Collinas Erben

"Collinas Erben" Schmidt ärgert Schalker, Stark scheidet aus

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Keine Ecke? Die Schalker Marco Höger, Benedikt Höwedes und Kaan Ayhan beschweren sich bei Schiedsrichter Markus Schmidt.

(Foto: imago/Team 2)

In der Fußball-Bundesliga fällt die Nachspielzeit deutlich kürzer aus als in anderen europäischen Ligen. Das sorgt für Ärger - zum Beispiel auf Schalke. Schiedsrichter Deniz Aytekin freut sich unterdessen über ein besonderes Weihnachtsgeschenk.

Die größte Aufregung in der sonst eher betulichen Partie zwischen dem FC Schalke 04 und dem Hamburger SV an diesem 17. Spieltag der Fußball-Bundesliga gab es kurz nach dem Schlusspfiff. Unmittelbar zuvor war ein Schuss des Schalkers Marco Höger von einem Hamburger neben das Tor gelenkt worden. Alle rechneten nun mit einem letzten Eckstoß, doch Schiedsrichter Markus Schmidt beendete die Begegnung kurzerhand. Sehr zum Unmut der Gastgeber, die sich wort- und gestenreich beschwerten. Doch der Unparteiische hatte sich regelkonform verhalten.

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Schließlich hatte er eine Nachspielzeit von zwei Minuten angeordnet, und die waren just in dem Moment abgelaufen, als der Ball über die Torauslinie rollte. Einen Eckstoß braucht der Schiedsrichter dann nicht mehr unbedingt ausführen zu lassen. Die einzige Spielfortsetzung, derentwegen die Spielzeit noch einmal verlängert werden muss, ist der Strafstoß. Wird ein solcher in buchstäblich letzter Sekunde verhängt, muss er in jedem Fall auch ausgeführt werden. So wollen es die Regeln.

Collinas Erben

"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.

Der Protest der Schalker war also unberechtigt, verweist allerdings auf ein grundlegendes Problem: Unter Spielern, Trainern, Fans und Journalisten sind nicht wenige der Ansicht, dass in der Bundesliga die Nachspielzeit zu kurz ausfällt. Und tatsächlich dauern Begegnungen in anderen großen europäischen Ligen länger: Nach Berechnungen der "Sportschau" lassen die Unparteiischen in der spanischen Primera División durchschnittlich rund dreieinhalb Minuten nachspielen, in der italienischen Serie A fast vier Minuten und in der englischen Premier League sogar beinahe viereinhalb Minuten. Die Bundesliga kommt im Schnitt nur auf etwas mehr als zwei Minuten Nachspielzeit pro Partie. Um sich der Antwort auf die Frage zu nähern, woher diese nicht unerheblichen Unterschiede rühren, ist ein Blick ins offizielle Regelheft zweckmäßig.

Dort heißt es in der Regel 7 ("Dauer des Spiels") unter anderem: "In jeder Spielhälfte wird die Zeit nachgespielt, die verloren geht für Auswechslungen, Verletzungen von Spielern, [den] Transport verletzter Spieler vom Spielfeld, Zeitschinden [und] jeden anderen Grund." Die Fifa hält darüber hinaus in ihren Richtlinien für die Referees fest: "Es ist völlig normal, dass es in einem Spiel zu zahlreichen Unterbrechungen kommt (z.B. Einwürfe, Abstöße). Nachgespielt werden darf diese Zeit nur, wenn es zu übermäßigen Verzögerungen kommt."

DFB zurückhaltend bei der Nachspielzeit

Der DFB legt diese Anweisungen relativ strikt aus und ist bei seinen Empfehlungen hinsichtlich der Länge der Nachspielzeit deshalb eher zurückhaltend. Wenn sich keine offensichtlichen, außerordentlichen Verzögerungen ergeben, werden pro Auswechslung 20 Sekunden berechnet. Bei Verletzungen entscheiden die Schiedsrichter nach eigenem Ermessen. Für Gelbe und Rote Karten sowie für Tore gibt es keinen pauschalen Nachschlag, sofern sie "zum normalen Spielprozess gehören, also das Spiel flüssig wieder aufgenommen wird", wie der ehemalige Fifa-Schiedsrichter und heutige Abteilungsleiter Schiedsrichter beim DFB, Lutz Michael Fröhlich, erklärt. Anders sieht es beispielsweise in der Premier League aus: Dort sind die Referees gehalten, pro Tor und pro Auswechslung wenigstens 30 Sekunden nachspielen zu lassen.

Die Nachspielzeit wird dem Vierten Offiziellen vom Schiedsrichter kurz vor dem Ende der jeweiligen Spielhälfte mitgeteilt und dann auf einer Tafel angezeigt. Diese Anzeige ist jedoch "keine exakte Angabe der nachzuspielenden Zeit", wie es in den Fifa-Regularien heißt. Der Schiedsrichter kann die Nachspielzeit vielmehr bei Bedarf verlängern – etwa, wenn es zu einer Verletzungsunterbrechung oder zu einer signifikanten Spielverzögerung kommt. Verkürzen darf er sie dagegen nicht. Es bleibt abzuwarten, ob der DFB sich irgendwann bei der Nachspielzeit den internationalen Gepflogenheiten anpassen wird, wie es viele fordern. Man muss ja nicht gleich so weit gehen wie ein besonders beflissener Unparteiischer vor einiger Zeit in einem nordrhein-westfälischen Bezirksligaspiel: Die Partie zwischen Dostlukspor Bottrop und BW Wesel verlängerte er insgesamt um sage und schreibe 28 Minuten. Zur Erklärung sagte der Referee seinerzeit trocken: "Ich habe den Standpunkt, dass ein Zuschauer, der Geld für 90 Minuten bezahlt, auch 90 Minuten zu sehen bekommen sollte. Wenn der Trainer der Meinung ist, auf Zeit spielen zu müssen, muss er damit rechnen, dass länger gespielt wird."

Ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Art gibt es derweil für Deniz Aytekin: Mit Beginn des neuen Jahres wird der 36-Jährige aus dem mittelfränkischen Städtchen Oberasbach zur sogenannten "Elite Group" der Uefa-Unparteiischen gehören - als einziger Schiedsrichter aus der Bundesliga neben dem deutschen WM-Referee Felix Brych. Damit zählt Aytekin nun offiziell zu den besten europäischen Referees. Künftig kann er deshalb beispielsweise mit besonders attraktiven Partien in der Champions League rechnen und sich überdies Chancen ausrechnen, bei einer Welt- oder Europameisterschaft eingesetzt zu werden.

Auch Wolfgang Stark gehörte bislang der "Elite Group" an, doch zum 31. Dezember scheidet er aus dem Kreis der Fifa-Schiedsrichter aus, weil er die Altersgrenze von 45 Jahren erreicht hat. In der Bundesliga darf er dagegen noch zwei Jahre lang pfeifen. Pech für Stark, dass das Exekutivkomitee der Fifa erst jetzt beschlossen hat, die Altersgrenze für die Unparteiischen aufzuheben. Künftig sollen Spielleiter, die älter als 45 Jahre sind, jährlich besonders intensiven medizinischen Untersuchungen und Fitnesstests unterzogen werden. Ob der DFB sich der Fifa anschließen wird, ist noch offen.

Quelle: ntv.de

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