Lahm für Neuer? Kein Problem! Alles zum Elfmeterschießen
08.07.2014, 20:03 Uhr
Juli 1999: Der Brasilianer Ronaldinho erzielt im Nachschuss per Elfmeter das 2:0 gegen DFB-Keeper Jens Lehmann. Am Ende verliert Deutschland mit 0:4.
(Foto: dpa)
"Mit Verlängerung und sogar einem Elfmeterschießen muss man als Zuschauer rechnen", sagt der frühere österreichische Nationaltrainer Josef Hickersberger in der WM-Analyse vor dem Halbfinal-Klassiker zwischen Brasilien und Deutschland. Grund genug, sich die Regeln im Elfmeterschießen noch einmal zu vergegenwärtigen. DFB-Schiedsrichter Jakob Paßlick erklärt die Feinheiten - und warum DFB-Universalwaffe Philipp Lahm seinen Torwart Manuel Neuer jederzeit im Tor ablösen könnte.
Zu Beginn muss erst einmal ein Tor ausgewählt werden. Das ist dem Schiedsrichter vorbehalten, falls er gegen kein Tor Einwände - beispielsweise durch schlechte Platzbedingungen oder Sicherheitsbedenken hat - weist der Schiedsrichter, in Anwesenheit der Spielführer, jeder Seite der Münze ein Tor zu. So entscheidet die Münze, auf welches Tor geschossen wird. Dann wird noch einmal die Münze gebraucht. Die Spielführer entscheiden sich für eine Seite der Münze. Wer die Wahl gewinnt, darf wählen, ob zuerst sein Team oder die gegnerische Mannschaft beginnen soll.
Doch auch jetzt kann das Elfmeterschießen noch nicht starten. Erst muss sichergestellt sein, dass sich nur die teilnahmeberechtigten Spieler auf dem Spielfeld befinden. Diese müssen sich alle - ausgenommen der Torhüter - im Mittelkreis befinden. Ersatzspieler, Trainer und Betreuer müssen sich in der eigenen Coaching-Zone aufhalten. Nun notiert sich der Schiedsrichter fünf Spieler von jedem Team, die die Schüsse ausführen. Die festgelegte Reihenfolge ist für die ersten fünf Schüsse verbindlich.
Antäuschen ja, vortäuschen nein
Klar ist auch, dass sich der Torhüter vor der Ausführung des Strafstoßes auf der Linie und zwischen den Pfosten befinden muss und ganz wichtig: Mit dem Gesicht zum Schützen. Bei dieser WM sieht man oft, wie Spieler den Anlauf bei der Ausführung verzögern, das ist wieder erlaubt. Offiziell heißt es: Finten beim Anlauf zur Täuschung des Gegners bei der Ausführung eines Elfmeters gehören dazu. Nach vollendetem Anlauf den Schuss aber nur vorzutäuschen, ist allerdings verboten. Heißt also, Anlauf unterbrechen ja, den Schuss nur simulieren nein.
Falls es nach fünf Schüssen noch keine Entscheidung gibt, müssen die anderen Spieler, die zum Ende der Verlängerung gespielt haben, gegeneinander antreten. Dabei zählt das Ergebnis nach jedem Schuss. Trifft ein Team und das andere verschießt, ist das Elfmeterschießen sofort beendet. Wichtig dabei ist, es müssen erst alle Spieler des jeweiligen Teams geschossen haben (inklusive Torhüter). Dann geht es wieder von vorne los. Allerdings ist die Reihenfolge der Schützen dann egal. Es darf jeder Spieler natürlich nur einmal im jeweiligen Durchgang antreten.
Lahm für Neuer ins Tor? Kein Problem!
So weit so gut, aber jetzt kommen die Besonderheiten: Ein schönes und zugleich ungewöhnliches Beispiel gab es im Spiel Holland gegen Costa Rica. Louis van Gaal kam gegen Ende der Verlängerung gehörig ins Schwitzen, wollte er doch noch seinen Torhüter für das Elfmeterschießen wechseln. Es hat bekanntlich geklappt und Tim Krul wurde zum Helden beim Sieg über Costa Rica. Doch hätte der Schiedsrichter das Spiel vorher abgepfiffen, wäre ein Wechsel nicht mehr möglich gewesen - mit einer Ausnahme: Ist das Wechselkontingent der Mannschaft noch nicht ausgeschöpft, so kann der Torhüter in einem Fall noch ausgewechselt werden, aber nur, wenn er verletzt ist. Ein verletzter Feldspieler darf dagegen nicht ersetzt werden. Erhält der Torhüter die Rote Karte, so darf er nicht durch den Ersatztorhüter ausgetauscht werden. Dann müsste ein Spieler, der zum Elfmeterschießen berechtigt ist, zwischen die Pfosten.
Weitere Besonderheiten zum Torhüter: Jeder berechtigte Spieler darf beim Elfmeterschießen zu jeder Zeit seinen Platz mit dem Torhüter tauschen und zwischen den Pfosten stehen. Sollte Manuel Neuer also heute Abend die ersten beiden Elfmeter der Brasilianer durchlassen und er keine Lust mehr haben, könnte ihn zum Beispiel Philipp Lahm im Tor ersetzen - was aber eher unwahrscheinlich ist und bei einem Wettbüro sicherlich eine riesen Quote bringen würde.
Teams brauchen gleich viele Schützen
Und auch das gibt es: Ist ein Spieler einer Mannschaft des Feldes verwiesen worden - ein Team hat also zum Ende des Spiels einen Spieler mehr auf dem Platz als der Gegner - muss das größere Team sich auf die entsprechende Anzahl des Gegners reduzieren. Der Kapitän der betroffenen Mannschaft muss die ausgeschlossenen Spieler dem Schiedsrichter mit Namen und Nummer mitteilen. Somit müssen sich zum Start des Elfmeterschießens gleich viele Spieler im Mittelkreis befinden. Das hat der Schiedsrichter zu überprüfen.
Aber: Erhält ein Spieler erst während des Elfmeterschießens die Rote Karte oder verletzt er sich, muss sich der Gegner übrigens nicht mehr reduzieren.
Quelle: ntv.de, sport.de