Fußball

Die Deppen der Nation Wie die Chinesen ihre Fußballer verspotten

Na, diese Fans sehen doch einigermaßen begeistert aus.

Na, diese Fans sehen doch einigermaßen begeistert aus.

(Foto: dpa)

China produziert Olympiasieger wie am Fließband. Aber der Fußball des Landes versinkt in der Zweitklassigkeit. Die Fans reißen Witze über das Nationalteam. Auch das durchaus erfolgreiche Abschneiden beim Asien-Cup ändert vorläufig daran nichts.

Anderswo bringen Siege einer Fußball-Nationalmannschaft Ruhm und Ehre. In China hagelt es Hohn und Spott. Ohne Punktverlust hatte sich die junge Auswahl des französischen Trainers Alain Perrin den Weg ins Viertelfinale der Asienmeisterschaft geebnet, wo allerdings just mit 0:2 gegen Gastgeber Australien ausschied. Ein Achtungserfolg, immerhin. Und doch sind die Fans in der Volksrepublik von Euphorie so weit entfernt wie Manuel Neuer von der Torjägerkrone. Sie glauben: Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn.

"Wenn schon unsere Fußballer ..."

"Wenn schon unsere Fußballer ..."

(Foto: dpa)

"Wenn schon unsere Fußballer das Viertelfinale erreichen können, dann findest du in diesem Jahr ganz sicher auch eine Freundin", heißt es im Internet in Anlehnung an die drastische Überzahl junger Männer im Land. Zahlreiche andere Witze der Kategorie "Wenn schon..." kursieren durch die Netzwerke. Chinas Fußballer als Deppen der Nation. Während ihr Sportsystem einen Olympiasieger nach dem anderen ausspuckt, erreichen sie allenfalls zweitklassiges Niveau. Die Frustration der heimischen Fans sitzt so tief, dass ein gutes Turnier in Down under nicht ausreicht, um die Skepsis zu beseitigen. Manipulations- und Korruptionsskandale haben dem Profifußball in China den letzten Funken Glaubwürdigkeit geraubt. Talentsichtung und -förderung sind eher Zufallsprodukte als das Resultat systematischer Nachwuchsarbeit.

Das einflussreiche Parteiorgan "Volkszeitung" schimpft über die Missstände. "Chinas Profiklubs verbrennen Geld im Rekordtempo, aber die Leistungsfähigkeit der Nationalmannschaft und das Nachwuchssystem hinken weit hinterher." Der Autor ärgert sich, dass Frauen- und Jugendmannschaften mancherorts im Matsch zwischen streunenden Schweinen trainieren müssten, während Klubs wie Guangzhou oder Shanghai höhere Gehälter zahlten als der FC Bayern oder Manchester United. Der Ex-Profi Wang Liang kennt das Problem. Nach seiner aktiven Zeit bei einem ehemaligen Zweitligaverein in Xi'an trainiert er heute Schulkinder seiner Heimatstadt Xianyan in der nordwestchinesischen Provinz Shaanxi. "Es gibt zu wenig Fußballplätze, die Trainer werden schlecht bezahlt, und es gibt keinen Spielbetrieb, der sich über das ganze Jahr streckt. Stattdessen haben die Kinder nur vier oder fünf Spiele in einer einzigen Turnierwoche pro Saison", sagt Wang. So können die Kinder kaum Wettkampferfahrung sammeln. Die "Volkszeitung" berechnet daraus einen Rückstand der Chinesen auf Asiens Fußballmächte Japan und Südkorea von rund 20 Jahren.

Know-how aus dem Ausland dringend gefragt

Damit sich das ändert, wurde der Fußball im vergangenen Jahr in den chinesischen Lehrplan aufgenommen. 20.000 Grund- und Mittelschulen sollen künftig im Sportunterricht Fußball spielen lassen. Ein ähnlicher Vorstoß des Sportministeriums brachte 2009 wenig Talente zutage, weil das Bildungsministerium sich die Einmischung in seine Angelegenheiten nicht gefallen ließ. Die Verantwortung für die neue Kampagne wurde deswegen besser gleich dem Bildungsministerium übertragen. Ob das ausreicht, daran zweifelt beispielsweise die staatliche Tageszeitung "Yangtse Evening News". Sie argumentiert, dass über Beförderungen von Lehrern und Direktoren die intellektuellen Leistungen der Schüler entscheiden, nicht die Integration des Fußballs. Zudem lehnten auch die Eltern den Fußball an Schulen wegen seines schlechten Images ab. Trainer Wang hat bereits seine Erfahrungen gemacht. Er könne gerne Fußball anbieten, finanzielle Unterstützung dafür bekomme er nicht, sagte ihm der Schulleiter.

Volles Risiko: Trainer Alain Perrin.

Volles Risiko: Trainer Alain Perrin.

(Foto: imago/Xinhua)

Örtliche Verwaltungen könnten mit dem Bau von Fußballplätzen ihren Anteil leisten. Doch die verkaufen die Grundstücke lieber an Immobilienentwickler. Das kurbelt die Konjunktur an, was einem Funktionäre in Partei oder Verwaltung ein Stück nach oben auf der Karriereleiter verhelfen kann. "Es ist noch nie jemand befördert worden, weil er einen Fußballplatz gebaut hat", sagt Wang. Bessere Entwicklungsmöglichkeiten für Talente gibt es allenfalls in den großen Metropolen des Landes, weil der Einfluss der Sportbehörde dort größer ist als im Rest Chinas.

Die Profiklubs haben immerhin mit der Gründung von Fußballschulen begonnen. Die Schule des Serienmeisters der vergangenen Jahre, Guangzhou Evergrande, erfährt regen Zulauf. Doch die Vereine und ihr Engagement hängen vor allem am Tropf der Sponsoren. Wenn die sich zurückziehen, wird zuallererst bei der Jugendarbeit gespart. In Peking, im Dunstkreis des Staatspräsidenten und Fußballfanatikers Xi Jinping, kooperieren die Behörden indes mit Bundesligist Schalke 04. In diesem Jahr will der Verein Fußball-Camps in der Hauptstadt ausrichten und auch deutsche Trainer vorbeischicken. Dass Kader und Funktionäre in Peking den Fußball verstärkt fördern, seit Xi der mächtigste Mann im Land ist, werten viele Beobachter auch als Anbiederung an den Präsidenten, dessen Vision ein WM-Titel für die chinesische Nationalmannschaft ist.

Zweifellos ist das Know-how aus dem Ausland dringend gefragt. Während beim Turnen und Schwimmen in jedem Provinznest gute chinesische Trainer technische Grundlagen bei den Kindern legen, geht es beim Fußball teilweise hanebüchen zu. Ex-Profi Wang erinnert sich an einen talentierten Linksfuß unter seinen Fittichen. Ein Trainer hatte dem Jungen verboten, den linken Fuß zu benutzen, weil er glaubte, Fußball spiele man am besten mit rechts. Dennoch schaffte es der Junge in die Landesauswahl der 38-Millionen-Provinz. Die staatliche Kampagne will deshalb auch 6000 Trainer ausbilden.

Unter diesen undankbaren Rahmenbedingungen wagt der Franzose Perrin mit einer Mischung aus Neulingen und Rehabilitierten wie dem Ex-Schalker Hao Junmin den Neuaufbau. Mit einem Durchschnittsalter seines Kaders von 24 Jahren war Perrin in Australien das Risiko eingegangen, früh auszuscheiden. Doch ohne Erwartungsdruck, aber mit einem lange vermissten Kampfgeist schafften die Chinesen die Überraschung. Perrin aber wird daran gemessen werden, ob China sich für die nächste WM-Endrunde qualifiziert, Viertelfinale der Asienmeisterschaft hin oder her. Schafft er das nicht, werden im Internet die nächsten Witze über die Deppen der Nation kursieren.

Quelle: ntv.de

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