Großes DFB-Mittelfeld-Rätsel Wagt Bundestrainer Nagelsmann die Kimmich-Revolution?
12.10.2023, 11:16 Uhr
Julian Nagelsmann gibt die Richtung vor. Aber wohin geht's?
(Foto: picture alliance/dpa)
Will Julian Nagelsmann erfolgreich sein, muss er das Mittelfeld-Rätsel im DFB-Team lösen. Daran ist schon sein Vorgänger gescheitert. Wer spielt mit wem? Bleibt Kimmich die Konstante, muss ein Zerstörer neben Gündoğan geschoben werden? Fragen, die bis zum neuen Sommermärchen beantworten werden müssen.
Das mögliche Motto für seinen Neuanfang mit der deutschen Nationalmannschaft sieht Julian Nagelsmann jeden Tag auf dem Weg zum Trainingsplatz in Foxborough. Der Schriftzug "Revolution" prangt in meterhohen weißen Lettern über dem Funktionsgebäude des hier ansässigen, gleichnamigen MLS-Klubs aus New England. Also Tabula rasa und alles auf null? Nagelsmann wird zumindest bei der Mittelfeld-Besetzung die letzten Maßnahmen von Hansi Flick rückgängig machen. Doch statt Revolution hat er sich Restauration auf die Fahne geschrieben.
Wenn die ersten Eindrücke nicht täuschen, plant der neue Bundestrainer mit den früheren Partnern Kapitän İlkay Gündoğan und Joshua Kimmich in der Schaltzentrale. Das Duo aus Kimmich und Leon Goretzka, dem Nagelsmann noch in seiner Zeit beim FC Bayern fast blind vertraut hatte, hätte ausgedient. Der Frage, wer im deutschen Spiel die Fäden ziehen soll, kommt große Bedeutung zu. Will Nagelsmann erfolgreich sein und 2024 bei der Heim-EM das versprochene "Sommermärchen 2.0" wahr machen, muss er das knifflige Mittelfeld-Rätsel lösen, an dem sein Vorgänger Flick gescheitert ist.
Flick wechselte ständig
In seinen 25 Länderspielen versuchte sich Flick mit neun verschiedenen Mittelfeld-Formationen in der Startelf. Am häufigsten, siebenmal, vertraute er seinem einstigen Münchner Standardmodell mit Kimmich und Goretzka. Doch auch Kimmich und Gündoğan durften sechsmal gemeinsam beginnen, Goretzka und Gündoğan viermal, zweimal sogar alle drei.
Richtig glücklich wurde Flick mit keiner dieser Varianten, und so probierte er andere aus. Ebenfalls zweimal startete Kimmich mit dem von Nagelsmann nicht berücksichtigten Emre Can, je einmal kombinierte Flick Gündoğan mit Jamal Musiala, Florian Neuhaus und Julian Weigl. In seinem letzten Länderspiel gegen Japan (1:4) warf er plötzlich alles über den Haufen - Revolution! Gündoğan, gerade erst mit der Binde ausgestattet, begann erstmals mit Can, Kimmich musste rechts in die Viererkette, Goretzka blieb zu Hause.
"Opfert" Nagelsmann die Konstante Kimmich?
Nagelsmann holte den Münchner zurück, dürfte ihn aber bei seinem Debüt am Samstag (21 Uhr MESZ/RTL und im Liveticker auf ntv.de) gegen die USA in Hartford auf die Bank setzen. Bei der Zusammenstellung seiner Zentrale berücksichtigt er neben den Trainingseindrücken jene aus den Gesprächen mit seinen Stars. "Wo ich mir Rat hole? Die Spieler sind das Wichtigste", sagte er. Sein Auftrag an das Mittelfeld ist klar: "Stress erzeugen beim Gegner, dass es ihm weh tut, gegen uns zu spielen." Doch sind Gündoğan und Kimmich dafür wirklich die Idealbesetzung?
Nagelsmann hält große Stücke auf beide. Sein erster Anruf im neuen Amt galt Gündoğan. "Ich bin von İlkay als Mensch und Spieler überzeugt", sagte er. Kimmich galt in seiner Bayern-Zeit als sein verlängerter Arm auf dem Platz, der Sechser betrauerte den Rauswurf des Trainers öffentlich ("Wenig Liebe, wenig Herz").
Allerdings: Wie jetzt Thomas Tuchel in der Münchner Dauer-Debatte um die "holding six" wünschte sich auch Nagelsmann damals eine "Pressingmaschine". Kimmich, hieß das, ist keine - dabei ist die Rolle im modernen Fußball wichtiger denn je. Auch der feine Techniker Gündoğan ist kein "Zerstörer", wie Nagelsmann ihn in Neuling Robert Andrich sieht. Doch würde er den Leverkusener oder seinen zweiten Backup Pascal Groß neben Gündoğan stellen, brächte dies die Hierarchie durcheinander, weil er Kimmich "opfern" müsste. Das wird Nagelsmann nicht wollen - denn es wäre wirklich: eine Revolution.
Quelle: ntv.de, sue/sid