Sechs Dinge, die wir gelernt haben Löw macht sich und Klose jokert
22.06.2014, 13:42 Uhr
Nicht irgendein Neuner - einfach ein Mittelstürmer: Miro Klose steht da, wo er stehen muss.
(Foto: REUTERS)
Die DFB-Elf kassiert zwar bei der WM zwei Tore in neun Minuten, kämpft sich aber zurück. Dank Bundestrainer Löw und der Altmeister Schweinsteiger und Klose. Nur die Sache mit den Außenverteidigern bleibt ein Rätsel.
1. Der Bundestrainer hat auch einen Plan B
Die Einbürgerung des Fachbegriffs Matchplan verdankt Fußballdeutschland dem Ex-Mainzer Thomas Tuchel. Als oberster Matchplan-Trainer des Landes fungierte bislang aber Joachim Löw. Dem Bundestrainer wurde lange nachgesagt, sein Team gewissenhaft auf den Gegner vorzubereiten und mit ausgetüftelter Taktik ins Spiel zu schicken. Weil das meistens prima klappte, war es eine positive Nachrede. Weil Löw sich in großen Spielen aber auch gern einmal vermatchplante - Stichworte: Serbien 2010, Italien 2012 - und dann hilflos am Spielfeldrand mit zusah, wie sein Team unterging, stand der Matchplan-Trainer Löw aber auch unter kritischer Beobachtung.
Gegen Ghana im zweiten Gruppenspiel bei der Weltmeisterschaft in Brasilien hat Löw angedeutet, dass er sich entwickelt hat. Nachdem Ghana in Fortaleza aus einem 0:1 ein 2:1 gemacht hatte, schickte der Bundestrainer seine Routiniers Bastian Schweinsteiger und Miroslav Klose mit ihrer Erfahrung von nun 236 Länderspielen auf den Rasen - und veränderte damit die Balance völlig. Nur eine Minute nach seiner Einwechslung holte Schweinsteiger im Zusammenspiel mit Mesut Özil eine Ecke heraus. Die grätschte Klose dann zum 2:2-Endstand ins Tor. Deutschland war wieder im Spiel und hat nach wie vor beste Chancen aufs Achtelfinale - dank Löws erfolgreicher Planänderung.
2. Die Fans bieten der Fifa die Stirn
Bereits nach zehn Minuten machte sich unter den vielen tausend deutschen Fans auf dem Oberrang des Estádio Castelão hinter dem von Dauda Fatawu gehüteten Tor der Ghanaer Unmut breit. Aber nicht, weil sie mit dem Spiel der DFB-Elf unzufrieden waren. Sondern weil Ordner in den Block gekommen waren, um die Banner und Plakate abzuhängen. "Fifa raus! Fifa raus!", schallte es deutlich hörbar durchs heiße Rund. Allein: Es half nichts, kurze Zeit später waren die Transparente weg. Das Lustige war, dass die Fans sie im Laufe des Spiels einfach wieder aufhängten - gelebter Widerstand gegen die Willkür der Funktionäre.
Die eigentliche Sensation aber ist, dass der Weltverband mittlerweile tatsächlich einen Fehler eingeräumt hat. Wobei: Die Schuld trugen natürlich die Ordner. Bei der Aktion habe es sich um eine "Fehlinterpretation" der lokalen Sicherheitskräfte gehandelt. Die seien davon ausgegangen, dass die Banner größer als erlaubt gewesen seien. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Am Donnerstag beim abschließenden Gruppenspiel gegen die USA in Recife dürfen die Fans ihre Plakate wieder aufhängen, versicherte die Fifa. Ob das allerdings auch für das Laken mit dem Konterfei ihres Präsidenten Joseph Blatter und dem Schriftzug "Mafia" gilt, wagen wir zu bezweifeln.
3. Ghana kann Fußball spielen
Klare Sache für Deutschland, hatten uns Kollegen vor dem zweiten deutschen Gruppenspiel im Vertrauen vorausgesagt. Kollegen, die sich intensiv mit Ghana befasst hatten. Die dabei waren, als die ghanaischen WM-Trainingseinheiten erst nicht beginnen wollten und dann mit demonstrativer Lustlosigkeit absolviert wurden. Als wir dann selbst sahen, wie die ghanaische Mannschaft am späten Freitagabend albernd durch die Lobby ihres Teamhotels "Luzeiros" an der Strandpromenade in Fortaleza schlappte, schien ausgemacht: Klare Sache.
So richtig klar war es im Castelão dann aber doch nicht. Neben ihrer überragenden Physis brachten die Ghanaer auch Einsatzwillen und taktische Disziplin auf den Rasen und überzeugten gegen das DFB-Team im 4-4-2-System. Sprücheklopfer Kevin-Prince Boateng enttäuschte zwar als Gladiator. Als Mannschaft zeigte Ghana aber, warum das Team vor dem WM-Start als größte afrikanische Hoffnung in Brasilien gehandelt worden war. "Ich habe immer an uns geglaubt, weil wir bis zum Schluss kämpfen", sagte Trainer Akwasi Appiah nach dem Schlusspfiff. Hätten sie nicht zwei Konter in Überzahl ungestüm vertändelt, hätten die Ghanaer am Schluss sogar gewinnen können. Völlig unverdient wäre das nicht gewesen.
4. Ein Innenverteidiger bleibt ein Innenverteidiger bleibt ein Innenverteidiger
Als Joachim Löw seinen Kader bekanntgab, staunten viele: Darüber, dass Löw mit Miroslav Klose nur einen echten Stürmer in seine Reisegruppe nach Brasilien berufen hatte. In der Abwehr herrschte ein Überangebot: Sechs gelernte Innenverteidiger, zwei Außenverteidiger, dazu der polyvalente Philipp Lahm - das klang nicht schlecht für vier Planstellen. Inzwischen ist klar, dass nicht im Angriff, sondern im Abwehrverbund ein Mangelzustand herrscht - weil Löw seinen Dortmunder Außenverteidigern Kevin Großkreutz und Erik Durm die WM offenbar doch nicht zutraut.
Lieber lässt Löw vier Innenverteidiger in der Abwehrkette auflaufen, innen und außen. Und wenn sich einer dieser Innenverteidiger verletzt, dann schickt der Bundestrainer eben den nächsten aufs Feld. Das ist Löwsche Konsequenz. Das macht das deutsche Angriffsspiel gegen aggressive und dynamische Gegner wie Ghana aber auch eindimensionaler und ausrechenbarer. Während Ghana seine Außenverteidiger ins Offensivspiel einband und so Überzahlsituationen kreierte, räumte DFB-Kapitän Philipp Lahm in der Mixed Zone Defizite im deutschen Aufbauspiel ein: "Wir haben es taktisch nicht so gut gemacht wie gewohnt. Wir haben wenig Überzahl kreieren können in den entscheidenden Räumen, dadurch hatten wir Probleme." Ein Innenverteidiger bleibt eben ein Innenverteidiger - selbst wenn ihn Joachim Löw außen verteidigen lässt.
5. Ein Klose kommt nicht aus der Mode
Der Salto klappte nicht mehr ganz. Da merkte man doch, dass Miroslav Klose am 9. Juni 36 Jahre alt geworden ist. Ansonsten drehte Klose in Fortaleza die Zeit zurück: Er kam, sah, traf - wie zuvor schon 69 Mal im Nationalteam seit 2001. Nebenbei egalisierte Klose mit seinem Treffer zum 2:2-Endstand den WM-Torrekord von Ronaldo. "Das ist schon etwas ganz Besonderes, das ist sensationell", schwärmte WM-Experte Josef Hickersberger bei n-tv.de über den ewig jungen Klose.
Der fand: "20 WM-Spiele, 15 Kisten sind schon nicht schlecht." Zumal der Spielverlauf seiner Jokerrolle nicht entgegen gekommen war, wie er monierte: "Man will eigentlich reinkommen, wenn die Mannschaft vorne liegt. Wenn eine Mannschaft wie Ghana in Schwung kommt, ist es natürlich schwer." Mit seinem Instinkttor per Grätsche keine 120 Sekunden nach seiner Einwechslung nahm der Altmeister entscheidend Schwung aus Ghanas Spiel. Und zeigte: Die Sturmmoden ändern sich. Ein Klose bleibt.
6. Die Brasilianer sorgen für Stimmung bei der WM
Zugegeben, das supermoderne Stadion in Fortaleza mit seinen 64.846 Plätzen war nicht ganz ausverkauft, nach Angaben des Veranstalters waren es 59.621 Zuschauer. Die Stimmung war trotzdem prächtig. Vom Anpfiff weg feierten die deutschen Fans ihre Mannschaft. Und die aus Ghana machten mächtig Wirbel, wenn ihr Team auch nur annähernd in die Nähe des deutschen Tores kam.
Für die schönsten Momente des Spiels aber sorgen, wie auch schon beim ersten Spiel der DFB-Elf in Salvador, die Zuschauer aus Brasilien. Und zwar, wenn sie den Refrain des Liedes "Eu sou Brasileiro" sangen. Klingt schön, und sie singen es mit Inbrunst: "Eu sou Brasileiro, com muito orgulho, com muito amor." Was übersetzt heißt: "Ich bin Brasilianer, mit viel Stolz, mit viel Liebe."
Quelle: ntv.de