Titeltraum trotz Chancenwucher "Prince Harry" macht England zappelig
19.06.2018, 15:23 Uhr
Obacht, schlechtes Wortspiel: Wer Kane der kann.
(Foto: imago/ITAR-TASS)
Harry Kane ist der Hoffnungsträger der englischen Fußball-Nationalmannschaft - doch er ist nicht befreit von Kritik. Seinen Zweiflern verpasst er aber direkt im ersten WM-Spiel gegen Tunesien eine Watsch'n und lässt das Land vom ganz großen Coup träumen.
Harry Kane war sich der Bedeutung des wichtigsten Tores seiner Karriere bewusst. "Aus diesem Stoff sind Träume gemacht", sagte der englische Kapitän nach seinem Last-Minute-Siegtreffer zum 2:1 (1:1) gegen Tunesien. Er lächelte vielsagend. Nicht nur, dass der 24-Jährige mit seinem Doppelpack dem Fußball-Mutterland nach den teilweise blamablen Turnierauftritten der Vergangenheit zumindest ein bisschen Hoffnung und Stolz zurückgab. Kane bewies auch, dass er auf der ganz großen Bühne mit den besten Stürmern der Welt mithalten kann. "Ich freue mich für ihn persönlich sehr. Er kann Grenzen überwinden", sagte Teammanager Gareth Southgate: "Wenn er nicht trifft, sitze ich aber hier und muss Fragen beantworten, ob er in Turnieren Tore schießen kann."
Denn in der Heimat schwangen zuvor immer wieder Zweifel mit, ob Kane seine starken Leistungen nicht nur bei Tottenham Hotspur in der Liga zeigen könne, sondern auch, wenn es um Titel mit der Nationalmannschaft geht. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass er vor zwei Jahren bei der EM in Frankreich nicht getroffen hatte. Doch seit Montagabend in Wolgograd ist klar: Kane kann. Das bewies er eindrucksvoll. Drei Torschüsse, zwei Tore.
Doppelt so viele WM-Tore wie Rooney
Natürlich wurden in der Heimat schnell Vergleiche gezogen: Schon nach einem Einsatz habe er doppelt so viele WM-Tore wie Wayne Rooney erzielt, wurde da etwas hämisch in Richtung des Ex-Kapitäns kommentiert. Und: Der letzte englische Spieler, der bei einer WM einen Doppelpack erzielte, war Sturm-Idol Gary Lineker. 1990. Persönliche Erfolge sind für Kane aber nur ein Aspekt, vor allem im Nationaltrikot. Immer wieder hatte er betont, welche Ehre es sei, das Team als Kapitän zu führen. Wie wichtig es sei, dass die Menschen wieder stolz auf England sein können. "Das Größte für ihn wird der Stolz sein, dass er sein Land zum Sieg geführt hat", sagte Southgate. Er hatte damit nicht ganz Unrecht. "Was für ein Gefühl, England bei der WM zum Sieg zu schießen. Ich habe es genossen", sagte Kane.
Nicht nur er, sondern das gesamte Land: Kane brachte die Hoffnung zurück. "England sieht Licht am Ende des Tunnels. Man hat eine Weile gebraucht, um es zu realisieren: Es gibt auch glückliche Turniermomente für England", schrieb der "Guardian". Immerhin lag der letzte WM-Sieg Englands acht Jahre zurück. "Es war ein kostbarer Vorgeschmack auf die neuen Dinge, auf die wir hoffen", schrieb die "Sun".
Denn das nach dem peinlichen Aus im EM-Achtelfinale gegen Island runderneuerte Team zeigte gegen Tunesien, warum es eines der spannendsten der WM ist. "Prince Harry", so schrieb die "Daily Mail", und das "neue" England begeisterten mit ihrem Offensivspiel, es mangelte nur an der Chancenauswertung, sonst wäre das Duell früh entschieden gewesen. Es wurde gegen Tunesien aber auch klar, warum die WM vielleicht noch etwas zu früh für das englische Team kommen könnte. Als sich die Tunesier in der Defensive stabilisierten und die Räume verengten, fehlten die Ideen, die Erfahrung. Aber: Die Engländer behielten Geduld, ließen sich auch von umstrittenen Entscheidungen nicht aus der Ruhe bringen - und hatten ja noch Kane.
Quelle: ntv.de, Dominik Kortus, sid