
Robin van Persie konnte kaum glauben, was da passiert war.
(Foto: IMAGO/Pro Shots)
Am Wochenende hat sich in der niederländischen Eredivisie eine höchst seltene Kuriosität im Profifußball abgespielt. Denn der FC Sittard stand über eine Minute, von den Schiris unbemerkt, mit 12 Mann auf dem Feld und erzielte kurz darauf ein Tor. Und niemand weiß so recht, wie damit umzugehen ist.
"Zwölf gegen elf. Ich wusste nicht, dass das erlaubt ist. Aber anscheinend ist es möglich." Der frühere niederländische Nationalspieler Robin van Persie hat eine Menge in seiner langen Karriere gesehen, aber das, was ihm am Wochenende als Trainer von Heerenveen passierte, kannte der ehemalige Profi so auch noch nicht. Und tatsächlich ist die Geschichte kaum zu glauben! Denn als Fortuna Sittard in der Eredivisie, der höchsten niederländischen Profiliga, sich am Samstag beim Stand von 2:1 für Heerenveen in der 88. Minute einen Eckball erkämpfte, standen 12 Akteure von Sittard 11 Spieler von Heerenveen gegenüber - wie man auf kurios anmutenden TV-Bildern deutlich sehen kann.
"Es kann doch nicht sein, dass sie vor dem Einwurf und der Ecke eine Minute lang mit zwölf Mann spielen", beschwerte sich ein sichtlich aufgebrachter van Persie im Anschluss an die Partie zurecht über den irren Wechselfehler. Denn dass dem Schiedsrichtergespann kollektiv diese Panne unterlief, sorgte nicht nur beim Trainer des SC Heerenveen, sondern auch bei einem staunenden TV-Publikum für Verwunderung - und mächtig Ärger. Robin van Persie sprach anschließend von einem "Haufen Amateure", die die Begegnung geleitet hätten und wiederholte mehrmals kopfschüttelnd: "Es heißt elf gegen elf und nicht zwölf gegen elf, oder?!"
Denn das Problem war: Der Fehler des Schiedsrichtergespanns blieb nicht ohne Folgen. Tatsächlich holte Fortuna Sittard in Überzahl erst einen Einwurf und anschließend einen Eckball heraus. Erst dann griff der vierte Offizielle nach einer Beschwerde von van Persie und seinem Team in die Partie ein und holte den zwölften Mann von Sittard vom Feld. Im Anschluss fiel dann das 2:2. "Ich finde das wirklich skandalös", sagte Heerenveens Coach nach dem Spiel. Denn auf dem Feld hatte er direkt nach dem Tor für Sittard den vierten Offiziellen gefragt, ob man in diesem Fall nicht etwas machen könne. Zum Beispiel das Tor zurückzunehmen. Doch dafür sahen sich die Schiedsrichter nicht befugt. Nach der Partie meinte Robin van Persie dann, dass sein Klub keine Beschwerde einlegen werde.
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In der Bundesliga waren es nie zu viele, nur zu wenige Spieler
Nun geht der Fall jedoch auf einem anderen Weg weiter. Der niederländische Fußballverband (KNVB) ist sich selbst nämlich nicht sicher, wie man regelkonform mit dem völlig ungewohnten Sachverhalt umgehen solle. Und so wird man nach den Stellungnahmen der Vereine und des Schiedsrichters das internationale Regelgremium IFAB kontaktieren, um gemeinsam diesen kuriosen Fall zu analysieren und eine Lösung zu finden. Man darf gespannt sein, wie die IFAB die Sache sehen und bewerten wird. Denn dass ein Spieler im Profibereich zu viel auf dem Rasen steht, ist eher ungewöhnlich. Zu wenige Akteure hat es, wenigstens in der Geschichte der Bundesliga, schon häufiger gegeben, wie zwei unvergessliche Fälle aus den 70er-Jahren zeigen.
In der Saison 1973/74 trafen am 32. Spieltag der FC Bayern München und der VfL Bochum im Olympiastadion aufeinander. Anpfiff war wie immer um 15.30 Uhr, doch der VfL landete damals erst um 14.15 Uhr auf dem Flughafen München-Riem. Trotz eines Polizei-Geleitschutzes standen zum Anpfiff nur neun Spieler (!) der Blau-Weißen auf dem Rasen, von denen sich zwei auch noch die Schuhe zubinden mussten. Eine irre Situation für die versammelte Zuschauerschaft im Olympiastadion und für alle beteiligten Spieler auf dem grünen Rasen. Trotzdem ging der VfL damals nach acht Minuten sogar in Führung. Am Ende hieß es allerdings erwartungsgemäß 5:1 für den großen FC Bayern.
Und auch bei dem anderen kuriosen Ereignis Mitte der Siebzigerjahre stand der VfL Bochum mit auf dem Platz. 29.800 Zuschauer sahen damals die Begegnung des vierten Spieltags der Saison 1974/75 zwischen dem VfL Bochum und dem FC Schalke 04 an der Castroper Straße. 1:1 stand es zur Pause nach Toren von Rüdiger Abramczik für die Königsblauen und Werner Balte für den VfL. Und dann passierte das, wovon sich die Leute im Ruhrgebiet noch heute mit leuchtenden Augen erzählen. Denn am nächsten Tag stand in der Zeitung: "Beim Geschäft hörte er keinen Pfiff!"
Schalke-Torwart auf der Toilette eingeschlossen
Mit "er" war damals der Torhüter des FC Schalke 04, Norbert Nigbur, gemeint. Doch was war passiert? Als der Schiedsrichter der Partie, Volker Roth, auf der damaligen Baustelle Ruhrstadion die zweite Halbzeit anpfiff, war der königsblaue Keeper nicht auf dem Feld. Doch das bemerkte erst einmal niemand. Viele Jahre später erinnerte sich VfL-Torjäger Jupp Kaczor jedoch ziemlich genau an diese unglaublichen Minuten: "Wir hatten nach der Halbzeit Anstoß, ich krieg den Ball zugespielt, und auf einmal ein Aufschrei im Stadion, als wenn ich ein Tor gemacht hätte. Ich hab gedacht, die freuen sich, weil ich den Ball gut gestoppt hab. Ich spielte den Knicker weiter, und da sah ich aus den Augenwinkeln, wie der Nigbur aufs Feld gerannt kam und in sein Tor hetzte. Hinterher haben wir erfahren, dass sie ihn in der Toilette eingeschlossen hatten."
Das behauptete wenigstens anschließend ein Mitspieler von Kaczor. Der gab kleinlaut zu Protokoll, dass er beim Verlassen der eigenen Kabine an der von den Schalkern vorbeigekommen sei und kurzerhand den Schlüssel - der von außen steckte - im Schloss herumdrehte. Warum er das tat, wusste er angeblich hinterher auch nicht mehr so genau. Nigbur selbst erzählte später: "In der Pause ging ich auf die Toilette, wo ich mich relativ lange aufhielt. Als ich zurückkam, waren die Mannschaften schon auf dem Feld. Rolf Rüssmann stand völlig entsetzt im Tor, weil der Schiedsrichter schon angepfiffen hatte. Als ich alleine aufs Feld wollte, wurde ich von einem Polizisten angehalten: 'Hier kommt niemand durch!' Erst als ich ihm klarmachte, dass ich der Schalker Torhüter wäre, ließ er mich mit einem skeptischen Blick passieren. Die Leute haben furchtbar gelacht, und der Schiedsrichter machte sich hinterher die größten Vorwürfe."
Was die Mannschaft von Fortuna Sittard und das Team des VfL Bochum allerdings unterscheidet: Während die Niederländer gegen den SC Heerenveen am vergangenen Wochenende ihre Überzahl direkt zu nutzen wussten, spielte der VfL Bochum damals minutenlang gegen eine gegnerische Mannschaft ohne Torwart und schoss nicht einmal auf den königsblauen Kasten. Und so blieb die ganze Geschichte für den FC Schalke 04 folgenlos. Bis auf die wunderbare Anekdote, die man sich auch heute noch gerne im Ruhrgebiet erzählt.
Quelle: ntv.de