
Ernst Happel, Welttrainer.
(Foto: imago/Sven Simon)
Der österreichische Coach Ernst Happel war ein echter Welttrainer und ausgeprägter Grantler. Sein grimmiges Gesicht schrieb Geschichte, genau wie seine Erfolge als Spieler und Trainer. Heute vor dreißig Jahren verstarb der Mann, der den wunderschönen Satz sagte: "Ein Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag."
Kurz vor seinem Tod sagte Ernst Happel noch einen ganz besonderen Satz: "Für mich hat sich alles gelohnt, und ich bereue nichts." Heute vor dreißig Jahren am 14. November 1992 verstarb nach langer schwerer Krankheit einer der besten Trainer der Fußballgeschichte. Ein Mann, der nach der wunderbaren Devise lebte: "Ein Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag." Mit dem Hamburger SV wurde der gebürtige Wiener zweimal Deutscher Meister und gewann 1983 auch den Europapokal der Landesmeister
Seine Spieler schätzten ihren Trainer, doch wenn Ernst Happel sie "Joker", "Zauberer" oder "Kokosnüsse" nannte, dann wussten sie, dass er sie für die eher weniger begabten Fußballer im Team hielt. Andere Spieler liebte er aufgrund ihres Talents, verzweifelte aber an ihrem Geisteszustand. Ein Journalist zeigte sich dennoch sehr verwundert über Happels drastische Wortwahl ("Dem hat man ins Gehirn geschissen") für den Ausnahmekönner Wolfram Wuttke. Der Österreicher überlegte einen Moment, ob man es nicht auch schöner formulieren könne, antwortete dann aber doch: "Na ja, anders kann ich das nicht ausdrücken, das ist ja Tatsache."
"Da hams nix zum Lachen"
Solche Sätze und sein stets etwas grimmig dreinschauendes Gesicht veranlassten den "Spiegel" zu dem geistreichen Satz: "Der Happel sah nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft so bitter drein wie Quasimodo vor seinem Schlusssprung von Notre-Dame." Leider war da etwas dran, wie Happel einst auch einem Zuschauer in Augsburg anvertraute, der ihn gefragt hatte, warum er immer so grimmig gucken würde. Happel verzog bei der Frage keine Miene und antwortete mit zusammengekniffenen Augen: "Bei dem Job, da hams nix zum Lachen."
Vielleicht deshalb hatte Happel eher selten Lust auf ausgeprägte Kommunikation mit seinen Profis: "Mit Spielern rede ich nicht, mit Spielern operiere ich." Was das konkret bedeutete, zeigt ein Zitat von Dieter Schatzschneider. Der HSV-Stürmer wurde von Journalisten gefragt, ob er denn im nächsten Spiel von seinem Trainer eingesetzt werde. Schulterzuckend antwortete der Lockenkopf: "Das wissen nur der liebe Gott und der Trainer. Und mit beiden spreche ich nicht momentan."
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Warum Happel ("Ich bin kein Freund der Spieler. Ich arbeite auf Distanz") geneigt war, die Gespräche mit seinen Akteuren zu begrenzen, zeigt ein anderes Zitat. Es offenbart die Meinung, die der Trainer allgemein von seinen Profis hatte: "Mein Anspruch: Die Spieler müssen 90 Minuten arbeiten, laufen. Und ich verlange Disziplin. Wir brauchen Spieler von bestimmtem Format: 80 Prozent Hirn, 20 Prozent Technik. Heute sind es oft 20 Prozent Hirn ohne Technik."
Ernst Happel konnte sich solche Dinge leisten. Die Spieler achteten ihn ("Wer den Happel als Trainer hat, hat einen Sechser im Lotto gezogen", Franz Beckenbauer), der Respekt war riesengroß. Die HSV-Profis wussten nicht nur, dass Happel selbst einst ein talentierter Nationalspieler war, sondern auch, dass er Mannschaften besser machen konnte. Sein Ruf aus den Trainerjahren in den Niederlanden bei ADO Den Haag und Feyenoord Rotterdam war legendär. Dort feierte man ihn als modernen Trainer, der mit teils revolutionären Spielideen auch als Wegbereiter des berühmten "Voetbal total" gilt.
"Alles was mit F anfing ..."
Als Bondscoach zog Happel mit den Niederlanden bei der WM 1978 sogar ins Finale gegen den Gastgeber Argentinien ein. Bei seiner ersten Trainerstation in den Haag zelebrierte er auch erstmals einen speziellen Trick im Umgang mit den Spielern. Im Training ließ er eine Dose auf die Torlatte stellen und schoss diese von der 16-Meter-Linie mit dem ersten Versuch hinunter. Anschließend forderte er seine Spieler auf, es ihm gleich zu tun. Wer es schaffte, durfte Duschen gehen.
In Hamburg wiederholte er die Nummer. Bei der allerersten Trainingseinheit schnappte sich Happel einen Ball, ließ eine Dose auf die Torlatte stellen und knallte diese mit einem Schuss hinunter. Danach durfte jeder HSV-Profi einmal ran. Bis auf Franz Beckenbauer scheiterten alle. Happel nahm sich erneut einen Ball, stellte sich an die 16-Meter-Linie und ballerte die Dose noch einmal hinunter. Danach blickte er in die Runde und sagte: "So, jetzt machen wir Konditionstraining!"
Sein ewiger Widersacher Max Merkel kannte aber auch die andere Seite von Ernst Happel: "Alles was mit F anfing, gefiel ihm. Film, Frauen, Feuerwasser, Fidelitas aller Art. Aber auch bei Skat, Poker und Roulette war er dabei." Diesen Worten hätte der österreichische Erfolgstrainer (18 Titelgewinne) wohl selbst nicht widersprochen. Und so sah der Lebemann Happel auch ein anderes Thema eher entspannt: "Ordnung und Disziplin müssen sein. Aber der Spieler muss auch einen regelmäßigen Sexverkehr haben. Fünf Wochen ohne Sex auskommen, das kann er nicht. Er kann es ja nicht aus dem Hirn rausschwitzen." Jimmy Hartwig war seinem Chef für diese Einstellung sehr dankbar: "Trainer Ernst Happel versteht es auch, dass ein Spieler nach 14 Tagen Trainingslager Schweißausbrüche kriegt, wenn er eine Frau sieht."
"In einer Kirche ist es auch nicht schöner"
Happel, der einmal seinem Nationalmannschafts-Keeper Walter Zeman bei einem Freundschaftsspiel im Jahre 1954 den Ball aus Verärgerung ins eigene Netz geschossen hat, behauptete von sich selbst: "Ich sehe es am Hintern, ob einer das Letzte bringt." Seine Idee vom Spiel: "Fußball ist ein intelligenter Sport, ob mit Instinkt gespielt wird, mit Kopf oder Herz ist egal, du musst ihn beherrschen."
Happel selbst lebte den Fußball mit jeder Faser seines Körpers: "Meine schlaflosesten Nächte habe ich jeden Sonnabendnachmittag am Spielfeldrand." Doch der Fußball bot auch solche Momente wie den 25. Mai 1983. Damals spielte der Hamburger SV im Finale des Europapokals der Landesmeister gegen Juventus Turin. Im Rückblick erinnerte sich Ernst Happel immer sehr gerne an dieses besondere Spiel: "Die 1. Halbzeit in Athen - da habe ich die Arme verschränkt und hab' gedacht: Es gibt nichts Schöneres. In einer Kirche ist es auch nicht schöner."
Ernst Happel hat einmal über sich selbst gemeint: "Granteln, granteln, ich muss halt granteln in der Früh. Wenn ich das tu, ist der ganze Tag besser für mich. Wenn ich nicht granteln kann, ist es für mich ein schlechter Tag." Heute vor dreißig Jahren war ein schlechter Tag für den Fußball. Ernst Happel verstarb im Alter von nur 66 Jahren in Tirol.
Quelle: ntv.de