DFB-Elf übt für die WM Löw atmet Druck weg, Reus schmerzt der Po
24.05.2014, 17:25 Uhr
Marco Reus stählt sich für die Fußball-WM.
(Foto: dpa)
Tag 4 des deutschen WM-Trainingslagers in Südtirol bringt überraschende Einblicke: Marco Reus fährt gerne Rad, hat aber hinterher Schmerzen: am "Popo". Bundestrainer Joachim Löw sieht sich als "temporäre Führungskraft". Und DFB-Teammanager Oliver Bierhoff entdeckt den Kennedy in sich.
Was sagt der Bundestrainer?
Also sprach Joachim Löw: "Wenn wir vor einem Turnier ins Trainingslager gehen, habe ich Zeit. Das führt zu einer Normalität, die vor allem aus wiederkehrenden Trainingseinheiten und Gesprächen besteht. Ich habe als temporäre Führungskraft, die ich als Bundestrainer für die Spieler nun mal bin, wieder mehr Zugang zu den Spielern." Kurzum, verriet Löw der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Umso näher ein Turnier kommt, desto entspannter werde ich." Fußball-Deutschland kann also beruhigt sein, das Wochenende ist gerettet: Der Bundestrainer verlebt fernab im Passeiertal trotz manch unschöner Nachricht gerade vergleichsweise schöne Stunden.
Und das dürfte bis auf weiteres auch so bleiben, denn: Auch während des Turniers verspürt der Bundes-Jogi keinen Druck, nicht einmal temporären. Er ist halt erfahrungsgestählt durch bald acht Jahre als oberste Fußball-Führungskraft des Landes. Und er kennt sich nicht nur mit des Deutschen liebstem Sport ganz gut aus, sondern auch mit Atemtherapie: "Ich habe gelernt, diesen Druck auch mal ein bisschen wegzuatmen und mich zu entspannen. Bei einem Turnier herrscht dazu eine Ausnahmesituation. Da bist du so im Tunnel und voller Adrenalin, dass du den Druck ausblenden kannst."
Schwierig, gab Löw aber noch Einblick in sein innerstes Gefühlsleben, wird es erst nach den langen Wochen der Vorbereitung und den mehr oder weniger langen Wochen des Turniers. So eine WM laufe ja zunächst wie "im Film an dir vorbei". Aber, verriet Löw: "Das trügt. Irgendwann kommen die Gefühle raus. Dann ist das Turnier aus, und du bist plötzlich allein." Für Mitleid und Trübsal besteht aber kein Grund, betonte Löw: "Mir macht es unverändert riesigen Spaß, mit der Mannschaft zu arbeiten und mich auf so ein Turnier vorzubereiten. Das steht über allem." Bloß gut.
Wie ist der Krankenstand?
Der Ausfall von Lars Bender am Freitag ließ das Schlimmste erahnen. Konkret: Direkte Folgeschäden bei den noch nicht maladen DFB-Kickern. Kombinierte Muskel-Sehnen-Verletzung im oberen Bizeps-Anteil des rechten Oberschenkels - allein das Aussprechen und Durchdenken von Benders Diagnose ließ schwerste mentale Verrenkungen und Zerrungen bei den teils durch die Radtour vom Donnerstag noch geschwächten DFB-Kickern befürchten. Zumal am Freitag mit dem Bayern-Duo Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger - neben Sonderurlauber Per Mertesacker - noch zwei angeschlagene Spieler zum DFB-Tross in Südtirol stießen. Inzwischen steht fest: Die Sorge war unbegründet. Das medizinische Bulletin vom vierten Vorbereitungstag im Passeiertal enthielt keine Neuverletzungen: Spielmacher Mesut Özil musste zwar mit dem Training aussetzen, hat aber nur einen leichten Infekt der oberen Atemwege. Ansonsten absolvierten Lahm (Kapselriss im Sprunggelenk), der noch nicht fitte Bastian Schweinsteiger (Knieprobleme) und Marcel Schmelzer eine individuelle Trainingseinheit im Fitnesszelt. Zu ihnen gesellte sich Mertesacker, jüngst erneut Vater geworden. Zieht man den weiter an seiner Schulterverletzung laborierenden Stammkeeper Neuer und Champions-League-Finalist Sami Khedira ab, blieben Joachim Löw noch 19 Spieler zum geheimen Mannschaftstraining. Löw geht aber davon aus, spätestens in Brasilien auch Neuer zur Verfügung zu haben, sagte er der ARD: "Davon gehe ich auf jeden Fall aus. Das ist auch die Aussage der Ärzte."
Aus dem Mannschaftshotel ließ Löw zudem mitteilen: "Auch wenn Philipp und Manu zunächst nicht mit der Mannschaft trainieren werden, ist ihre Anwesenheit beim Team wichtig. Die Mannschaft wird immer kompletter." Reus hat beobachtet: "Beide denken sehr positiv für die nächsten Tage und Wochen. Das ist für uns wichtig, weil sie wichtige Spieler sind." Akute Verletzungsgefahr droht den DFB-Kickern vorerst nur von den - vom Trainerstab sehr geschätzten - Fahrrädern. Die sind unter Fußballern - so geht das Gerücht - eher mittelbeliebt. Stimmt gar nicht, stellte Reus klar: "Ich persönlich mach's sehr gerne - obwohl der Popo wehtut nach einer gewissen Zeit."
Wer ist der Mitarbeiter des Tages?
Sie, der Fan der Fußball-Nationalmannschaft. Warum? Das erklärt Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, der auf der DFB-Website einen eigenen WM-Blog betreibt. Dort wandte er sich am Freitag vertrauensvoll an das Fanvolk und gab in bester Kennedy-Manier die Losung aus: Frage nicht, was deine Fußball-Nationalmannschaft für dich tun kann, sondern was du für deine Fußball-Nationalmannschaft tun kannst.
Zitat:
Liebe Fans der Nationalmannschaft,
ich habe gestern Abend im Betreuerkreis der Nationalmannschaft eine Geschichte erzählt, die mir vor Kurzem zugetragen wurde. Ich will euch davon nicht ausschließen, ich finde, dass sie im Vorfeld der WM sehr gut passt. Die Geschichte spielt in der Zeit des Beginns der Raumfahrt, die USA und die UdSSR wetteiferten darum, welche Nation, welche Ideologie, den Mond zuerst erreicht. Die Geschichte handelt von einer Reinigungskraft der Nasa, sie geht so: Bei einem Besuch im Nasa-Hauptquartier in Washington hat sich Präsident John F. Kennedy über den Stand im Wettrennen gegen die Sowjetunion informiert, der technische Fortschritt wurde Kennedy präsentiert, die Nasa-Spitze setzte sich und das Projekt in Szene. Die Reinigungskraft hat am Rand den Boden gefegt, stoisch, akribisch, ausdauernd. Dem Präsidenten ist der Mann aufgefallen. Kennedy ging auf ihn zu und fragte, welche Aufgabe dieser im Gefüge der Nasa habe. Die Antwort des Mannes: "Ich helfe dabei, einen Menschen auf den Mond zu schicken." Diesen Spirit erlebe ich im Team hinter dem Team. Jeder hat seinen Teil am Erfolg, jeder ist in seiner Funktion für die Mannschaft wichtig. Und diesen Spirit wünsche ich mir auch von Euch Fans.
Also: Auf!
Was machen die anderen?
Da Sie nicht nur treuer Nationalmannschafts-Fan sind, sondern auch treuer Leser dieser unserer Reihe "Neulich im Passeiertal", ist ihnen nicht entgangen: Der finale WM-Kader des deutschen Gruppengegners USA steht bereits fest, und die nationale Fußball-Ikone Landon Donovan wurde von Nationalcoach Jürgen Klinsmann nicht nominiert. Doch während Vater Klinsmann die Nicht-Nominierung Donovans als "eine der härtesten Entscheidungen meiner Trainerkarriere" empfand, fand sie Sohn Jonathan einen willkommenen Anlass für Häme. Via Twitter ätzte der 17-Jährige auf Englisch in die Welt hinaus: "HAHAHAHAHAHAH DONOVAN HAHAHAHAA. Ich hab das nicht mal mitgekriegt, bis ich eine Nachricht auf mein Telefon bekommen habe!" Garniert war die Botschaft mit Smileys. Als Vater Klinsmann davon hörte, machte er ungefähr diese Miene: :-((((((((((((((((((.
Besser war die Laune in Kolumbien. Dort verabschiedete sich die Nationalmannschaft mit einer großen Party Richtung Brasilien. Mit etwa 30.000 Fans, Feuerwerk und Musik stimmte sich der Geheimfavorit auf die erste WM-Teilnahme seit 16 Jahren ein, dazu schallten enthusiastische "Es lebe Kolumbien! Kolumbien, Kolumbien, Kolumbien ..."-Rufe durch die Hauptstadt Bogota. Auch sportlich bestand kein Grund zur Klage: Im letzten WM-Testspiel in der Heimat schaffte Kolumbien ein 1:1. Gegner war praktischerweise: Kolumbien.
War sonst noch was?
Aber ja! Für die WM in Brasilien gilt zwar die Devise: Fitness first. Und Marco Reus berichtete von den Übungseinheiten in Südtirol auch: "Wir trainieren natürlich enorm hart." Am Nachmittag haben die DFB-Kicker trotzdem frei und können machen, was sie wollen - bis Punkt 20.00 Uhr. Dann müssen alle zurück sein im Hotel, denn dann gibt es Abendbrot, bevor gemeinsam das Champions-League-Finale geschaut wird. Und gehofft, dass Sami Khedira mit Real Madrid das Stadtduell gegen Atletico gewinnt und nächste Woche als strahlender Siegertyp statt als mentaler Pflegefall nach Südtirol nachreist.
Wer das kollektive Daumendrücken unbeschadet übersteht, darf am Sonntag womöglich zum ersten von drei DFB-Wettkampftests in Südtirol antreten. Gegner sind die verbandseigenen U20-Junioren. Sie sollen im Trainingslager die drei deutschen WM-Gruppengegner Portugal, Ghana und die USA imitieren, die Idee dazu hatte Noch-Co-Trainer Hansi Flick. Na dann mal los.
Und wer ist der Klassenclown des Tages?
"Für ihn ist es ein großes Unglück, aber es ist kein großes Unglück für die Gemeinschaft. Jeder ist zu ersetzen, der Kader ist stark genug, diesen Verlust aufzufangen." Doppel-Weltmeister Franz Beckenbauer beliebt nach dem Ausfall von Lars Bender zu scherzen.
Quelle: ntv.de