Redelings Nachspielzeit

Redelings und bissige Bundesliga Als die Gegenspieler "wuff-wuff" machten

Der Popo tut weh.

Der Popo tut weh.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Revierderby am Samstag war bissig, doch längst nicht so bissig wie früher. Damals, als echte Löwen im Stadion patrouillierten und die Spieler vor Schmerzen laut aufschrien, wurde Geschichte geschrieben – die noch heute Kinder begeistert.

Am Samstagabend habe ich mit meinen beiden Jungs die zweite Halbzeit des Derbys zwischen dem BVB und Schalke 04 geschaut. Männerabend auf der Couch. Salzstangen und Malzbier. Doch irgendwann machte sich Langeweile breit. Als die Augen schließlich immer schwerer wurden, wir mittlerweile auch schon über die neue Frisur von Mario Götze gesprochen hatten ("Papa, der sah im Panini-Sammelalbum noch ganz anders aus!") und sich immer noch nichts richtig Spektakuläres auf dem Rasen tat, holte ich ein Buch aus dem Regal, zeigte auf einen vor Schmerzen schreienden Mann und begann zu erzählen. Einige Kleinigkeiten der folgenden Worte ließ ich an diesem Abend mit den beiden Jungs weg, andere Dinge schmückte ich noch etwas aus. Kindgerecht. Besonders den Moment, als der Hund zupackte. Aber für uns Fußballfanatiker gibt es am Ende noch ein Detail bei dieser Geschichte, das mich immer wieder aufs Neue begeistert.

orangenerKreis.jpg

Denn eigentlich braucht man ja über den zweifachen Biss des braven Schäferhundes Rex in den Allerwertesten des Schalkers Friedel Rausch nicht mehr viele Worte zu verlieren. Die schmerzhaften Minuten des 6. September 1969, als im Stadion "Rote Erde" beim Revierderby Borussia Dortmund gegen den FC Schalke 04 hunderte von Zuschauern den Platz stürmten und von maulkorbbefreiten Hunden zurückgedrängt werden sollten, sind in das kollektive Gedächtnis der Bundesliga eingegangen. Auch die herrlich-spektakuläre Idee des Schalke-Präsidenten Oskar Siebert, beim Rückspiel vier echte Raubkatzen aus dem Löwenpark Westerholt zu holen und diese auf Höhe der Mittellinie an der Leine von vier Ordnern patrouillieren zu lassen, ist legendär und weithin bekannt.

"War die Lachnummer der Liga"

"Ein Tor würde dem Spiel gut tun"

Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".

Doch dass Friedel Rausch noch Wochen nach dem Abklingen der Wundschmerzen weitaus größere Probleme mit sich herumtrug, behielt er lange Zeit lieber für sich. Denn die Neckereien der Gegenspieler nervten ihn in den folgenden Monaten nicht nur, nein, sie waren dem eitlen Sonnyboy auch ein wenig peinlich. Der smarte Friedel Rausch war auf dem Fußballplatz urplötzlich zum Gespött der Leute geworden: "Es war die Hölle. Fast in jedem Spiel kam mein Gegenspieler an und machte wuff-wuff. Ich war fortan die Lachnummer der Liga."



Auch seine Schalker Mannschaftskollegen trieben mit Rausch ihren Schabernack. So fragten sie in den Tagen nach dem Vorfall den armen Kumpel scheinheilig: "Friedel, überleg doch mal, der Hund hätte dich vorne rum gebissen…?" Ganz der alte Macho antwortete Rausch geistig bereits wieder voll auf der Höhe cool und gelassen: "Dann hätte der Köter seine Zähne verloren…"

Doch abschließend an dieser Stelle noch ein bedeutendes Wort über den erwähnten Löwenpark im idyllischen Gelsenkirchen-Buer. Der schillernde Graf von Westerholt hatte bei einem Besuch der Trabrennbahn die Schnapsidee entwickelt, mitten in Gelsenkirchen einen Freizeitpark mit einer vier Kilometer langen Autosafaritour zu errichten. Über hundertfünfzig Tiere in freier Wildbahn konnten so von den staunenden Menschen im Ruhrgebiet bewundert und fotografiert werden. Nachdem es gleich bei der Eröffnung zu einer spektakulären Panne gekommen war, als ein WDR-Team mit dem Auto im Park stecken geblieben und einfach ausgestiegen war, blieb es in den Folgejahren zumeist ruhig. Auch wenn nicht alle Bewohner des Reviers von der Einrichtung dieses Parks überzeugt waren, wie diese kleine Anekdote – vom Grafen selbst erzählt – zeigt: "Eine Frau aus Dorsten (Anmerkung des Autors: fünfzehn Kilometer vom Löwenpark entfernt) schrieb mir, ich möchte doch keine Löwen hier aussetzen. Sollten in einem künftigen Krieg einmal Bomben fallen, würden die Löwen frei herum- und sicher bis nach Dorsten laufen. Ich antwortete ihr: Erfahrungsgemäß wechseln Löwen nie den Standort. Sie werden schon nach wenigen Tagen echte Bueraner sein."

Gefährlichste Geldübergabe der Kriminalhistorie

Eine lustige Geschichte, ganz ohne Zweifel. Doch was hat das Ganze mit Fußball zu tun? Eine Menge, wie es scheint. Denn im Dunstkreis der berühmten Meineid-Verhandlungen während des Bundesligaskandals Anfang der siebziger Jahre erzählte man sich gerne auch die spannende Anekdote von einer der gefährlichsten Geldübergaben in der Kriminalhistorie. Und die soll an keinem geringeren Ort als dem Löwenpark Westerholt in Gelsenkirchen-Buer stattgefunden haben. Eine Herde schwarzer Fußball-Schafe also mitten unter brüllenden Löwen. Und am Ende wurden sie tatsächlich alle gefressen. Vom großen, hungrigen DFB-Chefankläger Hans Kindermann.

Am Tag nach dem Derby sind wir mit der ganzen Familie ins Ruhrstadion gegangen. Unseren VfL Bochum gegen Heidenheim schauen. Da das Spiel bis zum Schluss spannend und unterhaltsam war, hätte ich beinahe vergessen, den beiden Jungs von den alten Männern mit den Schäferhunden ohne Maulkorb zu erzählen, die früher hinter den Zäunen (!) standen und das Publikum in Schach hielten. An ihren Augen konnte ich erkennen, dass sie die Story mir nicht ganz glaubten. Doch faszinierend fanden sie die Geschichte wohl dennoch. Ich bin gespannt, ob sie irgendwann einmal auch ihren Kindern von bissigen Hunden in Fußballstadien erzählen werden, wenn auf dem grünen Rasen mal nicht so viel passiert. Es würde mich freuen!

Das aktuelle Buch unseres Kolumnisten Ben Redelings: "Bundesliga-Album: Unvergessliche Sprüche, Fotos, Anekdoten" bei Amazon bestellen. Außerdem ist er gerade live mit seinen Programmen unterwegs: Infos und Tickets zur Tour!

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen