
Lebemann Roland Wohlfarth.
(Foto: imago sportfotodienst)
Vor 30 Jahren fiel der ehemalige Torschützenkönig des FC Bayern München aus allen Wolken. Zuerst vermutete Roland Wohlfarth sogar einen Anschlag auf seine Gesundheit. Doch dann dämmerte ihm, was der Grund für sein Doping-Vergehen sein könnte. Und dieser war in der Tat äußerst kurios.
"Obwohl bei mir sogar Mineralwasser Kalorien bekommt, bin ich überzeugt, dass Bayern nie einen findet, der mehr Tore schießt als ich", hat Roland Wohlfarth einst gesagt. Für den Bundesliga-Torschützenkönig der Jahre 1989 und 1991 und mehrfachen Deutschen Meister mit dem FC Bayern München, gab es trotz all seiner Erfolge keinen einzigen ruhigen Tag in seiner Profikarriere. Und das lag an seinen steten Sorgen um sein Gewicht: "Mein großes Problem war, dass ich nie einen Körper wie andere Profis hatte. Ich habe nichts gegessen und trotzdem zugenommen." Am Ende wurden ihm dann auch noch genau diese Probleme mit seinem Gewicht ganz kurios zum Verhängnis - und er selbst zum ersten offiziellen Dopingsünder der Bundesliga.
Am Anfang wusste Roland Wohlfarth allerdings gar nicht, wie ihm geschah. Im Januar vor 30 Jahren gingen seine ersten Gedanken in eine völlig falsche Richtung. Doch das wusste der gebürtige Bocholter damals noch nicht. Als die ersten Meldungen über sein Dopingvergehen bei ihm eingingen, reagierte er geschockt und vermutete, dass man ihm etwas gespritzt haben musste. Gift vermutlich. Die Franzosen von der AS Saint-Étienne mussten es gewesen sein, dachte er. Denn gerade erst war er aus Frankreich zum VfL Bochum gewechselt und nun das. Er und Doping? Nein, das konnte einfach nicht sein. Da musste ein Irrtum vorliegen. Aber welcher? Der Stürmer war verzweifelt. Und sein neuer Verein begann, Fragen zu stellen.
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Wohlfarth ist bis heute immer noch einer der erfolgreichsten Torjäger, die der FC Bayern München je hatte. 119 Treffer hat er für die Roten erzielt. Sein dritter Platz hinter den Legenden Gerd Müller und Karl-Heinz Rummenigge in der ewigen Rekordtorschützenliste der Bayern in der Bundesliga hatte lange Bestand - doch dann kamen Robert Lewandowski und Thomas Müller. Doch bei Roland Wohlfarth war damals immer schon alles anders als bei den anderen Stars des Rekordmeisters. Denn der Mann aus Bocholt war bei den Bayern nie unumstritten. Jede Spielzeit aufs Neue haben sie ihm einen Top-Transfer vor die Nase gesetzt und jedes Jahr behielt am Ende Roland Wohlfarth doch die Oberhand.
Wohlfahrth mochte Fußball spielen, aber nicht so gerne reisen
Obwohl Uli Hoeneß ein großer Fan von ihm war, verzweifelte der Manager des FC Bayern immer wieder an Wohlfarths stiller und zurückhaltender Art. Er wollte stets, dass der vom MSV Duisburg nach München gewechselte Torjäger mehr aus sich rausginge - doch das war nie Wohlfarths Sache. Sein Trainer Udo Lattek meinte einmal: "Ich nenne ihn oft den 'Killer mit dem Engelsgesicht', weil er mir im Strafraum noch zu brav und zu wenig clever ist. Man hört und sieht ihn fast nie, nur dann, wenn er Tore macht."
Und obwohl er diesen Job verlässlich erledigte und reihenweise Treffer erzielte, reichte es aufgrund seiner leisen Art nur zu zwei Einsätzen in der Nationalmannschaft. Mittlerweile weiß man allerdings, dass der gebürtige Bocholter im Grunde sogar froh darüber war, dass er nicht zu Höherem berufen wurde - schließlich hätte er dann unter der Woche seine Familie noch seltener gesehen und das wäre für Wohlfarth ein Horror gewesen. Zudem mochte er das Reisen nicht. Genau deshalb verstand er es auch umso weniger, als er hörte, dass Bayern-Fans für ein Europapokalspiel bei Trakia Plowdiw im schönen Bulgarien 700 Mark ausgegeben hatten. Mit heftigem Kopfschütteln und einer klaren Ansage reagierte Wohlfarth auf die Reisefreudigkeit der Anhänger: "Dafür habe ich wenig Verständnis. So viel Geld für ein so uninteressantes Spiel würde ich nie ausgeben."
Einmal versuchte Trainer Udo Lattek den zaghaften Torjäger mit einer Brachialmethode herauszufordern und fragte ihn: "Roland, was machst du, wenn einer in dein Haus kommt, dir das Bier wegtrinkt, die Wurst wegisst und dir die Frau wegnimmt?" Wohlfarth antwortete völlig korrekt: "Dem hau ich eine in die Schnauze, Trainer!" Lattek zeigte sich zufrieden: "Dann wehr dich gefälligst auch auf dem Fußballplatz!" Und tatsächlich begann sich der Stürmer kurzzeitig selbst zu motivieren. Er nahm den Konkurrenzkampf mit den frisch verpflichteten Neuzugängen McInally und Sternkopf an: "Ich rede mir laufend ein, dass die beiden sich warmlaufen, dass der Trainer schon die Nummer 9 aus dem Kasten zieht, um mich auszuwechseln." So hangelte sich Wohlfarth von Spielzeit zu Spielzeit.
Das Problem mit "Recatol N"
Irgendwann jedoch reichte es den Offiziellen des FC Bayern. Sie sahen trotz all der Treffer keine Entwicklung mehr bei ihrem phlegmatischen Torjäger. Und so nahmen sie den finalen Schock der Spielzeit 1992/93, als Werder Bremen die Münchener kurz vor Ende der Saison noch abfing, zum Anlass - und verabschiedeten ihren langjährigen Goalgetter nach Frankreich.
Dort hielt es Wohlfarth allerdings nicht lange aus. Und so zog es den Stürmer nach anderthalb Jahren in Saint-Étienne wieder zurück in die Heimat. Als Biertrinker hatte er genug vom Wein und war froh, als der VfL Bochum für den Abstiegskampf in der Bundesliga zum Jahreswechsel 1994/95 noch einen erfahrenen Torjäger suchte. Doch es gab ein Problem: Über Weihnachten hatte Roland Wohlfarth tüchtig zugelangt und sich einige Pfunde Winterspeck auf die Rippen gelegt. Die wollte er nun schnell wieder loswerden.
Und so ging der Bundesliga-Heimkehrer in seinem Wohnort Bocholt in eine Apotheke und kaufte sich den Appetitzügler "Recatol N". Was ihm der Apotheker leider nicht sagte: In der Medizin enthalten war auch die verbotene Substanz "Norephedrin". Und als sich Wohlfarth schließlich bei einem Hallenturnier einem Dopingtest unterziehen musste, flog die ganze Geschichte mit dem Appetitzügler auf. Sein neuer Klub, der VfL Bochum, war alles andere als begeistert. Trainer Klaus Toppmöller, der ansonsten kleinen menschlichen Lastern stets verständnisvoll gegenüberstand, zeigte sich enttäuscht: "Das war eine absolute Dummheit von ihm. Es wird sicherlich von Vereinsseite eine Geldstrafe verhängt. Sportlich bedeutet dies einen herben Verlust. Roland Wohlfarth hätte sich beim Arzt über das Medikament informieren sollen. Der VfL Bochum steht absolut sauber da."
Doch das half alles nichts. Als der DFB am 16. Februar 1995 sein Strafmaß im ersten Doping-Urteil der Fußball-Bundesliga verkündete - zwei Monate Sperre und 60.000 Mark Bußgeld -, dachten der Verein und auch Roland Wohlfarth selbst nicht einmal kurz über einen Einspruch nach. Zu eindeutig waren die Fakten. Roland Wohlfarth hat einmal gesagt: "Wenn ich abends noch ein Bierchen trinken war, wusste ich, dass ich am nächsten Tag nichts essen darf, um am Montag beim Wiegen nicht wieder Ärger zu bekommen. Deshalb musste ich immer besonders auf mich achten." Dieses eine Mal hatte er allerdings etwas zu sehr auf sich geachtet.
Quelle: ntv.de