
Dieter Zembski, Schlagzeuger.
(Foto: imago/Horstmüller)
60 Jahre Bundesliga: Der junge Franz Beckenbauer zeigte wenig gentlemanlike in der Saison 1968/69 den Zuschauern in Hannover eine abfällige Geste - und bekam eine fette Strafe aufgebrummt. Beim MSV trieben die Spieler Späßchen mit ihrem Trainer und in Bremen mussten sie einen "Beatle" zur großen Karriere auf dem Rasen überreden!
Seit 1965 waren sie dabei - nun holte der FC Bayern München seine erste Bundesliga-Meisterschaft. Souverän gewannen die Bayern nicht nur die ersten fünf Partien der Saison 1968/69, sondern standen 34 Spieltage ununterbrochen an der Tabellenspitze. Eine Bilderbuchsaison - wenn da nicht der "Eklat des Jahres" gewesen wäre. Die Partie in Hannover geriet völlig außer Kontrolle. Franz Beckenbauer stellte sich nach Spielschluss im Niedersachsen-Stadion vor die Fans von Hannover 96 und zeigte mit einer "Manneken Pis"-Bewegung "dem verehrten Publikum" (O-Ton Beckenbauer) seine innere Gemütsverfassung. Der Bayern-Star fühlte sich zu Unrecht ausgepfiffen.
1.000 Mark Strafe, 50 Mark Verfahrenskosten, zwei Entschuldigungsbriefe und der Eintrag in die Sünderkartei der Frankfurter Zeppelin-Allee waren die Konsequenz. Auch Sepp Maier ließ sich an diesem Tag zu einer Dummheit hinreißen: Er verpasste einem Fan von Hannover 96 eine Ohrfeige. Er blieb allerdings straffrei. Im Gegensatz zu Gerd Müller, der nach einem harmlosen Schubser vom Platz gestellt wurde. Acht Wochen fehlte er den Bayern, in denen sie nur drei Tore schossen und 2:6-Punkte holten.
"Willst du ein Auto für deinen Sohn?"
Überraschend Zweiter wurde mit acht Punkten Rückstand auf den Meister Alemannia Aachen. Die Fans intonierten stolz ihr Vereinslied: "Wir brauchen keinen Seeler, wir brauchen keinen Brülls - wir kaufen unsere Spieler alle in Marl-Hüls." Die Alemannia-Kicker aus dem äußersten Westen bildeten eine verschworene Einheit, die mit dem extrovertierten belgischen Stürmer Roger Claessen verstärkt wurde. Den Starspieler hatten sie sich in Aachen ordentlich was kosten lassen. Belgiens Sportler des Jahres wechselte für 300.000 Mark von Standard Lüttich zu den "Kartoffelkäfern". Den berauschenden Erfolg dieser Saison konnte Alemannia Aachen jedoch nie wiederholen. Bereits im kommenden Jahr stieg man als Tabellenletzter chancenlos ab.
In Duisburg sorgte MSV-Trainer Robert Gebhardt, genannt "Zapf", für Erheiterung. Montags ließ er seine Spieler immer als erstes Seilchenspringen. Das Problem: Der Übungsleiter konnte nur sehr, sehr schlecht sehen - war aber zu eitel, eine Brille zu tragen. Dieses Handicap wussten die Spieler trefflich zu nutzen. Torwart Manfred "Cassius" Manglitz musste grinsen, wenn er sich an die Montagmorgenstunden von einst erinnerte: "Die Seilchen wurden nach den ersten Metern eingerollt und erst auf der Ziellinie wieder ausgepackt." Da sich "Zapf" ein zweites Standbein mit dem Verkauf von Kinderspielzeug aufgebaut hatte, versuchte er sich die Gunst seiner Spieler zu erkaufen. Und so war die Frage "Willst du ein Auto für deinen Sohn?" eine Art Running Gag unter den MSV-Kickern.
"Da ist der Pelé direkt billig"
Das Drama dieser Spielzeit ereignete sich beim amtierenden Deutschen Meister. Eigentlich lief es beim 1. FC Nürnberg von Anfang an nicht rund. Dann verlor auch noch Trainer Max Merkel die Übersicht und meckerte über seine Kicker. Seinen jugoslawischen Nationalspieler Cebinac wollte er gar am liebsten auf der Stelle loswerden: "Wenn ich mir vorstelle, was er gekostet hat und wie viele Tore Cebinac schießt, da ist der Pelé direkt billig."
Dass das mit dem Klassenerhalt des Club schwierig werden würde, ahnte Nürnbergs Vorsitzender Walter Luther spätestens am Vorabend des Spiels der Clubberer gegen Borussia Dortmund. Kapitän Luggi Müller war zu Luther nach Hause gekommen und forderte vom Präsidenten eine sechsstellige Summe. Würde diese nicht gezahlt werden, sähe sich die Mannschaft außerstande, am folgenden Tag mit vollem Einsatz zu spielen. Ein Sieg, so Müller, sei unter diesen Umständen natürlich nicht möglich. "Nach diesem Gespräch war mir klar, dass die meisten Spieler mit ihrem Herzen längst nicht mehr beim 1. FC Nürnberg waren", sagte der Vorsitzende und rechnete mit dem Schlimmsten.
Für den größten Aufreger der Saison sorgten aber die Lauterer. Vor dem Auswärtsspiel gegen den HSV machte die Mannschaft in einem Hotel in Quickborn Halt. Lauter junge Männer im besten Lausbubenalter und ein völlig überforderter Trainer Egon Piechaczek. Die Spieler machten sich einen Spaß daraus, den Speisesaal von einer Empore aus mit Hagebutten zu bewerfen. Einige Früchte landeten auf den weißen Tischtüchern, andere direkt in den tiefen Ausschnitten der feinen Damen. Der Hoteldirektor war empört. Mit erhobenem Zeigefinger drohte er: "Noch einmal, dann …"
Doch die Ansage kam zu spät. Mittelfeldstratege Otto Geisert hatte eine Blumenschale vom Podest geworfen, die nun - mitten in die Worte des Direktors hinein - klangvoll in tausend Stücke zerbrach. Einige Minuten später stand die Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern mit gepackten Koffern auf der Straße. Das Spiel am nächsten Tag endete übrigens 3:1 für den HSV. Die Vorlage zum zwischenzeitlichen 1:1 durch Gerhard Kentsch gab gewohnt treffsicher: Otto Geisert.
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Bei Werder Bremen wollten sie unbedingt den 21-jährigen Dieter Zembski verpflichten, doch der junge Mann zierte sich. Von Beruf Schriftsetzer bei einem Berliner Verlag, war seine große Leidenschaft neben dem Fußball die Musik - Zembski war Schlagzeuger in einer Band namens "Mushroams" und hatte bereits einen großen TV-Auftritt in der legendären Musiksendung "Beat Club" hinter sich. Während Vereinsarzt Dr. Böhmert Verständnis für die langen Haare Zembskis ("Der Junge sieht mit seiner Frisur wirklich gut aus") und sein Hobby zeigte, verstand Trainer Fritz Langner die Welt nicht mehr: "Bei uns kann der Geld verdienen wie nie zuvor, und da will er weiter klimpern. Das gibt's doch nicht!"
Letztendlich gelang es Werders findigem Geschäftsführer Hans Wolff, Zembski zu verpflichten, doch auch er wusste, dass dies für den jungen Mann einen harten Einschnitt in seinem Leben bedeutete: "Als Schriftsetzer und Musiker war er schon Geselle - bei uns ist er wieder Lehrling. Damit muss er sich abfinden." Und noch mit etwas anderem. Auch die Haare mussten ab. Da kannte Trainer Fritz Langner bei aller Liebe kein Pardon: "Beatles spielen bei mir nicht!" Als die Haare schließlich gestutzt waren, durfte Zembski endlich spielen. Und die Nachfolger von Fritz Langner, Fritz Rebell, der "schöne Hans" Tilkowski und der eitle Robert "Zapf" Gebhardt, fanden dann auch schließlich richtig Gefallen am Werder-Schlagzeuger Zembski.
Quelle: ntv.de