bessere Spieler kann er kaufen. Das steigert die Attraktivität der Liga, was wiederum die Medieneinnahmen erhöht.

Viele Fangruppen haben bereits weitere Proteste angekündigt. Womit müssen die Vereine rechnen?

Das Übliche: Transparente, Pfiffe, Experten, die sich kritisch äußern. Aber dem müssen sich Vereine und DFL jetzt auch stellen. Es bringt nichts, defensiv mit dem Thema umzugehen. Deshalb halte ich auch nichts davon, dass die Abstimmung geheim abgehalten wurde. Wir sehen jetzt im Fall von Hannover 96, wie daraus ein Politikum werden kann.

Es heißt, dass Hannovers Präsident Martin Kind sich möglicherweise über die vereinseigene Position hinweggesetzt und dem Deal zugestimmt habe. Und mit einer Ja-Stimme weniger wäre der Deal nicht zustande gekommen.

Es wird sich wohl nicht klären lassen, belastet aber das ganze Thema inklusive 50+1. Ich finde, wir brauchen, nicht nur jetzt, so viel Transparenz wie möglich. Genau deshalb hätte die Abstimmung aber nicht geheim ausgerichtet werden dürfen.

Ist am Montag etwas nachhaltig zerrüttet worden zwischen Fans und Vereinen?

Das glaube ich nicht. Dafür ist es auch noch zu früh - der Deal ist ja noch nicht mal final ausgehandelt. Wie gesagt, dieser Prozess muss jetzt möglichst transparent sein, auch für die Fans.

Trotzdem stellt sich die Frage, wie schlecht es finanziell um die Vereine stehen muss, wenn sie sich auf diesen Streit einlassen.

Auch wenn man das nicht glauben mag, aber Geld ist im Fußball chronisch knapp. Es gibt immer wieder Vereine, die sich beispielsweise die TV-Erlöse vorstrecken lassen. Aktuell würde ich aber sagen, dass es den meisten Vereinen nach Corona wieder besser geht. Aus der puren Not heraus ist der Deal also nicht zustande gekommen.

Bei einer ersten Abstimmung im Mai kam die notwendige Mehrheit nicht zustande, jetzt aber schon. Was war dieses Mal anders?

Die Rahmenbedingungen waren damals ganz anders. Im Endeffekt gab es nach dem Abgang von Donata Hopfen im Mai keine Verhandlungspartner für potenzielle Investoren. Dann fühlten sich viele Vereine überrumpelt, weil keiner genau wusste, um wie viel Geld es geht. Keiner wusste, wie das Geld genau verteilt werden soll, wie viel Einfluss der Investor haben würde. Der gesamte erste Entwurf war nicht gut, sowohl inhaltlich als auch kommunikativ. Jetzt ist man vorsichtiger herangegangen, wenngleich man mehr mit den Fans hätte kommunizieren müssen. Aber ich will der neuen DFL-Führung nicht die Sensibilität absprechen. Ich finde, Marc Lenz und Steffen Merkel sind bislang um einen guten Prozess bemüht.

In ihrer Erklärung haben Lenz und Merkel ein gutes Dutzend Mal den Begriff der "roten Linien" für den potenziellen Investor genutzt, was auch bedeutet, dass es keinen Einfluss auf das Tagesgeschäft der DFL geben soll. Warum dringt diese Botschaft nicht zu den Fans durch?

Es gibt eine generelle Angst gegenüber Investoren und vor dem Ausverkauf des Fußballs. Und die ist wie gesagt nicht unbegründet. Noch unterscheiden wir uns aber stark von England, Spanien oder Frankreich. Die 50+1-Regel ist unser größtes Gut.

Manche sagen, 50+1 sei seit Montag tot. Viele Vereine handeln ja ganz offensichtlich gegen die Interessen der eigenen Fans.

Man muss schon unterscheiden zwischen Ultras und der Breite der Fans, die auch weiterhin gerne europäisch mithalten wollen. Aber ja, den Widerspruch kann ich nicht komplett auflösen.

Es stellt sich auch die Frage, warum der neue Deal - acht Prozent der Anteile an den Medienrechten für 1 Milliarde Euro - besser sein soll als die 3 Milliarden Euro für zwölf Prozent, die das Paket aus dem Mai vorsah. Auf den Prozentpunkt runtergerechnet ist der Deal doch deutlich schlechter.

Ja, diese Frage liegt natürlich auf der Hand. Ich kann mir das nur so erklären, dass die Vereine damit weniger Bedenken bezüglich der Ungleichheit haben. Zugespitzt könnte man nämlich sagen: Je größer das Paket, umso mehr könnte auch an die großen Vereine fließen. Der größte Gewinner ist aber sicher der potenzielle Investor.

Andersherum könnte man auch sagen, dass damit keine großen Sprünge möglich sind. Den Rückstand zur englischen Premier League wird man mit 1 Milliarde Euro wohl kaum aufholen - und das Interesse an Spielen zwischen Augsburg und Heidenheim wird international ohnehin begrenzt sein.

Ja, die verschiedenen Investitionstöpfe muss man genau und kritisch betrachten. Es gibt offensichtlich zahlreiche Vereine, für die die Internationalisierung nachrangig ist - auch wenn ich die grundsätzliche Strategie für sinnvoll erachte. Jetzt aber Geld auf regional verankerte Bundesligisten draufzugießen, bringt niemandem etwas. Deshalb ist es aus meiner Sicht positiv, dass das neue Paket kleiner und präziser ist.

Warum holt man sich denn überhaupt Private Equity an Bord? Man hätte sich die Milliarde doch auch bei der Bank leihen können.

Ja, Private Equity ist in Summe sicher die teuerste Finanzierungsvariante. Man wollte aber das Netzwerk und die sich daraus ergebenen Synergieeffekte, was auch nachvollziehbar ist.

Ein Investor will aber Einfluss, warnen viele Fans. Die DFL wischt die Kritik zur Seite. Werden die Fans von der DFL für dumm verkauft?

Nein. Man wird sich bei der DFL schon seine Gedanken gemacht haben. Für mich ist die Kommunikation das Problem: Nur von roten Linien zu sprechen, ist zu einfach. Man hätte deutlich argumentieren müssen, warum man sich ausgerechnet für diese Finanzierungsform entschieden hat. Das ist nicht ausreichend geschehen.

Haben Sie das in Ihrer Karriere mal erlebt, dass Einfluss genommen wurde, etwa von Sponsoren?

Nicht wirklich. TV Spielfilm wollte beim HSV mal von unserer Brust runter, weil wir ein paar Spiele hintereinander verloren haben und es ein bisschen Chaos gab. Das haben sie auch tatsächlich einige Zeit durchgezogen. Sonst wurde das aber immer von uns Spielern ferngehalten.

Aktuell sind noch zwei bis drei Investoren im Gespräch. Die größten Chancen werden CVC und EQT eingeräumt. Was muss der Investor aus Ihrer Sicht mitbringen?

Eine gewisse Affinität zum Fußball! Möglicherweise auch schon Investitionen in diesem Bereich. Er muss aber die Werte der deutschen Fankultur verstehen. Natürlich will ein Investor seine Interessen durchsetzen - und ja: Er wird auch rote Linien verschieben. Das haben wir in den 80er- und 90er-Jahren auch bei Sat.1 erlebt, als sich die Berichterstattung total verändert hat. Aber der Fußball hat immer seine Identität erhalten, und ich hoffe, das bleibt auch so. Das meine ich vor allem in puncto Wettbewerb.

Stichwort Wettbewerb: Werden die aktuellen Pläne dazu führen, dass die Bundesliga wieder spannender wird - das wohl größte Problem aktuell?

Nein, das ändert gar nichts. Die Schere wird wohl eher noch weiter auseinandergehen.

Könnte ein neues Spielsystem helfen? Ähnlich wie in den USA könnte es ein festes Kontingent von Traditionsteams mit der größten TV-Reichweite geben, die nicht absteigen, dazu eine zweite Gruppe sportlicher Qualifikanten, außerdem Umverteilung durch Zentralvermarktung. Das wäre zwar radikal - aber selbst in den kapitalistischen USA klappt das gut.

Dazu fehlt mir jegliche Fantasie. Wir sind in Europa, haben unsere eigene Fußball- und Wettkampfkultur. Wir sollten unsere eigenen Ideen haben, damit der sportliche Wettbewerb im Mittelpunkt bleibt.

Mit Richard Golz sprach Jannik Tillar

Das Interview erschien zuerst bei capital.de

Quelle: ntv.de

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