Vertrau dem Lukas! Warum Podolski mit zur EM muss
31.05.2016, 07:02 Uhr
"Ich kann dem Team mit meiner Erfahrung helfen": Lukas Podolski.
(Foto: imago/GEPA pictures)
Beim FC Bayern gilt: Thomas Müller spielt immer. In der deutschen Nationalelf gilt: Lukas Podolski kommt immer mit. Gegen diese Regel sollte Joachim Löw auch bei der Fußball-EM nicht verstoßen - allen Kritikern zum Trotz.
Lukas Podolski war schon umstritten, da hat er noch regelmäßig für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft getroffen. Als er nach der Weltmeisterschaft 2006 zum FC Bayern München wechselte, machte Uli Hoeneß es sich zur Herzensaufgabe, den Shooting Star immer wieder unsanft in den Staub zu schicken. Im Verein oft nur Ersatz, holte sich Podolski seine Erfolgserlebnisse in der Nationalelf. Zu wenig für den Vereinsboss. "Treffer gegen die sanmarinesischen Busfahrer sind für mich kein Argument für einen Stammplatz beim FC Bayern", sagte Hoeneß damals. Der Podolski kann es nur gegen die Kleinen, für die Großen reicht es nicht - dieses Verdikt hängt ihm bis heute nach.

Gut gelaunt auf der Bank: Podolski am 6. Juni 2004 in Kaiserslautern. Beim 0:2 im Testspiel gegen Ungarn wurde er nach 75 Minuten eingewechselt und gab sein Debüt im DFB-Team. Und Teamchef Rudi Völler nahm ihn auch mit zur EM in Portugal.
Nun hat Podolski schon lange kein Tor mehr für die DFB-Elf erzielt, genauer gesagt seit dem 25. März 2015 nicht mehr. Sein letztes Spiel über 90 Minuten datiert vom 14. November 2014 - gegen Gibraltar. Seitdem wurde er für zehn Spiele nominiert, in denen er nie von Beginn an und insgesamt nur 115 Minuten spielte. Das sind die Zahlen eines Auslaufmodells. Trotzdem berief Joachim Löw den Mann von Galatasaray Istanbul in den erweiterten Kader für die Europameisterschaft. Viele Experten schüttelten den Kopf, zuletzt sprach sich Felix Magath, einst sein Trainer beim FC Bayern, gegen Podolski und für Newcomer wie Leroy Sané und Julian Brandt aus. Ja, vielleicht sind sie talentierter oder sogar schon jetzt besser als Podolski. Und doch muss der ewige Poldi mit nach Frankreich fahren.
Der Bundestrainer ist nicht ganz unschuldig daran, dass Podolski als Problemfall gesehen wird. Bei der Verkündung des 27-Mann-Kaders verteidigte er den bald 31-Jährigen nur halbherzig. Podolski habe "immer noch seinen sportlichen Wert, auch wenn das manche nicht wahrhaben wollen." Falls Löw für die Bekanntgabe des endgültigen EM-Aufgebots noch eine Argumentationshilfe benötigt: Podolski hat in dieser Saison in 43 Spielen 17 Tore und 10 Assists erzielt. Eine mehr als solide Statistik. Nach Ascona kommt er als Siegtorschütze im türkischen Pokal - und als Mann, der weiß, was er kann. "Ich kann dem Team mit meiner Erfahrung helfen", sagt der neben Kapitän Bastian Schweinsteiger dienstälteste Nationalspieler, der fünf große Turnieren und insgesamt 127 Länderspiele absolviert hat.
Deutschlands gefährlichster Linksfuß
Bei Galatasaray überzeugte Podolski zuletzt als Sturmspitze, eine Rolle, die in Löws Planungen eher mit Mario Gomez oder Thomas Müller besetzt sein dürfte. Bei der Niederlage gegen die Slowakei in Augsburg zeigte sich allerdings, dass Leroy Sané als eine Art hängende Spitze zwar wirbeln kann - aber kaum Torgefahr ausstrahlt. Podolski wäre auf dieser Position eine Option, er hat im Strafraum immer noch den gefährlichsten linken Fuß Deutschlands, ohne jede Frage.
Gut möglich, dass Löw trotz guter Form und aller Erfahrung im Turnier auf diese Waffe verzichtet. Podolski, ein ganzes Turnier lang auf der Ersatzbank: ein mögliches Szenario. Aber keines, das dem Nationaltrainer Sorgen bereiten muss. Der 30-Jährige hat noch immer seine Rolle gefunden, als Stimmungskanone, als Trainingseinpeitscher, als Mentor für die Jungen. Das hat die WM in Brasilien gezeigt: Ab der Gruppenphase weg vom Fenster, begab sich Podolski ohne Murren in die Rolle des Ergänzungsspielers. Die "11Freunde" berichteten, dass sich niemand im Training so sehr über Tore und Beinschüsse freute wie Podolski.
Auf die Loyalität und Motivation seines Dauerbrenners kann Löw vertrauen, bei anderen Spielern, die er noch nicht so lange kennt, kann er nur darauf hoffen. Der Nationaltrainer hat viel über den Teamgeist gesprochen in den vergangenen Wochen - wenn die Stimmung von denen abhängt, die nicht spielen, dann ist Podolski eine sichere Wahl. Er macht die zweite Garde zur Prinzengarde. Und vielleicht wiederholt sich die Geschichte ja sogar, und Lukas Podolski trifft wieder nur gegen die Kleinen. Gegen die Ukraine und gegen Nordirland zum Beispiel.
Quelle: ntv.de