
Münchner Jubel und Dortmunder Ernüchterung.
(Foto: IMAGO/RHR-Foto)
Als Tabellenführer reist Borussia Dortmund zum FC Bayern, das ist besonders. Mit einer deftigen Niederlage reist der BVB aus München wieder ab, das ist bittere Gewohnheit. Die Bundesliga-Tabelle an diesem 26. Spieltag sieht spannend aus. Über den Meister aber entscheidet nur einer.
Was ist im Stadion in München passiert?
Es gibt schon gute Gründe, warum sich "Der Klassiker" oder "Der deutsche Clásico" als Spitznamen für Bundesliga-Topspiele zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund nie so richtig durchgesetzt haben. Denn im echten Clásico, dem ewigen Duell zwischen Real Madrid und FC Barcelona, gewinnt ja mal der eine und mal andere. Wenn der BVB aber nach München reist, nimmt er aktuell immer eine Niederlage mit nach Hause. Oft eine deftige. So auch diesmal, zum neunten Mal in Serie und mit insgesamt 8:37 Toren. Heute ist es ein schmeichelhaftes 2:4 (0:3) an diesem 26. Spieltag, an dem die Dortmunder mit einem Sieg auf vier Punkte in der Tabelle hätten davon ziehen können.
Hätten. Dann aber stand es nach gerade einmal 23 Minuten schon 3:0 für den FC Bayern. Dortmunds Torhüter Gregor Kobel hatte zweimal folgenschwer gepatzt. Das erste Mal, als er am Steilpass von Dayot Upamecano vorbeisäbelte, der dann ohne weitere Berührung ins Tor trudelte. Das zweite Mal, als er einen strammen Schuss von Leroy Sané nach vorne abklatschen ließ. Dorthin, wo Thomas Müller lauerte, der nur noch einschieben musste. Dazwischen hatte Matthijs de Ligt eine Ecke an den zweiten Pfosten verlängert, auch hier lauerte Müller, diesmal mit dem Oberschenkel. Game Over nach der ersten Halbzeit.
Dabei waren die Dortmunder mit solch großem, verdientem Selbstvertrauen angereist. Nach der WM-Pause ungeschlagen in der Bundesliga, mit einer beeindruckenden Siegesserie am 1. FC Union, an Freiburg, Leipzig und Frankfurt vorbeigezogen. Sie hatten die Schwächephase des FC Bayern genutzt, um so spät in der Saison wie ewig nicht mehr auf den ersten Platz zu springen. Alles vergessen. Weil der Rekordmeister nur 23 Minuten brauchte, um die Kräfteverhältnisse deutlich zu machen, um der Borussia zu zeigen, wer sich durchsetzt, wenn es darauf ankommt. Das klingt drastisch, ist aber schlicht die Realität der Bundesliga: Am Ende gewinnt immer der FC Bayern. An diesem wegweisenden Samstagabend viel deutlicher, als es das nackte Ergebnis von 4:2 vermuten lässt.
Teams & Tore
München: Sommer - Pavard, Upamecano, de Ligt, Davies (79. João Cancelo) - Kimmich, Goretzka (86. Gravenberch) - Coman (79. Musiala), Thomas Müller (69. Gnabry), Sané - Choupo-Moting (69. Mane) - Trainer: Tuchel
Dortmund: Kobel - Wolf, Süle, Schlotterbeck (44. Hummels), Ryerson (46. Özcan) - Can - Bellingham, Guerreiro - Brandt (46. Malen), Reus (61. Moukoko) - Haller (61. Dahoud). - Trainer: Terzic
Schiedsrichter: Marco Fritz (Korb)
Tore: 1:0 Kobel (13., Eigentor), 2:0 Müller (18.), 3:0 Müller (23.), 4:0 Coman (50.), 4:1 Emre Can (72., Foulelfmeter), 4:2 Malen (90.)
Zuschauer: 75.000 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Upamecano (5) - Can (6)
Unseren ausführlichen Spielbericht finden Sie hier.
Wie schlimm war es?
Sehr schlimm, zumindest für all jene, die mit Borussia Dortmund sympathisieren. Deren Sicht auf das Spiel dürfte BVB-Kapitän Marco Reus zusammengefasst haben, als er schon nach 60 Minuten ausgewechselt wurde. Er schmiss wütend seine Flasche auf den Boden, schlug gegen die Überdachung der Ersatzbank. Zwar verkürzten Emre Can und Donyell Malen in der Schlussphase von 0:4 auf 2:4 - die Dortmunder aber hatten Glück, nicht noch den fünften oder sechsten Gegentreffer zu kassieren.
Und wer wird jetzt Meister?
Der FC Bayern. Wie immer. Sicher, die kurze Zeit mit Borussia Dortmund an der Tabellenspitze war schön, all der Trubel rund um die Entlassung von Julian Nagelsmann aufregend. Und es ist ja auch irgendwie schön, dass nach all den Jahren der Münchner Dominanz noch immer Hoffnung besteht, dieses Mal könnte es wirklich anders kommen. Doch seien wir ehrlich: Die Frage, wer Deutscher Fußballmeister wird, entscheidet allein der FC Bayern. Die 17 weiteren Bundesligisten dürfen ein bisschen mitraten und gelegentlich Vorschläge machen, das war es dann aber auch.
Aber es sind doch nur zwei Punkte Rückstand für Dortmund?
Ja, theoretisch müsste der BVB an den verbleibenden acht Spieltagen einfach nur drei Punkte mehr holen als der FC Bayern -einen zusätzlichen, weil das Torverhältnis der Schwarzgelben um 29 Tore schlechter ist - und schon wären die Münchner übertrumpft. Praktisch aber liegt es gar nicht in der Macht der Dortmunder, den Über-Klub vom Thron zu stoßen. So traurig und ernüchternd diese wiederkehrende Erkenntnis auch sein mag.
Ist Thomas Tuchel also der Heilsbringer?
Das wäre etwas zu hoch gegriffen, der Nachfolger von Julian Nagelsmann hatte ja erst einen Tag lang überhaupt seine ganze Mannschaft zusammen. Über den Ablauf von dessen Abberufung stritten sich übrigens Bayerns Vorstandsboss Oliver Kahn und Sky-Experte Lothar Matthäus vor dem Anpfiff live im Fernsehen, aber das ist ein anderes Thema. Erste Ideen des Tuchel-Fußballs aber waren schon zu erkennen, die Konter-Anfälligkeit der Münchner war heute kein Thema. Sicher auch, weil schon nach 23 Minuten alle wichtigen Fragen seiner Premiere geklärt waren. Vielleicht weiß die Fußball-Öffentlichkeit schon am Dienstag mehr, wenn Tuchel gleich wieder ein Spiel bevorsteht, bei dem Verlieren keine Option ist: im DFB-Pokal gegen den SC Freiburg.
Wie war es denn im Stadion, Stephan Uersfeld?
"Für die Stadt und den Verein!" sollten die Bayern spielen, forderten die Fans in der Südkurve auf einem großen Banner und warfen Konfetti in die Luft. In der Ecke der Dortmunder blieb es bis wenige Minuten vor Anpfiff leer. Erst dann stürmten die Ultras des BVB den Block. Ihnen blieben nur wenige Minuten, sich auf das Spiel vorzubereiten. Nach einem wuseligen Moment schallte es dann auch "Hurra, Hurra, die Dortmunder sind da" durch die Arena.
Beim Einlaufen schwenkten die einen, die Bayern, ihre rot-weißen und die anderen ihre schwarz-gelben Fahnen. Gerade die Dortmunder gaben sich trotz der Ausgangslage, den acht Liga-Niederlagen in Folge in München, optimistisch. "Kämpfen Borussia" und "Gemeinsam gewinnen wir jeden Kampf" stand auf ihren Devotionalien. Auf der Gegentribüne formierte sich ein seltsam kümmerliches Telekom-T. Vor dem Stadion wehte der erste April-Sturm, und in der Arena trat Gregor Kobel neben den Ball. "Deutscher Meister wird nur der FCB", sangen die Fans nun und so war es und so ist und so wird es wohl immer sein.
Der Tweet zum Spiel
Quelle: ntv.de