Löws Eleven quälen sich nach Rio Franzosen lachen sich ins Fäustchen
01.07.2014, 09:55 Uhr
Bei aller Konsequenz, die Löw auszeichnet: Man muss sich auch mal korrigieren können.
(Foto: AP)
Deutschlands beste Fußballer müssen gegen Algerien alles aus sich herausholen, um ins Viertelfinale gegen Frankreich einzuziehen. Das ist ein Erfolg, doch die Uhr tickt. Wenn sie nicht bald ihr Versprechen einlösen, ist schneller Schluss mit der Fußball-WM als ihnen lieb ist.
Viel besser kann ein Spiel nicht beginnen. Thomas Müller setzt sich auf der linken Seite durch, flankt scharf nach innen. Dort wartet André Schürrle und lenkt den Ball mit der Hacke ins algeris che Tor. Nach zwei Minuten steht es im Achtelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft 1:0 für Deutschland. Als Mesut Özil nach einer knappen halben Stunde den zweiten Treffer nachlegt, ist die Partie zwar noch nicht entschieden, die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw aber auf einem guten Weg in die Runde der besten acht Teams.
Genau so war’s an diesem mitteleuropäisch kühlen Montagabend in Porto Alegre. Nur hat sich all das vor den 43.063 Zuschauern im Estadio Beira-Rio erst in der Verlängerung zugetragen. Am Ende hat es für die DFB-Elf und Bundestrainer Joachim Löw tatsächlich gereicht. Nach 90 Minuten ohne Tore hat sie im Nachsitzen mit 2:1 gegen Algerien gewonnen und steht nun im Viertelfinale. Dort trifft sie am Freitag (ab 18 Uhr im Liveticker auf n-tv.de) in Rio de Janeiro auf Frankreich. Doch die Zuversicht vor dieser Partie dürfte sich in Grenzen halten. Gegen den Außenseiter aus Algerien gelang der deutschen Mannschaft in der ersten Halbzeit nichts, nach der Pause ein wenig mehr, und in besagter Verlängerung dank eines Kraftakts der Sieg.
Schwächster Auftritt bei diesem Turnier
Stand nach der sehr ordentlichen Vorrunde die Frage im Raum, wo die Leistungsgrenze des Löw'schen Teams liegt und wie sehr die Spieler sich noch steigern können, sind die Zweifel gewachsen, dass diese deutsche Auswahl im Ernstfall gegen eine richtig gute Mannschaft bestehen kann. Es war der schwächste Auftritt der deutschen Fußballer bei diesem Turnier, die in der ersten Halbzeit gegen eine algerische Mannschaft - die das Beste aus ihren Möglichkeiten machte - nicht ansatzweise den Gegner und das Spiel in den Griff bekamen. Der Bundestrainer betonte hinterher, der Gegner habe "kämpferisch und läuferisch alles in die Waagschale geworfen. Wir haben erwartet, dass Algerien uns in den Zweikämpfen aufreiben will."
Auf dem Rasen sah das anders aus, die DFB-Elf wirkte verunsichert, beinahe verschüchtert. Die Mittelfeldzentrale mit Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos leistete sich nicht nur ungewohnt viele Fehlpässe, sondern versäumte es auch, das Spiel in den richtigen Momenten mit klugen Pässen ins vordere Drittel schnell zu machen. Dort standen mit Mesut Özil und Mario Götze allerdings auch zwei spielerische Feingeister, die viel an Willen und Durchsetzungsvermögen vermissen ließen. Allein Thomas Müller versuchte, der spielerischen Flaute durch unermüdlichen Einsatz zu begegnen.
Franzosen dürften den Flug schon gebucht haben
Und die Abwehr? Beide Außenverteidiger wirkten überfordert, Shkodran Mustafi auf der rechten Seite mehr, Benedikt Höwedes am anderen Ende der Viererkette ein bisschen weniger. Auch die Innenverteidigung mit Per Mertesacker und Jérôme Boateng wackelte bisweilen bedenklich. Kurzum: Falls sich die Franzosen die erste Halbzeit der Partie angesehen haben sollten, sie dürften sich ins Fäustchen gelacht und den Flug nach Belo Horizonte gebucht haben. Dort findet am 8. Juli das Halbfinale statt.
Ob der Bundestrainer ähnlich denkt, ist nicht überliefert, scheint aber unwahrscheinlich. Pessimismus gehört nicht zu seinem Metier. "Soll ich jetzt nach dem Weiterkommen unter die letzten Acht stark enttäuscht sein? Wäre das angebracht? Ich glaube, wir haben gesehen, dass wir in der ersten Halbzeit nicht gut gespielt haben. Aber solche Spiele wird es bei einem Turnier immer geben. Ganz wichtig ist, dass man dann weiterkommt." In der Tat ist es aus Sicht eines Trainers nicht verkehrt, die Dinge zu betonen, die geklappt haben. Und seine Aufgabe ist es auch, seine Spieler zumindest öffentlich in Schutz zu nehmen. So war Löw unmittelbar nach der Partie sichtlich bemüht, einen positiven, also konstruktiven Ansatz zu finden: "Wir waren in der zweiten Halbzeit schon am Drücker und haben nicht so schlecht gespielt, wie man jetzt den Eindruck hat. Sonst spielt man nicht acht, neun große Chancen raus." Immerhin räumte er ein: "Die Ballverluste haben uns einige Male in Schwierigkeiten gebracht."
Und immerhin hat er es in der Hand, etwas zu ändern. Auch er wird gemerkt haben, dass sein Spielsystem an seine Grenzen gestoßen ist. Und die sind offenbar enger gesteckt als gedacht. Es wäre vielleicht ein guter Plan, am Freitag im Maracanã mit dem anzufangen, was gegen Algerien zum Schluss ganz gut geklappt hat. Also mit Lahm in der Außenverteidigung, um dort einen zu haben, der sich auf dem Flügel konstruktiv am Spielaufbau beteiligt. Und dem famosen Schürrle in der Startelf zum Beispiel, der seiner Mannschaft deutlich mehr Wucht im Angriff bescherte. Denn bei aller Konsequenz, die Löw auszeichnet: Man muss sich auch mal korrigieren können. Sein Team der Hochbegabten birgt immer noch ein großes Versprechen. Nur sollte es dies schleunigst einlösen. Sonst ist die Weltmeisterschaft für die deutsche Mannschaft schneller beendet, als sie sich das eigentlich ausgemalt hat.
Quelle: ntv.de