Redelings über Tschik Cajkovski Der Mann, der Bayern zu Titeln quatschte
27.06.2017, 12:15 Uhr
Zlatko "Tschik" Cajkovski - ein großer Trainer mit großen Worten. (Bild von Mitte der 1960er-Jahre)
(Foto: imago/Horstmüller)
Mit ihm steigt der FC Bayern in die Fußball-Bundesliga auf. Mit ihm gewinnen die Münchener ihre ersten Titel. Aber nicht nur seine Erfolge machen "Tschik" Cajkovski zu einer Legende des deutschen Fußballs, sondern vor allem sein "Sprachtalent".
Als Bayerns Franz "Bulle" Roth am 31. Mai 1967 in der 108. Minute des Finals des Europapokals der Pokalsieger in Nürnberg das 1:0 gegen die Glasgow Rangers schoss, sah sich Trainer Zlatko "Tschik" Cajkovski endgültig in dem für seine Mannschaft gewählten System bestätigt. Wie es ausgesehen hätte, wenn er sich geirrt hätte, wusste er wie immer sprachlich elegant in Worte zu fassen: "Wenn die Spieler nicht dazu passen, ist es, als ob man beschlägt Frösche mit Hufeisen."
Der Mann war eine echte Bereicherung für die Fußball-Bundesliga. Sätze wie er sprach kaum einer in den Anfängen: "Die Torhüter spinnen alle ein bisschen. Ich kannte mal einen, der schrieb einen Brief deshalb langsam, weil er wusste, dass seine Mutter nur langsam lesen konnte." Die Journalisten liebten Spieler-Beschreibungen wie diese damals in Köln: "René Botteron – gekommen von mir als Champagner, jetzt spielen wie Mineralwasser!" Die Welt des kleinen, lustigen Jugoslawen war leicht zu beschreiben. Mit seinen eigenen Worten hörte sie sich so an: "Ball rund, Stadion rund, ich rund."
Tschik Cajkovski war schon immer eine schillernde Persönlichkeit. Seine Ehefrau Rada erzählte einmal eine Anekdote aus dem Februar 1949. Damals stand der Nationalspieler für FK Partizan Belgrad auf dem Platz: "Im großen Kampf der Rivalen gegen Roter Stern (1:0) hatte ihn wieder einmal der Teufel geritten. Er hatte sich während des Spiels auf den Ball gesetzt und den Gegner gefoppt: 'Komm doch her, hol dir den Ball, wenn du kannst!' Nicht einmal der Schiedsrichter hatte an Zlatkos 'Erfindung' Anstoß genommen, aber den Funktionären auf der Tribüne war dieser Spaß dann doch zu viel, zumal auch noch eine ausländische Delegation anwesend war."
Der heißblütige Cajkovski wurde damals für einige Wochen "vereinsintern" gesperrt, doch sein Temperament blieb ihm später auch als Trainer erhalten. Seine Explosionen nach verlorenen Spielen waren von seinen Mannschaften gefürchtet, und so überraschte es viele, als er im September 1962 als Trainer des 1. FC Köln nach einem Europapokalspiel beim schottischen FC Dundee ruhig blieb. 1:8 hatten die Rheinländer verloren, und die selbst noch untröstlichen Spieler versuchten ihren schwer angeschlagenen Trainer zu trösten. Doch Cajkovski war nicht zu besänftigen. Still und in sich gekehrt sagte er kurz vor dem Heimflug nur einen Satz. Er wurde zur Legende: "Winschte, Maschine stirzt ab."
Ehrenbürger = Steuererleichterung!
Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".
Kurz darauf ging er nach München. Mit ihm stiegen die Bayern in die Bundesliga auf und feierten dort ihre ersten großen Siege. Die Erfolge in München wollte sich Tschik, spitzfindig, wie er ist, gleich veredeln lassen. Er buhlte um die Ehrenbürgerschaft. Als der Oberbürgermeister neugierig bei Cajkovski nachfragte, warum ihm denn diese Auszeichnung so wichtig sei, erhielt er eine überraschende Antwort: "Habe gehört, Ehrenbürger müssen keine Steuern zahlen."
Tschik war für sein ausschweifendes Erzähltalent bekannt. Einmal berichtete er seinen Bayern-Profis von einem Länderspiel gegen Ungarn: "Ich spielen gegen Puskás, der bekommen keinen Stich! Leider Ungarn 2:0 gewinnen!" Als Gerd Müller vorsichtig nachfragte, wer denn die Tore geschossen habe, erklang eine sehr leise, fast beleidigt klingende Antwort aus dem Munde von Cajkovski: "Puskás!"
Ein anderes Mal erzählte er seiner Mannschaft: "Ich gespielt 22 Jahre, nie verletzt." Wenig später stieß seine Frau Rada zur Runde hinzu. Sie setzte sich zu ihrem Mann und fragte, ohne zu wissen, was dieser kurz zuvor gesagt hatte: "Weißt du noch, Tschik, wie du deinen Fuß vier Monate in Gips hattest?" Die Spieler klopften sich vor Lachen auf die Schenkel.
Eine der herausragenden Eigenschaften von Cajkovski war der Ehrgeiz. Franz Beckenbauer erzählt heute noch mit einem breiten Grinsen von den Tagen mit Tschik: "Beim abschließenden Trainingsspiel hörte er nie auf, bis die Mannschaft, in der er mitwirkte, gewonnen hatte: 'Bis in Nacht, spielen auf Sieg!'" Auch Kölns Wolfgang Overath kann von den täglichen Übungseinheiten eine Geschichte erzählen: "Der Tschik liebte es, vor oder nach dem Training Weltauswahlen zusammenzustellen. Je nach Tagesform der verschiedenen Kandidaten wechselten dann die Namen. Nur die Position des rechten Läufers war immer fest vergeben – Tschik Cajkovski natürlich."
Richtig zufrieden war der jugoslawische Trainer aber vor allem beim Essen. Nicht umsonst taufte ihn Torwart Sepp Maier wegen seiner übergroßen Leidenschaft für die kulinarischen Genüsse des Lebens "Mister Spanferkel". Sepp Maier erklärte: "Niemand störte sich daran, dass er beim Essen immer etwas schmatzte. Und wenn er mit seinem Teller in Rekordzeit fertig war, prompt aufstand und wie ein hungriger Hund um unsere Teller strich, wussten wir schon, was als Nächstes kam. 'Hmm, riecht gut. Was isst du denn da? Pommes frites.' Und schon hatte er sich mit seinen dicken Wurstfingern eine ordentliche Portion vom Teller eines Langsamessers gefischt. 'Schmeckt das Fleisch?' war die nächste Frage, die er sich dann handgreiflich selbst beantwortete."
Seine größte Leidenschaft war aber der Fußball. Als Cajkovski einmal den Coach der Sechziger, Max Merkel, zufällig im Kaufhaus traf, quatschten sie eine lange Weile angeregt über das runde Leder. Nach über einer Stunde gingen beide nach Hause – und hatten ihre Einkäufe komplett vergessen. Wolfgang Overath schüttelt grinsend den Kopf: "Mit dem kannst du sogar in der Kirche nur über Fußball reden." Nur eins konnte Tschik Cajkovski überhaupt nicht haben: wenn jemand mehr redete als er selbst. Aber auch für diesen Fall hatte der lustige Jugoslawe für seine Zuhörer einen launigen Spruch parat: "Wenn einer auf der Pressekonferenz geschwollen daherredet, sind am wenigsten seine Mandeln schuld."
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Quelle: ntv.de