Fußball

Der deutsche Fußball taumelt Völler sieht riesige Probleme mit eigenen Augen

Rudi Völler war bei der U21 zu Gast und sah abermals die großen Probleme des deutschen Fußballs.

Rudi Völler war bei der U21 zu Gast und sah abermals die großen Probleme des deutschen Fußballs.

(Foto: dpa)

Die U21-Nationalmannschaft steht nach der bitteren Niederlage gegen Tschechien vor dem EM-Aus. Besucher Rudi Völler fühlt sich an altbekannte Probleme erinnert. Trainer Antonio di Salvo bemüht Floskeln der Hoffnung. Ein Nationalspieler gibt zu: "Ich bin ratlos".

Das dunkle Deja-vu am Schwarzen Meer beschäftigte Rudi Völler auch noch am Tag danach. "Es ist ein bisschen ein Spiegelbild zur A-Mannschaft", sagte der DFB-Sportdirektor während seines ernüchternden EM-Besuchs bei den deutschen U21-Fußballern in Georgien: "Da haben wir auch schon diese Fehler begangen." Die Junioren stehen nach zwei sehr schwachen Spielen vor dem Aus - die gewaltigen Probleme des deutschen Fußballs, das hatte Völler am Vorabend beim 1:2 gegen Tschechien mit eigenen Augen gesehen, beschränken sich nicht auf die arg wankenden Stars von Bundestrainer Hansi Flick. Zweikämpfe, Torgefahr, Konzentration, alles zieht sich durch.

Auch das Frauen-Team spielte zuletzt nicht groß auf und erzeugt einen Monat vor WM-Beginn noch keine Aufbruchsstimmung. "Die nackten Zahlen sind, wie sie sind. Da kann man schwer was dagegen argumentieren", gab auch Völler zu, der sich aber nochmals klar vor Flick und U21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo stellte. Der 44-Jährige war mit großen Erwartungen in sein erstes Turnier als Chefcoach gestartet. "Wir haben den Vertrag verlängert, weil er ein sehr guter Trainer ist. Das wird ihn nicht umwerfen, das passiert."

"Die letzten paar Prozent Konsequenz und Entschlossenheit fehlen, den Ball über die Linie zu schieben - und auch hinten", stellte Völler vor einem guten Dutzend Journalisten im Teamhotel in Batumi fest. Er sprach über die U21. Es war allerdings eine nur in Nuancen verschwommene Kopie seines Fazits der drei vergeigten A-Länderspiele in den vergangenen Wochen. Mit Bezug auf Flicks Team sagte: "Da muss im September eine Reaktion kommen, das weiß auch Hansi. Das Material ist immer noch gut genug, dass wir die Kurve kriegen: Mit einer guten Einstellung, mit einer guten Taktik, dass wir auch im nächsten Jahr eine gute Europameisterschaft spielen können."

"Trotzdem ist noch ein Tick Hoffnung da"

Wieder eine Parallele: Noch lässt sich auch bei der U21 die Resthoffnung beschwören, so klein sie sein mag. "Jetzt ist die Konstellation schwierig. Trotzdem ist noch ein Tick Hoffnung da", betonte Völler. "Wir müssen versuchen, die Engländer zu schlagen - und dann natürlich ein bisschen hoffen." Parallel zum Spiel am Mittwoch (18 Uhr/Sat.1 und im ntv.de-Liveticker) gegen die favorisierten Three Lions muss Israel die Tschechen mit genau passendem Ergebnis bezwingen. Wie es sich doch letztlich irgendwie durchwurschteln lässt, erfuhren Trainer Di Salvo und seine frustrierten Spieler am Montag im dichten georgischen Straßenverkehr. Laut hupend bahnte sich der Bus samt Polizei-Eskorte den Weg, das Training begann 20 Minuten verspätet - mit einem angeschlagenen Youssoufa Moukoko, der immerhin schon wieder grinsend aufs Tor schoss. Aber die Ernüchterung in der so hoffnungsvoll als Titelverteidiger zur EM angetretenen U21 ist dennoch riesig.

Dass es nach der tiefen Krise der A-Nationalmannschaft mit zuletzt drei vermurksten Turnieren nun auch im Nachwuchs hapert, hält Völler aber nicht für einen Zufall. "Ich will nicht sagen, dass es fehlende Qualität ist, aber es ist ein Manko", sagte er. "Es ist eine Mentalitätsfrage, und das müssen wir wieder hinbekommen." Hier seien nun alle im deutschen Fußball gefordert: Vereine, Verbände, DFL und DFB. Wie schon das peinliche Vorrunden-Aus der Nationalmannschaft bei der WM in Katar von der politisch aufgeladenen Debatte um die One-Love-Kapitänsbinde begleitet wurde, hatte auch die U21 bei dieser EM mit Themen abseits des Platzes zu kämpfen. Nach dem 1:1 gegen Israel machte Moukoko rassistische Beleidigungen gegen sich im Netz öffentlich.

Die Aufarbeitung beschäftigte den DFB im ohnehin engen Turnier-Kalender vor dem zweiten Spiel über mehrere Stunden. Völler lobte explizit den Umgang damit. "Die Verantwortlichen hier haben das wunderbar aufgearbeitet und toll darauf reagiert", sagte er. Mit Blick auf die Heim-EM und mögliche weitere politische Debatten sagte er: "Dass so etwas nicht mehr passiert, kann ich leider nicht versprechen."

"Jedes Spiel beginnt von vorne"

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So, wieder sportlich: Nur ein kleines Fußball-Wunder hilft, um sich aus fast aussichtsloser Lage ins Viertelfinale zu kämpfen. "Ich glaube fest daran, mit Überzeugung. Jedes Spiel beginnt von vorne, im Fußball ist alles möglich", sagte Di Salvo. Die Durchhalteparolen reihten sich nur so aneinander. Doch das Minimalziel Halbfinale und die damit verbundene Olympia-Qualifikation sind in weite Ferne gerückt. Die "einfache Formel" der Deutschland-Israel-Siege, die der einzige Torschütze Angelo Stiller (70.) beschwor, könnte immer noch zu wenig sein, auch die Tordifferenz spielt eine Rolle.

Dabei hat das deutsche Team selbst gegen die beiden nominell schwächsten Teams des Turniers nicht gewonnen. Eine Frage der Qualität? "Ich bin ratlos. An der Effizienz können wir wenig ändern. Es liegt dann am Spieler, ob er den Ball zu 100 Prozent über die Linie bringen will", sagte Stiller. Rudi Völler würde nicken. Der DFB-Direktor hatte vor seinem Mittags-Auftritt am Montagmorgen mit Flick telefoniert und ließ beste Grüße ausrichten. Der Bundestrainer wollte zum Viertelfinale nach Georgien kommen, doch eines mit deutscher Beteiligung wird es ja wahrscheinlich nicht geben. Das letzte Gruppenspiel zu besuchen, wäre wohl nicht klug: Bilder von Flick, auf denen er missmutig einer deutschen Mannschaft zuschaut, gab es zuletzt mehr als genug.

Quelle: ntv.de, tno/sid/dpa

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