Redelings über die Legende Eichberg Der kleine Sausack und das Dollarzeichen
13.09.2016, 09:34 Uhr
Schalkes Ex-Präsident Günter Eichberg wird von Gelsenkirchener Fans frenetisch gefeiert.
(Foto: imago sportfotodienst)
Vor 25 Jahren stieg Schalke unter ihm in die 1. Liga auf: Günter "Sonnenkönig" Eichberg. Man bezeichnete ihn als "Kamikaze Günter" und "Professor Windmacher". Er selbst nannte sich "Streetfighter". Ein buntes Leben voller Anekdoten!
Über den ehemaligen Schalker Präsidenten Günter Eichberg sagte einmal dessen Freund und Fotograf Hennes Multhaup: "So viele Geschichten wie der Günter uns geliefert hat, müsste er eigentlich eine Rente von der Bild beziehen!" Anfang der 90er-Jahre kursierte auf Schalke unter den Spielern folgender Witz über den "Sonnenkönig": "Nachts in der Sahara. Ein Mann zündet sich eine Zigarette an. Drei Kilometer weiter entfernt steht Günter Eichberg und lächelt sofort. Er dachte, es sei ein Fotograf mit Blitzlicht!"
Sein Nachfolger als Präsident auf Schalke, Bernd Tönnies, meinte: "Herr Eichberg hatte Vorstellungen vom Reichsein, wie man sie aus schlechten Filmen kennt. Das ist einem westfälischen Bauernsohn wie mir sehr suspekt." Dazu passt das Zitat von Eichberg selbst: "Ich komme von ganz unten. Deshalb passe ich oben ganz genau auf."
Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".
Warum das dennoch mit ihm und Schalke in die Binsen ging, beschreibt ein Spruch des königsblauen Unikums Charly Neumann über seinen Freund Günter: "Er kann nicht nein sagen. Wenn er eine Frau wäre, hätte er bestimmt schon 20 Kinder." "Damals dachten wir", erinnert sich der Verwaltungsratsvorsitzende Volker Stuckmann, "da kommt der Weihnachtsmann." Das ist zwar knapp daneben gewesen, aber Kohle brachte der Mann dennoch reichlich mit: "In Schalke kaufe ich mir Lebensfreude. Nein, stopp, ich erwerbe sie - das klingt besser."
Als die Eintracht in die Röhre guckte

Der Sonnenkönig bittet zur Audienz: Vereinspatron Eichberg in seinem bescheidenen Arbeitszimmer.
(Foto: imago sportfotodienst)
Ein großes Thema von Eichbergs Regentschaft auf Schalke waren seine Transfers. Der Sonnenkönig hat einmal gesagt: "Ich mag ehrgeizige, willensstarke Spieler. Obwohl man natürlich auch sagen muss: Ein allzu eiserner Wille fängt leicht zu rosten an." Leider scheiterte ein Jahr nach der WM 1990 sein großer Überraschungscoup. Kurz vor der Vertragsunterzeichnung war der Kameruner Lambadatänzer Roger Milla plötzlich irgendwo unauffindbar "im Busch verschwunden" (Eichberg).
Vermeintlich mehr Glück hatte Günter Eichberg mit dem Dänen Bent Christensen. Die Geschichte seines Wechsels zu Schalke ist legendär: "Bent hat in dem Jahr Eintracht Frankfurt und Bayer Leverkusen im Alleingang durch sechs oder sieben Tore aus dem Uefa-Cup geschossen. Er war begehrt bei vielen europäischen Vereinen, bei denen bestimmt viel mehr Geld da war als bei Schalke 04. Durch geschickte Taktiererei und viele Gespräche, die wir da geführt haben in Kopenhagen, ist es uns gelungen, denen allen eine lange Nase zu zeigen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass wir einen Vertrag hatten, den Bernd Hölzenbein bereits fix und fertig für Eintracht Frankfurt ausgehandelt hatte. Wir sind dann selbst nach Kopenhagen gefahren und haben genau diesen Vertrag in der Nacht mit den Leuten von Bröndby im Hotel durchgearbeitet. Überall dort, wo Eintracht Frankfurt stand, haben wir Schalke 04 hingeschrieben, und weil die Frankfurter nur Ratenzahlung machen wollten, haben wir das durchgestrichen und Barzahlung hingeschrieben. Und was soll ich sagen: Das hat denen von Bröndby wohl irgendwie gefallen!"
Der spektakuläre Mihajlovic-Deal

Günter Eichberg gelang es unter anderem, Radmilo Mihajlovic (2.v.l.) zum FC Schalke 04 zu locken.
(Foto: imago sportfotodienst)
Der Transfer von Radmilo Mihajlovic zum FC Schalke 04 war fast noch eine Spur spektakulärer. Wieder aus der Sicht von Eichberg geschildert: "Da sind abenteuerliche Sachen im Umlauf. Wahr ist Folgendes - und das ist keine Geschichte, in der ich besonders gut abschneide. Ich war damals selbst in München. Niemand anderes. Und die Ablösesumme mit Bayern war relativ schnell fix. Die haben mir gesagt, du kannst den McInally kriegen oder den Mihajlovic. Einer von beiden konnte damals bei Bayern nur spielen. Ich habe mich für Mihajlovic entschieden.
Die Ablösesumme, das waren damals auch fünf Millionen, die habe ich höchstpersönlich bezahlt und - bis zum heutigen Tag - nicht einen Pfennig davon zurückbekommen. Das ist die Wahrheit, und was immer da geschrieben und von wem auch immer behauptet wird, ist totaler Stuss. Und das ist hinterher auch noch weiter gegangen, weil er ein Handgeld bekam, das musste auch noch versteuert werden - das hatte er natürlich nicht getan, er hatte es nach Jugoslawien geschafft. Da musste ich dann auch noch die Steuern dafür bezahlen.
Bei den Verhandlungen war ich mit ihm um nur eine Ecke auseinander, was seine eigenen Bezüge anging. Und das Gespräch hat in der Wohnung meines Bruders, der in München wohnte, stattgefunden, also im privaten Zirkel. Mic ging allerdings öfter ans Telefon, und offenbar waren auf der anderen Seite Fritz Scherer, der damals Bayern-Präsident war, und Uli Hoeneß, der schon Manager war. Und die haben ihm immer ins Ohr geflüstert, was er mir sagen soll.
Irgendwann war ich es mal leid und wir waren noch um eine Ecke auseinander. Da habe ich gesagt: 'Pass mal auf, Mic, gib das Formular mal her. Ich unterschreib jetzt den Vertrag und habe das Handgeld offengelassen. Ich gehe jetzt auf die Toilette, und wenn ich wieder komme, hast du da eine Zahl eingesetzt und unterschrieben oder eben nicht.'
Und als ich dann wieder kam, habe ich gesehen, dass er eine Zahl eingesetzt hatte, die eher in der Nähe dessen war, was ich mir in unserem Gespräch so vorgestellt hatte - nicht das, was er gedacht hatte. Erst drei Tage später habe ich dann bemerkt, als ich mir das noch einmal angeguckt habe, dass dieser kleine Sausack ein Dollarzeichen davor gemacht hatte. Da war dann nichts mehr zu machen und wurde auch bezahlt und irgendwann vergessen. Vergeben aber bis heute nicht."
Mit Auszügen aus Ben Redelings' aktuellen Buch: "Die Bundesliga, wie sie lebt und lacht: Zum Schießen komische Momente von Ahlenfelder bis Zebec" bei Amazon bestellen. Außerdem ist er gerade live mit seinen Programmen unterwegs: Infos und Tickets zur Tour.
Quelle: ntv.de