Redelings Nachspielzeit

FC Bayern, BVB, HSV und Wehen Kollektiver Fußball-Wahnsinn überrollt Deutschland

Edin Terzic hat dem BVB mehr gegeben als nur einen Titelkampf.

Edin Terzic hat dem BVB mehr gegeben als nur einen Titelkampf.

(Foto: IMAGO/Kirchner-Media)

Dieses Fußball-Wochenende wird Deutschland so schnell nicht vergessen. Alles, was dieser Sport an Dramatik, Emotionen und Spektakel zu bieten hat, wurde in den ersten drei Ligen des Landes ausgiebig zelebriert. Zwischen Jubel und Tränen lagen häufig nur wenige Momente.

Am Schluss blickte eigentlich niemand mehr so richtig durch. Als im NDR "Bingo"-Moderator Michael Thürnau live und freudestrahlend verkündete, dass der HSV aufgestiegen sei ("So! Und an dieser Stelle gratulieren wir noch mal und zwar dem HSV zum Aufstieg in die Bundesliga - haben's geschafft!"), war in Sandhausen die laufende Feier - die der Stadionsprecher des Absteigers eigenhändig für die mitgereisten Hamburger ausgerufen hatte - bereits schon wieder unterbrochen. Langsam war durchgesickert, dass in Regensburg nicht nur noch gespielt würde, sondern dass die Heidenheimer nun sogar schon zum 2:2 ausgeglichen hatten.

Ein solches Fußball-Wochenende - das ist sicher - hat Deutschland in dieser Form noch nie erlebt. Es war an Dramatik, Emotionen und Spektakel alles dabei, was diesen Sport ausmacht. Das Finale einer langen Saison hat in den ersten drei Ligen für Schnappatmung, schieren Unglauben und Tränen auf vielen Plätzen gesorgt. Das Land hat gezittert, gebebt, geweint und sich gefreut. Auch wenn in Dortmund die Fans verständlicherweise zuerst am Boden zerstört waren, so haben die Anhänger spätestens bei den Huldigungen für ihren Trainer Edin Terzić bewiesen, dass auch im Moment der "Niederlage" nicht alles schlecht sein muss.

Was ist aus dem FC Bayern geworden?

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Die Tränen von Terzić haben gezeigt, dass dieser Verein auch im tiefsten Kern wieder lebt. Nach Jahren der Irrungen und Wirrungen hat der Mann aus Menden dem BVB weit mehr (zurück) gegeben, als einen echten Titelkampf gegen die Bayern. Auch wenn dieses Versagen im Schlüsselspiel nicht kleinzureden ist, so kann Borussia Dortmund sicher sein, als gestärkter Klub aus dieser Saison herauszutreten. Das kann man vom Rivalen um die Meisterschaft nun wahrlich nicht behaupten.

Als vor zwei Monaten über das "Dilettanten-Stadl" des FC Bayern München geschrieben wurde, wehrte sich der Verein noch und versuchte nach Außen Stärke und Geschlossenheit zu zeigen. Damals glaubten viele Beobachter noch, dass sich der Rekordmeister wieder selbst in die Erfolgsspur manövrieren würde. Doch das, was sich am Samstag direkt nach dem Spiel und dem Meisterschaftsgewinn in Köln rund um die Entlassung von Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić abgespielt hat, lässt selbst hartgesottenen Bayern-Fans kaum mehr Hoffnung auf eine schnelle Besserung. Viele Fußball-Anhänger schauen in diesen Tagen und Wochen voller Unglaube nach München.

Was ist in nur wenigen Monaten aus diesem Klub geworden? Vermutlich fragt sich das ein Uli Hoeneß sogar am allermeisten. Aus diesem tiefen Tal, das wahrscheinlich noch viel düsterer und kälter ist, als es im Augenblick scheint, wieder herauszukommen, wird einige weise und vor allem richtige Entscheidungen in den nächsten Tagen erfordern. Fußball-Deutschland wird jeden einzelnen Schritt mit viel Interesse und Anteilnahme verfolgen. Denn eins ist auch sicher: Der FC Bayern bleibt auch (oder vielleicht sogar gerade) nach dieser Saison der absolute Top-Verein in Deutschland.

Diese letzten Minuten rund um den Ausgleich von Köln, dem anschließenden Siegtreffer von Musiala und dem viel zu späten Ausgleich des BVB gegen Mainz (der schließlich aber nichts mehr ändern sollte) - als über 40 Sekunden vor Schluss in Dortmund die Bayern-Spieler beim FC bereits jubelnd zu ihren Fans liefen -, sorgten für viele irre Momente.

Die hatte es zuvor am frühen Nachmittag ebenfalls schon in Osnabrück gegeben, als die zweite Mannschaft der Borussia gegen den heimischen VfL innerhalb von zwei Minuten in der Nachspielzeit die Partie noch aus den Händen gab - sehr zum Leidwesen der Anhänger von Wehen Wiesbaden, die ausgelassen jubelnd von ihrem Stadionsprecher bereits in den Sommer verabschiedet worden waren. Doch nachdem der VfL Osnabrück durch die späten Tore nun in die Zweite Liga aufgestiegen ist, geht es für Wehen Wiesbaden noch weiter. Arminia Bielefeld wartet in der Relegation auf die Mannschaft aus Hessen.

Kompletter Orientierungsverlust

Fast das identische Schicksal wie Wehen Wiesbaden erfuhr dann der HSV am Sonntag. Denn nicht nur der NDR-"Bingo"-Moderator Thürnau hatte sich bereits über den direkten Aufstieg der Hanseaten gefreut. Auch Trainer und Team gingen in Sandhausen davon aus, dass sie am letzten Spieltag der Saison tatsächlich noch die Mannschaft von Heidenheim überholt hatten. Doch dem war nicht so. "Ich höre gerade, das Tor ist auch zurückgenommen worden, irgendetwas stimmt wohl nicht, der HSV muss doch in die Relegation", verkündete der sichtlich irritierte NDR-Moderator - und hatte mittlerweile offenkundig komplett die Orientierung verloren. Denn ein zurückgenommenes Tor war nicht der Grund für die Verlängerung der Saison des HSV, sondern die spektakuläre Nachspielzeit der Heidenheimer mit zwei Toren des FC in Regensburg hatten die Partie beim Absteiger noch gedreht - und dafür gesorgt, dass die Reise der Hamburger in dieser Spielzeit noch nicht beendet ist.

Mit Vorfreude schaut Fußball-Deutschland nun auf die Relegationsbegegnungen und hofft, dass sich noch manch emotionaler Höhepunkt in den vier Partien abspielen wird. Denn nach einer solchen Saison scheint alles möglich. Schließlich hat sich der Fußball in Deutschland in den letzten Wochen von seiner allerbesten, spannendsten und unterhaltsamsten Seite gezeigt. So, da sind sich alle Fans einig, kann es gerne in der kommenden Spielzeit weitergehen.

Quelle: ntv.de

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