Redelings Nachspielzeit

"Den Sparwasser fress' ich auf" Als der FC Schalke 04 gegen Magdeburg fatal kollabierte

Sparwasser und Rüssmann.

Sparwasser und Rüssmann.

(Foto: imago sportfotodienst)

Am heutigen Samstag empfängt der FC Schalke 04 den 1. FC Magdeburg zum Spitzenspiel in der zweiten Bundesliga. Es ist das Aufeinandertreffen zweier Traditionsklubs mit einer gemeinsamen Vergangenheit. Jürgen Sparwasser erzählt in einem bemerkenswerten Interview einige kuriose Geschichten über diese Zeit.

Der Auflauf vor dem "Hotel International" in Magdeburg war riesig. Und so verteilten die Schalker Spieler rund um das königsblaue Vereinsunikum Charly Neumann damals im Herbst 1977 genau 1000 Vereinsnadeln, 2000 Wimpel, 4000 Mannschaftsposter und 10.000 Autogrammkarten an die vielen Hundert Fans, die es sich unter den Blicken der Volkspolizei und Staatssicherheit nicht hatten nehmen lassen, den Kickern aus der Bundesliga so nah wie möglich zu kommen. Anlass war damals das Hinspiel im Europapokal zwischen dem 1. FC Magdeburg und dem FC Schalke 04, zu dem der Klub aus dem Revier extra einen Tag früher angereist war.

"Das neue Schalker Echo" wird rund um die Spieltage vertrieben.

"Das neue Schalker Echo" wird rund um die Spieltage vertrieben.

(Foto: ntv.de)

"Die 60 Mann starke Delegation fühlt sich sichtlich wohl in ihrer Rolle und noch bis vier Uhr morgens wird an der Hotelbar mit dem Hotelpersonal und Gästen aus dem gesamten Ostblock gefeiert", schreibt Stefan Barta in seinem aktuellen Spieltagprogrammheft "Das neue Schalker Echo" (auch online) und erinnert damit an eine längst vergangene Zeit. Und genauso wie sich die Zeiten innerhalb der deutschen Grenzen seit diesen fernen Tagen des Jahres 1977 verändert haben, haben sich auch viele andere Dinge gewandelt.

Als die Königsblauen im Sommer des vergangenen Jahres vor der neuen Saison nach fast sechs Jahrzehnten ihre Vereinszeitschrift "Schalker Kreisel" einstellten, reagierte Stefan Barta, der Autor und leidenschaftliche Sammler von Fußball-Devotionalien aller Art - bevorzugt natürlich von seinem Lieblingsklub, dem FC Schalke 04 -, sofort und beschloss, mit seinem Magazin "Das neue Schalker Echo" die "Tradition der Stadionprogramme" aufrechtzuerhalten: "Denn für uns gehört das Stadionprogramm zum Fußball, wie die Bratwurst, das Bier und das Vereinslied." Und so schreiben Barta und die Journalistin Katharina Strohmeyer seit nunmehr zehn Ausgaben tapfer, sehr ambitioniert und durchaus erfolgreich als kleines gallisches Dorf gegen das Aussterben der letzten Printprodukte an.

Und Fußball wurde auch noch gespielt

Immer wieder können Barta und Strohmeyer dabei für ihr Magazin attraktive Gesprächspartner gewinnen. So auch für das Heft zum Heimspiel des FC Schalke 04 am Samstagabend gegen den 1. FC Magdeburg (20.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei ntv.de). Prominenter Interviewpartner ist dieses Mal kein Geringerer als der Mann, der spätestens seit seinem Tor bei der WM 1974 für die DDR gegen das westdeutsche Team um Franz Beckenbauer Fußballgeschichte für die Ewigkeit schrieb: Jürgen Sparwasser. Und der frühere Nationalspieler hat eine Menge zu erzählen über die zwei Begegnungen im Jahr 1977 gegen die Schalker. Nicht nur über seine drei Tore gleich im Hinspiel, als man den deutschen Vizemeister mit einem 4:2 nach Hause ins Ruhrgebiet schickte - aber natürlich auch. Denn Sparwassers Gegenspieler Rolf Rüssmann erwischte an diesem Abend einen rabenschwarzen Tag.

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Doch heute, fast fünfzig Jahre später, nimmt der gebürtige Magdeburger seinen leider viel zu früh verstorbenen direkten Konkurrenten von damals in Schutz, als er sagt: "Naja, der Rolli hat vielleicht bei dem einen Tor gepennt. Aber bei den anderen beiden hätte er nichts machen können." Da erzählt die Magdeburger Fußballlegende viel lieber die schöne Anekdote, über die beide in der Folge immer wieder gerne gemeinsam lachen mussten, und die sich rund um die Partie damals abgespielt hat: "Diese Geschichte mit Schalke, wo Rolli Rüssmann gesagt haben soll 'den Sparwasser fress' ich auf', wo er mein Bild an die Wand hängt, über sein Bett. Die Zeitung hat mir Charly Neumann damals überreicht."

Die Storys, die Sparwasser erzählt, sind die Geschichten aus einer anderen Zeit. Und trotz aller Widrigkeiten der damaligen Umstände spürt man eine ungeheure Herzlichkeit aus den Worten des Magdeburgers. Das ist auch der Verdienst der beiden Schalker Autoren Stefan Barta und Katharina Strohmeyer, die mit ihrem journalistischen Kleinod dem Zeitgeist unerschrocken und mit viel Liebe und Leidenschaft entgegentreten, und den Raum für zeithistorische Geschichten bieten, wie diese von Jürgen Sparwasser.

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"Nach dem Spiel war es immer so, dass die Kinder draußen noch gespielt und auf ihre Väter gewartet haben. Meine Tochter war damals sieben. Sie kam draußen direkt angelaufen - mit der ganzen Hand voller Geld. Frag ich: 'Na, wo hast denn Du das Geld her?' Da sagt sie 'Na, von den drei Onkels, die da vorne gehen' - und zeigt auf die Kremers-Zwillinge und den Klaus Fischer. (schmunzelt) Da hab ich die erstmal zur Rede gestellt. Die waren gerade dabei, in den Mannschaftsbus einzusteigen und meinten nur: 'Na, was sollen wir denn mit der Ost-Mark noch machen?'" Tatsächlich war das Geld für die drei Profis praktisch wertlos - umtauschen konnten sie es nicht und so wanderte es anschließend in die Sparbüchse der Tochter von Jürgen Sparwasser.

Der FC Schalke 04 kollabierte damals als Vizemeister der Bundesliga in beiden Spielen fatal. Nach dem 4:2-Sieg des 1. FC Magdeburg im Hinspiel war S04-Trainer Friedel Rausch schon komplett bedient: "Zwei Tore Rückstand. Erwin Kremers kaputt. Aki Lütkebohmert kaputt. Rolf Rüssmann tief deprimiert. Auf der Bank nur noch Mara Maric. Spielerisch schlecht verkauft. Werbung war das nicht." Doch dann kam erst noch das Rückspiel in Gelsenkirchen - und wieder gingen die Schalker unter. Mit 1:3 mussten sie sich chancenlos im Parkstadion geschlagen geben. Barta schreibt im neuen, inoffiziellen Schalker Spieltagmagazin: "Scharenweise verlassen die Menschen schon lange vor Spielende bei strömendem Regen das weite Rund. Dass dies für lange 19 Jahre der letzte Schalker Europapokalabend ist, ahnen sie nicht."

Quelle: ntv.de

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