Da war Italiens Star verdutzt Die unglaubliche Ansage des Walter Eschweiler
13.03.2022, 07:24 Uhr
Eschweiler ist ein Unikat - das weiß man sogar international.
Vor 40 Jahren sorgt der deutsche Schiedsrichter Walter Eschweiler international für Begeisterung und so manchen Lacher. Beim Länderspiel zwischen Frankreich und Italien richtet das rheinische Unikat eine Ansage an einen italienischen Nationalspieler - die heute so nicht mehr denkbar wäre.
"Stehen Sie sofort auf, der Papst schaut der Direktübertragung zu!" Italiens Nationalspieler Gabriele Oriali schaute verdutzt nach oben. Über ihn gebeugt stand der deutsche Schiedsrichter Walter Eschweiler und reichte ihm seine rechte Hand. Oriali sah noch einmal sichtlich irritiert zum Schiri hinauf, ergriff dann die Hand und erhob sich ohne weitere Widersprüche. Vergessen waren auch sogleich seine vier Pirouetten am Boden nach einem harmlosen Rempler seines französischen Gegenspielers.
Walter Eschweiler hatte es mal wieder geschafft. Nur mit ein paar geschickt gewählten Worten hatte er eine brenzlige Situation entschärft. Seine Aktion sorgte international für Begeisterung - und manchen Lacher. Nun hatte man die "Pfeife mit der Pfeife" (so Eschweilers Selbstbeschreibung) endlich auch abseits der Bundesliga kennengelernt. Rechtzeitig vor einem weiteren Höhepunkt, der in diesem WM-Jahr noch folgen sollte.
"Die Leistung eines Schiedsrichters ist mit irdischen Gütern nicht zu bezahlen. Die Augen sehen sowieso nicht viel. Ein guter Schiedsrichter sieht immer auch mit seinem Herzen." Was sich liest wie ein Auszug aus dem Buch "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry, sind die Worte des Mannes, der sich selbst auch gerne als die "Pfeife der Nation" bezeichnete. Der Diplomat Walter Eschweiler meinte einmal: "Ich bin aus Bonn, aber sonst nicht vorbestraft." Das Unikum der Bundesliga hielt sich auf und abseits des Platzes an folgende Maxime: "Schiedsrichter dosieren Wein, Weib und Gesang. Das beflügelt sie zu sehr guten Leistungen."
"Ich war ein schlechter Fußballer"
Die Karriere und das Leben haben Walter Eschweiler zu einer der wenigen wahren Schiri-Legenden des Profifußballs werden lassen. Und dabei fing alles ganz harmlos an: "Ich war ein schlechter Fußballer, hatte den Fuß gebrochen und durfte nicht mehr Fußball spielen. Und so nahm das Glück der Pfeife mit der Pfeife seinen Verlauf, und ich bin 30 Jahre durch die ganze Welt gekommen."
Und das stets mit einer ganz eigenen Taktik: "Vorbeugen ist besser, als die Spieler zu bestrafen. Ein flotter, freundlicher Spruch in hektischen Situationen entkrampft das Spiel." Genau so, wie damals Ende Februar 1982 in Frankreich beim Italiener Gabriele Oriali, hat es Eschweiler immer auf dem Platz gehalten. Als der Duisburger Herbert Büssers in der 86. Spielminute einmal vehement einen Elfmeter für seine Mannschaft forderte, schüttelte der lustige Schiedsrichter aus Bonn nur mit dem Kopf: "Herr Büssers, es tut mir leid. So spät kann man keinen Elfmeter mehr geben." Oder als der Frankfurter Weltmeister Bernd Hölzenbein kurz nach der WM 1974 wieder einmal im gegnerischen Strafraum fiel, eilte Eschweiler umgehend zu ihm und beugte sich zu Hölzenbein hinunter: "Bernd, stehen Sie schnell wieder auf. Das sitzt noch nicht richtig, das müssen wir noch einmal üben!" Hölzenbein fackelte nicht lange, erhob sich und die Situation war entspannt aufgelöst worden.
"Der war konsterniert genug!"
Legendär ist auch die Geschichte mit "Kaiser" Franz Beckenbauer. Noch Jahre später zeigte sich der Kölner Hannes Löhr begeistert von dieser einmaligen Szene Eschweilers mit dem Ehrenspielführer: "Der kriegt es fertig, den Franz Beckenbauer nach seinem Namen zu fragen und den auch noch buchstabieren zu lassen." Und so unglaublich es klingen mag, genau so ist es tatsächlich passiert. Als der Bayern-Profi mal wieder etwas rustikaler zulangte, fragte Eschweiler den verdutzten Nationalspieler nach seinem Namen. Der "Kaiser" schaute den Schiri lange und irritiert an und winkte dann mit der Hand ab. Doch die "Pfeife der Nation" ließ nicht locker. Und fragte noch zwei weitere Male nach dem Namen, bis ihn der "Kaiser" endlich sagte: "Na, Beckenbauer, was denn sonst!?" Daraufhin nickte Eschweiler nur kurz und sagte dann: "Können Sie das bitte buchstabieren, junger Mann!" Der bayerische Nationalspieler lief kopfschüttelnd von dannen. Und Eschweiler sagt aus der Erinnerung heraus: "Da brauchte ich gar keine Karte zeigen. Der war konsterniert genug!"
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Die allermeisten Fußballfans kennen die "schwarze Diva" jedoch vor allem durch eine legendäre Szene nur wenige Monate nach der Zusammenkunft mit Oriali im Parc des Princes von Paris. Damals bei der WM 1982 wurde Eschweiler vom peruanischen Spieler Velasquez, "mit einer Figur wie ein Orang-Utan" (O-Ton Eschweiler), über den Haufen gelaufen. Der rheinische Diplomat machte eine Rolle rückwärts, fasste sich an seine Zähne und blieb für einen Moment benommen am Boden sitzen. Anschließend rappelte er sich auf, suchte auf dem Rasen schnell seine "Buchhaltung" zusammen und stand kerzengrade auf dem Platz. "Eine deutsche Eiche wankt, aber sie fällt nicht", meinte Eschweiler hinterher. Und außerdem habe er sich beeilen müssen, da eine Ärztin auf den Platz gelaufen sei, die sich ihm mit den Worten "Hello, I'm a doctor for animals" vorgestellt habe. Das habe ihn dann doch etwas verwirrt.
Sogar Genscher ist besorgt
Den Beamten im diplomatischen Dienst erwartete schließlich in der Halbzeitpause sein Chef am Funkgerät. Außenminister Hans-Dietrich Genscher fragte Eschweiler besorgt, wie es ihm gehe. Doch die rheinische Frohnatur konnte Genscher beruhigen. Nur ein paar Minuten, nachdem er während eines laufenden WM-Spiels benommen auf dem Rasen gelegen hatte, antwortete Walter Eschweiler bereits wieder gewohnt pointiert: "Lieber Herr Minister, außer dem angeborenen Dachschaden liegt keine nennenswerte Beschädigung vor."
Mit dieser Aktion hatte sich Walter Eschweiler endgültig ein Denkmal gesetzt. Denn als er 2002 bei der WM in Südkorea am Flughafen eintraf, empfing ihn ein Beamter mit den Worten: "Hello referee Rolle rückwärts, welcome in Korea". Und Gabriele Oriali, da kann man sicher sein, wird sich auch heute noch an seine ganz spezielle Begegnung mit einem deutschen Schiedsrichter auf dem Pariser Rasen vor genau vierzig Jahren mit einem Lächeln erinnern.
Quelle: ntv.de