
Erlebten viele gemeinsame Erfolge: Hoeneß und Hitzfeld.
Als er beim FC Bayern aufhört, weint Ottmar Hitzfeld herzergreifend. In diesem Moment fällt eine Last von den Schultern des Mannes, der so viele Erfolge im deutschen Fußball feiert. Und auch die Attacken von Uli Hoeneß muss Ottmar Hitzfeld, der heute 75 Jahre alt wird, nicht mehr fürchten.
"Lieber Ottmar Hitzfeld! Keine Angst vor dem Trainerjob beim FC Bayern. Die drei Monate gehen auch vorbei!" Das war im Jahr 1998, als Kabarettist Ottfried Fischer dem neuen Coach des Rekordmeisters keine allzu lange Amtszeit beim FC Bayern München zutraute. Als der Mann aus Lörrach dann rund zehn Jahre später nach der Saison 2007/08 und dem Gewinn des Doubles weinend seinen Abschied aus der Landesmetropole feierte, sagte Karl-Heinz Rummenigge voller Ehrfurcht: "Wenn man sich in Oberammergau einen Trainer schnitzen lassen müsste, es käme Ottmar Hitzfeld heraus."
Der Mann, den sie in seiner Karriere "General" und "Gentleman" genannt haben, soll bereits im Kindergarten gesagt haben: "Schwätze kann ich noch nicht so gut, dafür kann ich kicken". Ottmar Hitzfeld wusste also schon früh, wohin seine Reise im Leben einmal gehen soll. Und gerade diese Zielstrebigkeit hat seine Laufbahn und sein Auftreten in der Öffentlichkeit geprägt. Der Mann, der häufig einen Trenchcoat trug, gehörte als Trainer eher zu den leisen Stimmen des Fußballs. Und wenn er sich doch einmal etwas entschiedener äußerte, konnte man sicher sein, dass er sofort einen Konter verpasst bekam. Das war so beim damaligen Schalke-Manager Rudi Aussauer ("Wenn Ottmar Hitzfeld behauptet, dass ich kein Rückgrat hätte, dann können wir doch mal gemeinsam zum Orthopäden gehen") und erst recht bei Udo Lattek: "Ich habe gehört, dass Ottmar Hitzfeld gesagt hat, ich würde ihn im Biertrinken schlagen. Dessen bin ich mir sicher."
Nur ein Ausrutscher in der langen Karriere
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Die Außenwirkung des langjährigen Erfolgstrainers des FC Bayern und von Borussia Dortmund war hervorragend. Seine feine, elegante und dennoch bestimmende Art kam nicht nur bei den Spielern an. In der Karriere des Ottmar Hitzfeld gab es eigentlich nur einen Ausrutscher, der dem Image des "Gentleman"-Coachs aber nur für einen kurzen Moment einen kleinen Knacks verpasste. Denn gemeinsam mit seinem Präsidenten und erfahrenen Medienmann Franz Beckenbauer, der nur vier Tage vor Hitzfelds 75. Geburtstag verstarb, schaffte der gebürtige Lörracher die Seitensprung-Affäre mit einer Brasilianerin schnell wieder aus der Welt. "Bunte"-Reporter Paul Sahner sah die Geschichte damals nüchtern aus der Sicht des PR-Profis: "Da haben sich die zwei Seitenspringer zusammengesetzt und überlegt, wie man relativ gut wieder von der Bühne runterkommt. Beckenbauer ist eben ein Libero. Der beherrscht das Spiel und hält den Gegner in Schach."
Ein Mann, der in diesem speziellen Themenbereich sicherlich auch die eine oder andere pikante Story auf Lager hätte, sagte einmal etwas Stimmiges über Ottmar Hitzfeld. Der Weltmeister Lothar Matthäus hat einige Zeit unter dem Mann trainiert, der seinen Vornamen einem anderen Weltmeister, nämlich Ottmar Walter, zu verdanken hat: "Ich werde nie das Standing eines Ottmar Hitzfeld haben, den ich als Trainer und Mensch respektiere. Hitzfeld war dafür nicht so ein guter Spieler wie ich." Das stimmt wohl. Aber Hitzfeld hat dafür wahrscheinlich einen Hauch mehr Gespür für Ironie abbekommen. Nachdem er versehentlich seinen Wagen auf dem Parkplatz von Lothar Matthäus abgestellt hatte, meinte der Bayern-Trainer süffisant: "Ich dachte, er kommt mit dem Hubschrauber."
"Das Training am nächsten Vormittag war grausam!"
Den schmalen Grat zwischen General und Gentleman beschreiben zwei Zitate von Hitzfeld sehr gut. Einerseits die Orientierung am Glauben: "Jesus hat für mich eine wichtige Vorbildfunktion: Er ist den gradlinigen Weg gegangen und hat nie versucht, auf krummen Wegen sein Ziel zu erreichen. Offenheit und Gerechtigkeit zeichneten ihn aus. So möchte ich auch handeln." Und andererseits der harte Disziplinfanatiker: "Von einem Profi verlange ich, dass er sich stark fühlt. Sonst soll er sich ins Bett legen und von Omi pflegen lassen."
Wie ein Verstoß gegen die Grundsätze des Trainers aussehen konnte, mussten die Dortmunder Profis im BVB-Trainingslager 1996 erfahren. Immer wieder hatten die Spieler ihrem Coach die Ohren vollgejammert, wie kaputt sie seien. Nach drei Tagen hatte Ottmar Hitzfeld schließlich ein Einsehen und schenkte dem Team einen freien Nachmittag. Alle Mann sollten sich mal tüchtig ausruhen. Doch der Plan von Andreas Möller und seinen Kameraden war ein anderer: Man ging gemeinsam zum Wasserskilaufen. Nicht gerade die Art von körperlicher Entspannung, die sich Hitzfeld für seine Spieler vorgestellt hatte. Deshalb war es gut, dass man sich heimlich auf den Weg gemacht hatte. Dumm nur, dass der Trainer irgendwann an diesem Nachmittag an den Wasserskiläufern mit einem Motorboot vorbeiraste. Möller erinnert sich: "Das Training am nächsten Vormittag war grausam!"
Über die andere Seite des Menschen Hitzfeld konnte Andreas Möller auch eine persönliche Geschichte erzählen: "Mir ging es wegen einer Magenschleimhaut-Entzündung sehr schlecht. Ottmar Hitzfeld nahm mich - meine Frau Michaela war damals bei ihren Eltern in Frankfurt - jeden Mittag mit zu sich nach Hause. Seine Frau kochte mir Haferbrei und andere Schonkost. Dabei führten der Trainer und ich sehr offene Gespräche über meine Rolle im Fußball, die mir sehr weitergeholfen haben."
Ärger mit Polizei wegen eines Scherzes
Dass Hitzfeld als Spieler selbst nicht immer ein Musterknabe war, erzählte er einmal dem Schweizer "Sonntagsblick". Im Februar 1980 war er Profi in Lugano. Bei einem feucht-fröhlichen Polterabend eines Freundes starteten sie zu später Stunde eine verrückte Aktion. Als ein Partyteilnehmer in einen Laden ging, um Zigaretten zu kaufen, entdeckten sie plötzlich, dass der Schlüssel draußen steckte. Sie drehten ihn um und amüsierten sich köstlich. Was sie nicht ahnen konnten: Nur zwei Tage zuvor war der Ladenbesitzer überfallen worden und geriet in Panik. Er rief die Polizei, die mit Maschinenpistolen im Anschlag für Ordnung sorgte.
Hitzfeld erinnert sich: "Die italienische Polizei nahm uns nicht ab, dass wir nur einen Scherz machten. Wir wurden in Handschellen abgeführt und kamen in eine Zelle!" Und dort kamen sie nicht mehr so leicht raus. Niemand glaubte ihnen, dass es nur eine Schnapsidee gewesen war. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als den Lugano-Präsidenten anzurufen und ihm alles zu beichten. Erst kurz vor 11 Uhr am nächsten Morgen traf die Polterabend-Truppe um Hitzfeld am Standesamt ein - gerade noch rechtzeitig.
Hitzfeld ("Der Erfolg ist nicht alles, aber ohne Erfolg ist alles nichts") war in seiner Karriere ein Liebling der Medien. Seine Meinung war geschätzt und gefragt. Doch er selbst konnte sich auch an den Pressevertretern reiben. Kritischen Fragen begegnete er sehr spitzfindig: "Ein Trainer entscheidet vor dem Spiel, und ein Journalist schreibt nach dem Spiel." Ein harmloser Satz, wenn man dagegen ein Zitat von TV-Kommentator Marcel Reif stellt: "Herr Hitzfeld, ich bin bereit, Ihnen zum Weiterkommen zu gratulieren, wenn Sie den Zuschauern Ihr Mitgefühl ausdrücken für die Art und Weise, wie es denn zustande gekommen ist."
In Dortmund geschätzt, in München geliebt
Ein besonders inniges Verhältnis pflegte Hitzfeld zu Uli Hoeneß, den er jedoch aus gesundheitlichen Gründen an Spieltagen fürchtete und von sich fernzuhalten versuchte: "Ich habe mit dem Rücken ein bisschen Probleme, wenn der Uli mir bei den Toren immer um den Hals fällt." Und auch sonst waren die zwei Amtszeiten bei den Bayern geprägt von einem außergewöhnlichen und herzlichen Umgang mit den Führungspersonen des Klubs. Ottmar Hitzfeld schilderte einmal einem Journalisten gegenüber - selbst immer noch voller Verwunderung - wie man in diesen Zeiten gemeinsam Spieler verpflichtete: "Stefan Effenberg haben wir damals geholt an Loch 7 beim Golfen in Egmating. Franz fragte mich: 'Willst du jetzt den Effe?' Ich sagte: 'Selbstverständlich.' Also sagte Franz zu Uli Hoeneß: 'Ruf' mal schnell bei Effe an!' Er rief an. So verliefen die Arbeitssitzungen beim FC Bayern, auf dem Golfgrün ..."
Im Rückblick kann man sagen, dass Ottmar Hitzfeld in Dortmund sehr geschätzt wurde - in München wurde er geliebt. Denn gleich in seiner ersten Saison beim Rekordmeister setzte er neue Standards. Kaiserslauterns Trainer Otto Rehhagel zeigte sich in dieser Saison 1998/99 schnell ernüchtert: "Bayern ist der Mercedes in der Bundesliga. Alle anderen fahren im Golf hinterher." Naturgemäß war die eigene Souveränität dem Bayern-Manager Uli Hoeneß damals natürlich alles andere als unangenehm. Mit stolzgeschwellter Brust sagte er: "Wenn bei uns das A- gegen das B-Team spielt, ist das Fußball von Weltniveau." Ketzerisch setzte er noch einen obendrauf: "Sollen wir denn schlechter spielen, damit die anderen nachkommen?"
Auch Franz Beckenbauer war in diesen Tagen äußerst zufrieden mit seinem Verein und der Arbeit seines Trainers: "Die Leute wollen ein Spektakel sehen, Entertainment. Der Spaß am Fußball ist wichtiger als jeder Titel. Und die Mannschaft und Ottmar Hitzfeld haben uns den Spaß am Fußball zurückgegeben." Mit 15 Punkten Vorsprung holten sich die Bayern damals den Titel - bevor es in Barcelona zum dramatischen Finale gegen Manchester United kam. Doch auch dieses Ereignis schweißte Hitzfeld und den Klub nur noch enger zusammen.
Kurz bevor er 2004 schließlich das erste Mal sein Engagement bei den Bayern beendete, sagte er: "Wenn ich bei Bayern fertig bin, muss ich vielleicht für ein Jahr ins Sanatorium." Dennoch ließ er sich 2007 noch einmal zu einem Comeback überreden - und zwar aus einem ganz speziellen Grund: "Wenn ich ehrlich bin: Bock hatte ich keinen, aber Langeweile. Wenn Uli Hoeneß dich anruft und um Hilfe bittet, kannst du nicht Nein sagen."
Heute feiert der Mann aus Lörrach nach so vielen Erfolgen als Spieler und Trainer seinen 75. Geburtstag. Alles Gute und Glück auf, lieber Ottmar Hitzfeld!
Quelle: ntv.de