Redelings Nachspielzeit

Lieber zu "Wetten, dass …?" Die irre Arbeitsverweigerung des "Icke" Häßler

Wettkönig Kurt Rothenfluh neben Gottschalk und "Icke" schaut interessiert hin.

Wettkönig Kurt Rothenfluh neben Gottschalk und "Icke" schaut interessiert hin.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Der Weltmeister Thomas Häßler sorgte vor genau zwanzig Jahren mit einer seltsamen Aktion vor einem Millionenpublikum für Aufsehen. Statt mit seinem Verein zu einem Auswärtsspiel zu reisen, nahm Häßler lieber an Thomas Gottschalks "Wetten, dass …?" teil. Und das kam gar nicht gut an!

"Ich will nur klarstellen, dass ich immer versuche, alles zu geben, ob mit Schnupfen oder einem Kühlschrank auf dem Rücken." Weltmeister Thomas "Icke" Häßler war schwer angeschlagen. Am Wochenende zuvor hatte er seinen Dienst als Spieler seinem Arbeitgeber, dem TSV 1860 München, verweigert. Statt nachmittags zum Auswärtsspiel in Leverkusen zu fahren, war er lieber abends als prominenter Gast zur TV-Sendung "Wetten, dass …?" gegangen. Eine klassische Arbeitsverweigerung der übleren Sorte - und das vor einem doppelten Millionenpublikum.

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Nach seinem öffentlichen Fauxpas war Häßler bereits am nächsten Tag viel daran gelegen, die Wogen wieder zu glätten und klarzustellen, dass er auch in seiner 17. Saison als Fußballprofi immer noch voll bei der Sache sei. Doch daran bestanden berechtigte Zweifel - denn die Art und Weise seiner Arbeitsverweigerung kam verständlicherweise bei seinem Trainer überhaupt nicht gut an: "Wenn ein Spieler nicht leistungswillig ist, dann ist das schon sehr enttäuschend". Und der Österreicher Peter Pacult, mit 42 nur sieben Jahre älter als sein Spieler, legte noch nach: "Der Thomas ist da in eine Situation reingeritten, in der das Thema jetzt zu Recht hochgehalten wird." Doch was war eigentlich genau passiert?

"Er hat uns im Stich gelassen"

Nach dem Abschlusstraining am Freitag war Häßler zu seinem Coach gegangen und hatte diesem erklärt, dass er unter der Woche schlecht trainiert habe und deshalb lieber zu Hause bleiben würde. Peter Pacult dazu: "Eigentlich ist er nur auf Verdacht zu mir gekommen, weil er vorher im Training kein gelbes Leiberl bekommen hatte." Und tatsächlich wollte der Weltmeister von 1990 zuerst nur testen, ob er denn wirklich nicht für die Startelf vorgesehen sei. Als Pacult ihm sagte, dass er nur als Ersatzspieler mitfahren würde, habe ihm Häßler erklärt, für 20 Minuten könne er der Mannschaft nicht helfen.

Offensichtlich war der Trainer des TSV 1860 München im ersten Moment wahrhaft irritiert ob der Worte Häßlers, denn er ließ seinen Spieler tatsächlich gewähren - und zu Hause. Am nächsten Tag allerdings, nach einer enttäuschenden 4:0-Klatsche in Leverkusen, hörte sich das schon ganz anders an: "Wenn er sagt, er hat nicht gut trainiert, muss er sich fragen lassen, warum er schlecht trainiert." Der Münchener Übungsleiter kündigte Konsequenzen an: "Das kann man nicht ad acta legen, es gibt schließlich Arbeitsverträge." Und auch Präsident Karl-Heinz Wildmoser war mehr als sauer: "Wenn Thomas keine Lust hat, soll er uns das sagen. So geht das nicht. Darüber müssen wir sprechen, er kriegt eine Strafe aufgebrummt." Einmal in Rage ergänzte Pacult noch: "Wenn einer keine Leistung bringen will, dann soll er zu Hause bleiben. Aber es gibt Stimmen in der Mannschaft, die sagen, er hat uns im Stich gelassen."

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Diese Worte seines Arbeitgebers muss Häßler trotz des "Wetten, dass …?"-Termins am Abend noch mitbekommen haben. Denn direkt am Sonntagmorgen nach der Sendung entschuldigte sich Thomas Häßler bei der Mannschaft für sein Verhalten. Er habe eingesehen, dass sich seine Kameraden von ihm im Stich gelassen gefühlt haben müssen. Sein Trainer konnte allerdings - trotz der Strafe, die Häßler aufgebrummt bekam - noch nicht so schnell über die Sache hinwegsehen. Indirekt machte sich Pacult ob des seltsamen Verhaltens sogar Sorgen um den Weltmeister von 1990: "Ich weiß nicht, was er hat und was ihm fehlt. Aber er muss jetzt Flagge zeigen und darf sich nicht verstecken. Die Mannschaft braucht ihn."

Moshammer und Daisy sind auch da

Und tatsächlich sollte Thomas Häßler schon eine Woche später im Heimspiel gegen den FC St. Pauli wieder auflaufen - auf ungewohnter Position als Libero. Doch der nur 1,68 Meter kleine Häßler wollte nach dem 4:2-Sieg nicht klagen: "Es hat Spaß gemacht. Aber in der ein oder anderen Situation hat man schon gesehen, dass ich das zum ersten Mal gemacht habe." Tatsächlich blieb der gebürtige Berliner noch ein weiteres Jahr beim TSV 1860 München, bis sein Vertrag aus sportlichen und finanziellen Gründen nicht mehr verlängert wurde.

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Aber wie war es denn eigentlich für Thomas Häßler bei Thomas Gottschalk am Samstagabend? Hat sich die Arbeitsverweigerung wenigstens gelohnt? Schwierig zu sagen. Lobeshymnen in der Presse las man eher nicht. Vielleicht lag das auch an der verlorenen Saalwette. In der 135. Sendung "Wetten, dass …?", erstmals aus München, sollte der schillernde Modemacher Rudolph Moshammer das Siegestor dirndlförmig verkleiden - und scheiterte kläglich. So blieb Moderator Thomas Gottschalk allerdings wenigstens erspart, einen Tag den Chauffeur für Moshammer und dessen Hündchen Daisy zu spielen.

Wettkönig des Abends wurde Kurt Rothenfluh aus Buchrain in der Schweiz. Und zu diesem Titel hatte ihm u.a. auch Thomas Häßler verholfen. Denn obwohl Rothenfluh, ein ehemaliger Reserve-Spieler des Schweizer Drittligisten FC Biel, seine Wette - einen Fußball in zwei Minuten öfter zu jonglieren als drei Profis (neben Häßler noch Matthias Zimmermann von der SpVgg Unterhaching und Stefan Effenberg) zusammen - verlor, wählte man ihn zum Wettkönig. Zimmermann, der schon Wochen vor der Sendung von Trainer Adrion beim Zweitligisten aussortiert worden war, meinte nach dem Abend bei "Wetten, dass …?": "Der Auftritt hat gepasst. Ich fühle mich eh als Pausenclown." Ein Satz, der an diesem Wochenende allerdings auch vom Arbeitsverweigerer Thomas Häßler hätte stammen können.

Quelle: ntv.de

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