Fußball

Fußball-Zeitreise, 14.11.1919 Wie der Fußball zur Roten Karte kam

Rudolf Kreitlein (m.) ist der Mit-Erfinder der Gelben und Roten Karten.

Rudolf Kreitlein (m.) ist der Mit-Erfinder der Gelben und Roten Karten.

Kaum einer weiß, dass die Erfindung der Gelben und Roten Karten beim Fußball ein deutsch-englisches Gemeinschaftsprojekt ist. Ein Skandal bei der WM 1966 bringt Ken Aston und Rudolf Kreitlein zum Grübeln. Am Ende revolutionieren sie das Spiel.

Man kann es sich heute gar nicht mehr richtig vorstellen. Da bilden sich Rudel, treten sich Spieler gegenseitig in die Haxen, der Schiedsrichter wird aufs Übelste von allen Akteuren beschimpft und trotz allem kann der Unparteiische nichts machen, um zu zeigen, dass er weiterhin Herr der Lage ist. Heute dagegen zückt er grimmig schauend einen bunten Karton - und Ruhe ist im Schacht. Früher war das anders.

Gelbe und Rote Karten wurden international tatsächlich erstmals bei der Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko eingesetzt. In der Bundesliga war es Friedel Lutz, der den ersten roten Karton am 3. April 1971 bei einem Spiel seiner Frankfurter gegen Eintracht Braunschweig vom Bochumer Schiedsrichter Wilfried Hilker im Waldstadion vor die Nase gehalten bekam. Hautnah konnte sich der Frankfurter so von einer deutsch-englischen Gemeinschaftsproduktion überzeugen.

Vier Jahre zuvor ist es der deutsche Schiedsrichter Rudolf Kreitlein aus Fürth gewesen, der nach einer kniffligen Situation am 23. Juni 1966 auf dem Rasen des Londoner Wembley-Stadions endgültig die Nase voll hatte und unmittelbar nach Spielschluss den englischen Schiedsrichterbetreuer Ken Aston kontaktierte. Der nur 1,62 Meter kleine Schiri hatte kurz zuvor verzweifelt versucht, dem 1,96 Meter langen Argentinier Antonio Rattin deutlich zu machen, dass er den Platz verlassen müsse. Doch Rattin ignorierte den deutschen Schneidermeister und ging einfach nicht vom Feld. Erst nach acht Minuten verließ der Argentinier immer noch fluchend den Platz.

"Das Maß war voll"

Die beiden hatten sich auf dem Rasen einfach nicht untereinander verständigen können. Eine deprimierende Situation für beide, die in der finalen Eskalation endete. Als Kreitlein nach 90 Minuten abpfiff - England hatte mit 1:0 gewonnen -, mussten ihn sieben Polizisten vor den erregten Südamerikanern beschützen. Der Schiri: "Ich hatte Rattin nach einem Foul an Bobby Moore auf Englisch verwarnt: One more and you go. Als er danach eine abfällige Geste zu mir machte, war das Maß voll."

Kreitlein hätte in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gehabt.

Kreitlein hätte in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gehabt.

(Foto: imago sportfotodienst)

Rattin versuchte sich später herauszureden: Er könne kein Englisch und habe deshalb nicht begriffen, was der Schiedsrichter gemeint habe. Ken Aston und Rudolf Kreitlein waren einer Meinung: Es musste endlich etwas geben, das Zuschauern, Spielern und Offiziellen unmissverständlich zeigte, welche Entscheidungen der Schiedsrichter auf dem Spielfeld getroffen hatte. Etwas mit Signalwirkung. Und wie es der Zufall so wollte, hatte der englische Schiedsrichterbetreuer am Vorabend geschlagene zwei Stunden für den Heimweg aus dem Stadion benötigt und dabei an manch roter Verkehrsampel gestanden.

Kreitlein war sofort begeistert von Astons Vorschlag, Verwarnungen mit gelben und Platzverweise mit Roten Karten zu ahnden. Und am Ende wurde es - nach einer über dreijährigen Umsetzungsphase - tatsächlich genau so gemacht. Eine Erfindung, auf die Rudolf Kreitlein bis zu seinem Tode im Juli 2012 sehr stolz war.

Erste Karte zückt ein deutscher Referee

Das "tapfere Schneiderlein", wie ihn die englische Presse nach dem beherzten Einstreiten beim Spiel der Heimmannschaft gegen Argentinien nannte, folgte in seiner Karriere auf dem Rasen dem Leitsatz: "Wenn ein Schiedsrichter Angst hat, wird er es nie zu einer Spitze bringen. Ein Schiedsrichter braucht Mut und Energie und muss Nerven haben wie Stahl."

Nervenstärke hatte Kreitlein zuvor schon im Europapokal-Finale der Landesmeister direkt vor der WM zwischen Real Madrid und Partizan Belgrad bewiesen. Auch aus diesem Grund hatte die Fifa den Fürther Schiedsrichter für das Finale vorgesehen gehabt, doch die deutsche Nationalmannschaft machte dem ambitionierten und selbstbewussten Unparteiischen durch ihren Einzug ins Endspiel einen Strich durch die Rechnung. So war für den Schneidermeister nach dem Viertelfinale Schluss bei dieser WM.

Übrigens: Dem Deutschen Kurt Tschenscher war anschließend die Ehre vorbehalten, die allererste Karte überhaupt zu verteilen. Beim Eröffnungsspiel der WM 1970 zeigte er dem Spieler der UdSSR, Evgeni Lovchev, die Gelbe Karte. Heute, am 14. November vor 100 Jahren, ist Rudolf Kreitlein, der Erfinder der Gelben und Roten Karten, geboren worden.

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Quelle: ntv.de

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