Jungstar und Auslaufmodell Werders Selke überragt bei U19-EM
29.07.2014, 16:25 Uhr
Davie Selkie überragt bei der U-19-EM nicht nur wegen seiner 1,92 Meter Körpergröße.
(Foto: imago/Aleksandar Djorovic)
Er trifft und trifft und trifft: Davie Selke hat die DFB-Junioren bei der U19-EM in Ungarn fast im Alleingang ins Finale geschossen. Trotzdem könnte er es bei den "Großen" schwer haben - denn Selke gehört einer aussterbenden Spieler-Spezies an.
Wer Davie Selke nach seinem Erfolgsrezept fragt, bekommt eine einfache Antwort: "Wenn ich eine Chance habe, ist der Ball oft drin." Wohl wahr: Der Angreifer von Werder Bremen beweist derzeit einen Torriecher, der seinesgleichen sucht. Bei der U19-EM in Ungarn hat der 1,92 Meter-Mann in fünf Spielen sechs Mal ins Schwarze getroffen, jüngst beim 4:0 im Halbfinale gegen Österreich. "Es ist ganz egal, wer trifft. Das ist mein Job", bremst Selke die aufkeimende Euphorie um seine Person: "Ich fühle mich momentan super. Es macht unheimlich Spaß, für Deutschland zu spielen."
Das Wörtchen "spielen" wirkt bei näherer Betrachtung allerdings fehl am Platz. Selke arbeitet Fußball. Technisch eher limitiert, vertraut der 19-Jährige auf seine Durchsetzungsfähigkeit. Er weicht nicht auf den Flügel aus oder lässt sich ins Mittelfeld fallen, sondern lauert immer in Höhe der gegnerischen Verteidiger auf seine Torchance. "Ich komme sehr über die Arbeit und über das Spiel gegen den Ball", zitierte ihn zuletzt der "Spiegel" - der die Frage aufwarf, ob so ein Bulle von Stürmer überhaupt ins Konzept des DFB passe, wo Technik und Kreativität doch groß geschrieben werden.
Ein Instinktfußballer
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Selke einen Spielertypen verkörpert, den es so in Deutschland kaum noch gibt. Weil die Tage von Miroslav Klose in der Nationalmannschaft langsam gezählt sind und auch Mario Gomez wegen diverser Verletzungen zuletzt nicht mehr erste Wahl war, richtete Bundestrainer Joachim Löw seine Taktik vor der WM auf ein System mit einem variablen, technisch versierten Angreifer aus. Die Falsche Neun war in der DFB-Elf geboren - auch aus Mangel an Alternativen.
Experten und auch der Bundestrainer sind allerdings der Meinung, dass eine Spielweise wie die von Selke schlicht nicht mehr zeitgemäß ist. Bleibt ihm die große Karriere in der Nationalelft also verwehrt? "Jede Mannschaft braucht Spieler, die das wichtige 1:0 machen können, die immer für ein Tor gut sind", sagt Selke, der sich selbst als Instinktfußballer bezeichnet. Während er über seine Spielart gerne spricht, will er sich mit seiner fußballerischen Zukunft erst einmal nicht beschäftigen. Warum auch, läuft es in der Gegenwart doch wie geschmiert.
Werder will verlängern - Selke nicht zwingend
Aktuell spielt Selke bei Werder Bremen, der dritten namhaften Station seiner noch jungen Karriere. Er wurde in Schorndorf (Baden-Württemberg) geboren, sein Vater stammt aus Äthiopien. Das Fußballspielen lernte Selke bei Normannia Gmünd, wechselte dann zum VfB Stuttgart und 2009 in die Jugendakademie von 1899 Hoffenheim. Nach der Ausbildung in der oft gelobten Talentschmiede im Kraichgau wagte der Angreifer in der Winterpause 2013 den nächsten Schritt, um in der Bremer U19 an die Bundesliga herangeführt zu werden - doch es ging alles viel schneller.
In seiner ersten Saison erzielte der junge Mann neun Tore in 13 Spielen. Es folgte die Beförderung in die zweite Mannschaft der Bremer, für die er in 26 Partien wieder neun Treffer erzielte. Auch in der DFB-Auswahl bewies Selke seinen Torriecher. Im EM-Qualifikationsspiel gegen Lettland (5:0) schnürte er im Oktober 2013 einen Viererpack. Robin Dutt blieb nichts anderes übrig, als den Angreifer eine Chance zu geben. Nach drei Einsätzen und 129 Bundesliga-Minuten wurde es dann aber wieder ruhig, zumindest auf dem Platz. Bei einer Trainingsrangelei mit Clemens Fritz verpasste ihm der Werder-Kapitän eine Ohrfeige, Selke wehrte sich - und spielte unter Dutt in der Rückrunde nicht mehr.
Bremen als Sprungbrett?
Dass es in dieser Spielzeit anders läuft und der Youngster wieder in den Fokus rückt, davon ist nach dieser EM auszugehen. Werder hat längst nicht mehr das Problem, dass sein Top-Talent (zu) forsch auftritt, sondern dass andere Vereine Interesse zeigen. "Davie ist auf dem Schirm anderer Klubs, die mehr als aufmerksam geworden sind", berichtete Bremens Scouting-Boss Rouven Schröder jüngst in der "Kreiszeitung Syke". Laut Manager Thomas Eichin hat auch ein Bundesligist angeklopft, um Selke aus seinem bis 2015 laufenden Vertrag herauszukaufen. Aber: "Wir wollen mit ihm verlängern. Wir müssen schauen, ob er das auch will", so Eichin.
Und da wären wir wieder bei der Zukunftsmusik, von der Selke doch gar nichts hören möchte. Wer aber ein bisschen zwischen den Zeilen liest, der kann schon erahnen, dass der DFB-Youngster nach seinen tollen Leistungen nach Höherem strebt: "Ich habe in Bremen einen Vertrag bis 2015. So lange werde ich für Werder alles geben. Was danach passiert, kann ich noch nicht sagen."
Quelle: ntv.de, sport.de