
Klaus Fichtel spielte von 1965 bis 1980 beim FC Schalke, dann nochmal von 1984 bis 1986 - und nochmal im Jahr 1988.
(Foto: IMAGO/Sven Simon)
Klaus Fichtel ist immer noch der älteste Spieler, der je in einer Bundesligapartie auf dem Platz gestanden hat. Noch mit über 43 Jahren war der Mann aus Castrop-Rauxel für seinen FC Schalke 04 aktiv. Dabei hatte ihn der Klub eigentlich schon mit einem großen Abschiedsspiel in die Fußballer-Rente verabschiedet.
"Der Fußball-Club Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. würde sich freuen, Sie zu dem Abschiedsspiel seines langjährigen Spielers Klaus Fichtel, am 26. August 1986, um 20.00 Uhr, im Gelsenkirchener Parkstadion und dem anschließenden Bankett im Hotel Maritim, Gelsenkirchen, zu begrüßen. Der Vorstand." Das war damals das offizielle Schreiben der Königsblauen zum vermeintlich endgültigen Abschied des Mannes aus Castrop-Rauxel, der heute seinen 80. Geburtstag feiert. Doch daraus wurde wieder einmal nichts. Knapp anderthalb Jahre später stand Klaus Fichtel wieder auf dem Platz. Am 17. Februar 1988. Ausgerechnet gegen den SV Werder Bremen. Für seinen FC Schalke 04. Mit mittlerweile über 43 Jahren.
Denn den Königsblauen ging es in dieser Saison überhaupt nicht gut. Der Abstieg aus der ersten Fußball-Bundesliga rückte immer näher und nachdem Präsident Günter Siebert nach dem Rücktritt von Manager Rolf Rüssmann in einem Akt der Panik gleich einen ganzen Haufen an Spielern - unter anderem die Dänen Bjarne Goldbaek und Alex Nielsen, Uwe Tschiskale, Claus-Dieter Wollitz und Rüdiger Abramczik - verpflichtet hatte, war einfach kein Geld mehr in der eh stets klammen Kasse der Schalker. Doch die Mannschaft brauchte dringend noch einen Stabilisator in der Abwehr. Und so kam Klaus Fichtel mehr als anderthalb Jahre nach seinem Abschiedsspiel gegen eine internationale Auswahl um Johan Cruyff und Hans Krankl und den drei Ehrenspielführern der deutschen Nationalmannschaft wieder zurück auf den Platz.
Die Sache ging schief
Im "Kicker" war damals ein Foto eines Spruchbands der Schalker Anhängerschaft abgebildet. Auf dem Banner stand wenig Schmeichelhaftes: "Erst Abi, dann Fichtel. Wann kommt Kuzorra?" Und unter das Bild schrieb die Sportillustrierte: "Immer wieder holten die Schalker alternde Stars zurück. Zum Unwillen der Fans." Und auch Rolf Rüssmann argumentierte bissig - und machte seinen ehemaligen Mannschaftskollegen gleich noch ein Jahr älter, als er über den Schalker Präsidenten Günter Siebert lästerte: "Er hat die Ersatzbänke und die Tribünen der 2. und 1. Liga leergekauft. Aber man kann nicht im Abstiegskampf mit einem 44-Jährigen und grünen Jungs bestehen." Und tatsächlich: Die Sache ging schief. Schalke stieg ab.
So beendete Klaus Fichtel wenig versöhnlich seine große und lange Karriere am 21. Mai 1988 wieder gegen den SV Werder Bremen - bei dem er in den Jahren von 1980 bis 1984 seine einzige Zeit bei einem anderen Verein als dem FC Schalke 04 bestritten hatte - mit 43 Jahren, sechs Monaten und zwei Tagen. Er hält damit bis heute den Rekord des ältesten Profis der Bundesligageschichte. Damals hing im Parkstadion das mittlerweile legendäre Plakat mit der Aufschrift: "Der Wald stirbt, die Tanne steht!" "Tanne" war Fichtels Spitzname, den ihm sein früherer Trainer Fritz Langner verpasst haben soll.
Fichtel und Co. lassen kuriose Situation ungenutzt
Begonnen hatte für Klaus Fichtel alles im Jahr 1965 gegen den VfB Stuttgart. Schnell war der Bergmann von der Zeche Ickern I/II danach nicht mehr aus der vielversprechenden und aufstrebenden Schalker Mannschaft wegzudenken. Und Fichtel erlebte gleich in seinen ersten Jahren so manch unvergessliche Bundesliga-Anekdote. Beim 6:2-Nebeldrama in Dortmund sahen die Spieler über weite Strecken der Partie den Ball nicht. Immer noch verwundert über dieses skurrile Ereignis, meinte Fichtel später einmal lächelnd: "Ich stand hinten in engem Kontakt mit Norbert Nigbur. Da haben wir uns schon gewundert, dass es immer weiterging. Man musste sich ja schon gegenseitig über den Spielstand informieren."
"Ein vielseitiger Mann: Schalkes Abwehr-Chef Klaus Fichtel" schrieb im Oktober 1970 die "Fußball-Woche" neben das Bild auf dem Cover ihres Magazins. Zuvor hatte Fichtel bei der WM 1970 nicht nur seinen Mann gestanden, sondern auch eine weitere kuriose Geschichte seiner Karriere erlebt. Denn beim Anpfiff zur zweiten Halbzeit der Partie zwischen Deutschland und Marokko standen damals nur zehn Marokkaner auf dem Platz - Torwart Allal war noch in der Kabine. Doch die deutsche Mannschaft konnte diese missliche Lage nicht nutzen. Hinterher meinte Fichtel etwas ernüchtert: "Leider haben es nur wir Abwehrspieler gemerkt."
Doch trotz der sportlich sehr erfolgreichen Wochen in Mexiko war Klaus Fichtel als Kind des Ruhrgebiets und als echter Bergmann stets mit den Gedanken zu Hause bei seiner Familie - und den Tauben. Fast täglich erkundigte sich Fichtel aus dem heißen Mexiko per Telefon nach dem Wohlbefinden seines geliebten Federviehs. Seinem Hobby ist Fichtel ebenso wie dem Galoppsport stets treu geblieben. Und seine Tauben gaben ihm auch die Kraft, die schwere Zeit des Bundesligaskandals zu überstehen. Fichtel, der eigentlich vom 18. März 1973 bis zum 17. März 1975 gesperrt war, wurde allerdings vorzeitig begnadigt und konnte bereits am 26. Januar 1974 wieder zu seinem Team auf den Platz zurückkehren. Zwischenzeitlich hatte er im Sommer 1973 jedoch einmal daran gedacht, den Verein zu wechseln: "Ich verlasse Schalke. Bis zum 20. Juli ist alles klar!"
"Ich bleibe lieber im Westen"
Daraus wurde allerdings nichts. Vermutlich war ihm das sogar ganz recht, denn er meinte einmal: "Berlin gut und schön. Ich bleibe lieber im Westen. Ich würde selbst ein Angebot Schalkes oder eines anderen Westklubs akzeptieren, das um 20.000 Mark niedriger liegt als das Berlins oder Bayerns." Doch zur Spielzeit 1980/81 wechselte er schließlich nach Bremen. Werder-Trainer Otto Rehhagel, der gelernte Anstreicher aus Essen, hatte Fichtel in die Hansestadt gelockt. Später erklärte Rehhagel einmal den Grund für Fichtels Verpflichtung und der anderer alternder Stars: "Für den wichtigsten Posten in der Mannschaft brauchte ich gestandene Leute, die verantwortungsbewusst und verheiratet sind. Junggesellen sind da oft leichtsinnig und kicken manches Mal dahinten nur herum, deshalb habe ich Pezzey und Fichtel sowie Bratseth geholt." Fichtels Zeit in Bremen war äußerst erfolgreich. Als er mit 39 Jahren zum FC Schalke 04 zurückkehrte, stand Werder wesentlich besser da, als vier Jahre zuvor, als er zu einem Zweitligisten nach Bremen gekommen war.
- Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
Jüngst ist das Buch "Ein Tor würde dem Spiel guttun. Das ultimative Buch der Fußball-Wahrheiten" frisch in einer aktualisierten und erweiterten Neuauflage erschienen!
Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.
Die deutschen Triumphe bei der Europameisterschaft 1972 und bei der Weltmeisterschaft 1974 verpasste Klaus Fichtel wegen seiner Beteiligung am Bundesliga-Skandal. Mit Schalke holte er jedoch 1972 den DFB-Pokal. Und in der Saison 1976/77 standen die Königsblauen mit Fichtel ganz kurz vor einem weiteren Titelgewinn. Der "Schalker Kreisel" schrieb damals am 21. Mai 1977 auf seinem Cover: "Traum kann Wirklichkeit werden: Ist diese Elf der neue Meister?" Und darunter: "So spannend war es selten in der Bundesliga. Erst am heutigen letzten Spieltag wird die Deutsche Meisterschaft zwischen Borussia Mönchengladbach und Schalke 04 entschieden. Erobert diese Schalker Elf - fotografiert beim letzten Heimspiel gegen Hertha BSC (es fehlt Branko Oblak) - nach 19 Jahren wieder den Titel?" Auf dem Foto waren dann Spieler abgebildet, deren Namen Fußballfans heute noch mit der Zunge schnalzen lassen: Helmut Kremers, Abramczik, Lütkebohmert, Fichtel, Erwin Kremers, Bittcher, Bongartz, Sobieray, Rüssmann, Maric und Fichtel.
Mittagsschlaf auch am Geburtstag?
Doch am Ende reichte es nicht für die Meisterschaft. Die Stimmungslage am entscheidenden 34. Spieltag auf Schalker Seite beschrieb Hannes Bongartz später so: "Vor dem Spiel hatten wir noch das Gefühl, an der Steckdose geschlafen zu haben. Wie der Abpfiff kam, hat man sich einfach nur umfallen lassen. Das war so, als wenn man erschossen würde!" Ihr eigenes 4:2 gegen Dortmund reichte den Königsblauen nicht, weil zeitgleich die Gladbacher beim 2:2 in München bei den Bayern einen Zähler holten.
Klaus Fichtel wurde einmal nach seinem Geheimnis gefragt, wie er 552 Bundesligaspiele absolvieren und noch im hohen Alter von 43 Jahren Fußball spielen konnte. Der Mann aus Castrop-Rauxel hat darauf geantwortet: "Mein täglicher Mittagsschlaf." In der Hoffnung, dass dieser auch am Tag des 80. Geburtstags nicht ausfallen muss: Alles Gute und Glück auf, lieber Klaus "Tanne" Fichtel!
Quelle: ntv.de